Am Esstisch

Tipps für entspannte Familienessen: "Ruhe bewahren und Nudeln kochen!"

Der Esstisch ist der Ort, an dem die ganze Familie zusammenkommt. Doch oftmals herrscht beim Familienessen mehr Frust als Genuss. Wie ein harmonisches Miteinander gelingen kann ...

Kind isst Spaghetti.© iStock/romrodinka
Jeden Tag Nudeln? Die Essgewohnheiten ihrer Kinder können Eltern zur Verzweiflung treiben.

In der Werbung sieht es so einfach aus. Die ganze Familie sitzt am Tisch, die Kinder essen ihr Gemüse, alle lachen. Seit ich selbst Mutter bin, stellt sich mir bei diesen Spots vor allem eine Frage: Wo zur Hölle haben sie diese Kinder gecastet?

Unsere Realität sieht so aus: "Ich mag das nicht!", quakt der Zweijährige, bevor er überhaupt weiß, was es heute gibt. Wenn dann doch irgendwann Neugier und Hunger überwiegen, wird der Esstisch eher zu so etwas wie einer Versorgungsstation beim Marathon: Schnell ein paar Bissen reinschaufeln – und dann weiterflitzen. Sitzen bleiben und in Ruhe aufessen? Nicht mal im Traum. Müssten wir als Eltern jetzt eigentlich mal ein Machtwort sprechen? Oder darauf warten, dass sich irgendwann alles von allein regelt? 

"Wenn das Kind beim Essen nie sitzen bleibt, gibt es ganz sicher wichtige Gründe", erklärt Christine Ordnung, Familientherapeutin und Autorin ("Familie am Tisch"). "Vielleicht ist das Leben des Kindes gerade so voller wichtiger Ereignisse, dass Essen nur schnell und nebenbei gehen kann. Vielleicht ist die Atmosphäre am Tisch unangenehm und angespannt, dass schneller Rückzug notwendig ist. Vielleicht ist Essen für das Kind in der Phase einfach nicht wichtig?"

Klingt plausibel: Bei der Wahl zwischen Eisenbahn spielen und Brokkoli essen ist die Entscheidung offenbar einfach.

Kein Platz für Vorwürfe

Eines ist klar: Rund ums Thema Essen brennen wohl den meisten Eltern eine Menge Fragen unter den Nägeln. Isst mein Kind genug? Isst es zu viel? Warum mag es kein Gemüse? Und wie lange kann man eigentlich nur von Nudeln leben?

Viele Eltern machen sich Sorgen, weil sich ihr Kind scheinbar zu einseitig ernährt und beispielsweise täglich Pasta verlangt. Christine Ordnung hat einen Tipp: "Ruhe bewahren und Nudeln kochen! Es schadet erst mal keinem Kind, wenn es Nudeln isst. Auch nicht, wenn das täglich stattfindet. Richtiges Reagieren im Sinne von korrekt gibt es nicht. Erst mal ist es hilfreich, wenn die Erwachsenen sich selbst befragen, was sie daran stört, ärgert oder hilflos macht."

Wichtig: Vorwürfe und Anklagen helfen nicht – im Gegenteil. Stattdessen sollten Eltern eher erklären, warum sie Schwierigkeiten mit der einseitigen Ernährung ihres Kindes haben. "Solche Sätze können zum Beispiel anfangen mit Worten wie: 'Ich kann mir nicht vorstellen, wie es geht …', 'Ich bin unsicher …', 'Mir fällt es schwer …' Eltern können mit ihrem Kind überlegen, wie das praktisch gehen soll. Wer kocht die Nudeln? Wer kauft sie ein? Manchmal erfahren sie dabei vielleicht auch, warum ihr Kind eine Zeit lang nur Nudeln essen will."

Generell gilt: Mehr Leichtigkeit, weniger Dogmen. Wie Eltern das Interesse ihrer Kinder für gesundes Essen wecken? "Indem sie aufhören, davon zu sprechen, was schon wieder sooooo gesund ist. Eltern stehen sich da oft selbst im Weg. Sie sprechen von 'gesund', die Kinder hören 'schmeckt nicht'. Eltern dürfen es ihren Kindern mit Selbstverständlichkeit vorleben, anstatt sie zu belehren. Wenn das Gesunde im Mittelpunkt steht, dann geht es ganz schnell nicht mehr um den gemeinsamen Esstisch sondern viel mehr ums Richtigmachen."

Konsequent, aber freundlich

Das Gleiche gilt für den Umgang mit Süßigkeiten. "Eine Anti-Kampagne provoziert oft das Gegenteil", weiß Christine Ordnung. "Was Eltern für wichtig halten, ihre Einstellungen, ihre Haltung, ihre Werte, macht natürlich auf Kinder Eindruck, aber nur, wenn das nicht als ständige Kritik bei den Kindern landet. Und natürlich wird es immer wieder Auseinandersetzungen über Süßkram geben. Ein Glück. Denn sie sind ein wunderbares Trainingsfeld für Sichbehaupten, Nachgeben, Sauersein."

Entscheidend ist, dass Eltern bei einem einmal ausgesprochenen Nein bleiben. "Das Nein können Eltern gern freundlich aussprechen ohne angehängte Erklärungen oder Rechtfertigungen. Jedes Kind wird insistieren, sicher auch mehrmals. Wunderbar so. Und wenn es beim Nein bleibt, ist jedes Kind erst mal frustriert. Das muss erst mal verarbeitet werden. Frustration, die je nach Temperament lauter, leiser, kürzer oder länger ausfällt, ist eine notwendige Erfahrung im Leben. Wir alle müssen immer wieder kleinere und größere Enttäuschungen bewältigen. Lass uns gern mit Kaugummis üben."

Für eine gute Stimmung am Tisch empfiehlt Christine Ordnung Benimmregeln – allerdings für Eltern. "Etwa: Keine Erziehungsmaßnahmen beim Essen. Handys weg vom Esstisch. Können wir uns als Eltern darauf einigen, dass das Thema Schule am Esstisch nichts verloren hat? Ein guter Selbsttest für das eigene Benehmen ist: Würde ich das, was ich meinem Kind am Tisch oder auch sonst sage, auch zu einer guten Freundin oder einem guten Freund sagen?"

Und wie sieht für die Expertin nun ein gelungenes Familienessen? "Wenn es genug Pommes gibt, mich keiner beim zweiten Mal Ketchupnachnehmen stoppt, mich die Sonne nicht nervt und mal niemand nach den Hausaufgaben gefragt hat. Das könnte zum Beispiel ein Kind antworten. Ein gelungenes Familienessen sieht für jede Person am Tisch anders aus, und auch von Tag zu Tag. Das gilt auch für Eltern. Mal freuen sie sich, wenn ihre zwei oder drei Kinder gleichzeitig und durcheinander erzählen und sich dabei in die Wolle kriegen. An anderen Tagen hätten sie es gern ruhiger am Tisch. Etwas anderes ist es mit den 'guten Momenten am Tisch'. Sie fallen nicht unbedingt unter die Kategorie gelungen oder schön. Das kann zum Beispiel mal ein Streit sein, bei dem ein schwelendes Thema endlich auf den Tisch kommt, auch wenn dadurch erst mal die Stimmung verhagelt wird."