
Zugegeben: Ich habe auch schon verschämt das Handy weggesteckt, wenn sich andere Eltern zu uns in die Sandkiste gesellt haben. Weil es sich irgendwie falsch anfühlt. Schließlich will man als Mama aufmerksam und zugewandt wirken. Dass ich eine von denen wäre, die ständig auf ihr Handy starren, soll bitte niemand denken – weder andere noch ich über mich selbst.
Mamas am Handy werden schnell verurteilt
Denn schließlich weiß ich selbst gut genug, wie es rüberkommt, wenn man eine Mutter mit Smartphone in der Hand sieht. Ja, auch ich schiele manchmal skeptisch zu anderen Eltern, die auf dem Spielplatz ewig ins Handy quatschen oder aufs Display gucken. Aber was geht es mich eigentlich an, wieso und wie lange andere Eltern am Smartphone hängen? In erster Linie mal: gar nichts.
Handy als Orga-Tool und Entertainment
Für Außenstehende mag es aussehen wie "auf dem Handy daddeln". Dabei macht Mama möglicherweise gerade den nächsten Kinderarzttermin aus, bestellt online eine neue Matschhose, kauft Zugtickets für die Fahrt zu Oma, oder sie verabredet ein Playdate. ODER sie findet einfach mittels Instagram-Filter gerade heraus, welcher "Harry Potter"-Charakter sie ist. Denn möglicherweise liegt hinter ihr ein wirklich stressiger Tag und sie möchte einfach mal für einen Moment den Kopf ausschalten, während das Kind neben ihr im Sand buddelt.
Nicht unwahrscheinlich ist auch, dass sie gerade googelt. Ab welchem Alter dürfen Kinder noch mal Erdbeeren essen? Wann steht eigentlich die U7 an? Und wie war das gleich mit der bindungsorientierten Erziehung? Wer den ganzen Tag mit dem Kind verbringt, bei dem ploppen ganz schön viele Fragen auf. In den meisten Familien ist Mama die Google-Beauftragte, und die Internet-Recherche kann ein echter Zeitfresser werden. Und das ist immer noch nicht alles ...
Einkaufszettel schreiben, Mails weiterleiten, Konto checken – die Liste an Dingen, die Mama eben mal so "nebenbei" auf dem Handy erledigt, ist schier endlos. "Mental Load" nennt man diese unsichtbaren To-dos, die ständig im Kopf herumflattern. Eine Stressfalle, in die nachgewiesenermaßen meist Mütter tappen.
Fast alles läuft digital
Und weil Eltern bekanntermaßen eher wenig Me-Time haben, ist es umso wichtiger, wenigstens per WhatsApp Freundschaften zu pflegen. Oder einfach mal kurz an gar nichts zu denken, während man durch seinen Instagram-Feed scrollt.
"Manchmal können einem die fünf Minuten zwischendurch helfen, kurz abzuschalten und sind auch das einzige, was wir an so manchen Tagen bekommen", sagt Digital-Expertin Xenia von "The.Digital.Mom".
Inzwischen läuft eben fast alles digital. Selbst unsere Kita nutzt eine App für den Orga-Kram. Und sogar den Arbeitsvertrag für diesen Job, den ich beim Schreiben dieses Texts gerade ausübe, habe ich aus Zeitnot auf dem Handy überflogen, während ich mit meinem Sohn beim Kinderturnen war. Ob andere darüber die Stirn gerunzelt haben? Keine Ahnung. Ich war gerade damit beschäftigt, die Weichen für meine berufliche Zukunft zu stellen. Und nebenbei meinen Sohn aus dem Bällebad zu heben.
Wenn man den ganzen Tag entweder arbeitet oder ein kleines Kind betreut: Wann soll man bestimmte Dinge denn erledigen? Und wer jetzt sagt: "Abends, wenn die Kinder schlafen", der möge doch bitte mal hinterfragen, ob er selbst auch niemals Feierabend braucht.
Wie viel Handyzeit ist erlaubt?
Ich sehe das so: Wenn mein Sohn gerade in sein Spiel vertieft ist, kann ich nebenbei kurz mal was am Smartphone erledigen. Wenn wir miteinander spielen, reden, essen oder Bücher lesen, kommt es weg, ganz klar. Denn wie heißt es so schön: Die Dosis macht das Gift.
Mit dieser Strategie fahre ich laut Xenia anscheinend auch ganz gut: "Ich würde Eltern empfehlen, auf eine gesunde Balance zu achten. Man muss nicht immer sofort auf das Kind reagieren, aber in den meisten Fällen eben schon. Es ist auch sinnvoll, dem Kind kurz zu erklären: 'Mama muss eine E-Mail schreiben und hat in zehn Minuten Zeit für dich'."
Idealerweise ist das Handy konsequent stummgeschaltet, damit die Kinder nicht von ständigem Summen und Brummen abgelenkt werden. Denn das kann laut Xenia tatsächlich schädlich sein. "Man weiß, dass es tendenziell negative Auswirkungen haben kann, wenn man das Smartphone zur Hand nimmt, während man sich mit dem Kind beschäftigt. Das Kind kann dann Verhaltensauffälligkeiten zeigen wie Weinen oder Aggressionen."
Schluss mit dem schlechten Gewissen
Verpasste Anrufe oder Nachrichten lassen sich schließlich auch später beantworten. Doch Xenia weiß auch: "Mit dem Smartphone kann man Kontakte aufrecht erhalten und das kann der Seele schon sehr gut tun. Auch zu Freunden, die weiter weg wohnen. Social Media kann uns helfen, unsere Erfahrungen zu normalisieren, weil wir in einem Post lesen, dass wir gar nicht die einzigen sind, deren Kind nicht mit anderthalb Jahren schon durchschläft."
Ein schlechtes Gewissen haben wir Mamas doch sowieso schon ständig wegen allem Möglichen. Also doch nicht bitte auch noch deswegen, weil man mal eben seine Nachrichten checkt oder bei H&M einen Fünferpack Bodys bestellt. Und die allerwenigsten Mütter spielen auf dem Spielplatz wohl in Seelenruhe Candy Crush ...