Die Rolle des Vaters

Das macht eine sichere Vater-Kind-Bindung aus

Bonding ist auch Männersache: Der Aufbau einer engen Vater-Kind-Beziehung stärkt nicht nur ihr zwischenmenschliches Verhältnis, sondern dient auch als wichtiges Fundament für die kindliche Entwicklung. Doch die Vater-Kind-Bindung ist kein Selbstgänger. Was Väter dafür tun können...

Ein Vater spielt mit seiner Tochter im Kinderzimmer und umarmt sie dabei.© Pexels/Tatiana Syrikova
Das Spielen zwischen Vater und Kind stärkt unheimlich die Bindung zueinander.

Der Papa ist so wichtig

Es nicht nur Mama, die durch das Erlebnis von Schwangerschaft und Geburt eine tiefe Bindung zum Kind aufbauen kann. Tatsache ist, dass auch werdende Väter biologische und hormonelle Veränderungen durchmachen. Im Vergleich zur Mama setzt das Bonding meist etwas später ein und kann auch länger dauern. Wenn Papa es zulässt, ist die Beziehung jedoch von gleicher Intensität: Das Hormon Oxytocin sorgt bei beiden Elternteilen für den Zustand bedingungsloser Liebe zum Nachwuchs.

Damit beim Vater in ähnlichem Maß Bindungshormone ausgeschüttet werden wie bei der (stillenden) Mutter, müssen vorab einige Bedingungen erfüllt sein:

  1. Der Vater sollte Interesse und Kontaktbereitschaft gegenüber dem Kind zeigen.
  2. Er sollte eine faire Aufgabenverteilung mit der Mama aushandeln.
  3. Papa sollte Raum und Zeit haben, um sich um das Kind zu kümmern und es richtig kennenlernen zu können. Dies kann z. B. in der Elternzeit erfolgen, durch eine faire Verteilung von Care-Arbeit oder dank familienfreundlichen Arbeitsbedingungen wie etwa Home-Office oder flexible Arbeitszeiten.
  4. Der Vater sollte genau wie die Mutter Zeit allein mit seinem Kind verbringen können, denn das ist wichtig für alle Parteien. Der Mutter hilft es dabei, sich auch mal vom Kind zu trennen und für einen Moment nur an sich zu denken, die Vater-Kind-Beziehung wird durch die "exklusive" Zeit gestärkt und das Vertrauen des Vaters in die eigenen Fähigkeiten gefördert. Eine Win-Win-Situation für alle!

Vater-Kind-Beziehung – das müsst ihr wissen

Die Bindung zwischen Vater und Kind beginnt bereits mit der Geburt. Dabei ist das hilflose Kleine auf Schutz und Aktivität des Vaters angewiesen. Wichtig ist, dass er angemessen und zuverlässig die kindlichen Bedürfnisse befriedigt und Nähe vermittelt. Einen gefühlsbetonten Vater empfindet das Baby als hilfsbereiten Tröster, der immer da ist.

Für den Aufbau einer sicheren Vater-Kind-Beziehung steht die Qualität der Interaktionen über der Quantität. Regelmäßigkeit und Zuverlässigkeit sind die Voraussetzungen, damit das Kind Vertrauen zum Vater aufbaut, Mütter weniger Stress haben und sich die Väter wirksamer in der Familien erleben. Zusätzlich haben Studien ergeben, dass dadurch die Eltern zufriedener mit ihrem Sexleben sind. Ein ambivalentes Verhalten des Vaters hingegen kann beim Kind zu einem Schutzmechanismus und einer unsicheren Bindung führen.

Für die Bindungsforscher Mary Ainsworth (USA) und Bowlby (GB) sind fünf Voraussetzungen für eine enge Vater-Kind-Bindung ausschlaggebend:

  1. Der Vater ist für das Kind erreichbar – zeitlich, physisch und emotional.
  2. Papa reagiert sofort und zuverlässig auf die Signale des Kindes.
  3. Das Kind findet bei Papa stets Trost, Sicherheit und Geborgenheit.
  4. Gegenseitige Wertschätzung fördert die Vater-Kind-Bindung.
  5. Papa hält dem Kind gegenüber Nähe und Distanz in Balance.

Aufbau einer stabilen Bindung zwischen Vater und Kind

Eine einmal aufgebaute Bindung bleibt stabil. Jedoch kann sich ihre Bedeutung verändern, etwa wenn das Kind beim Vater aufwächst. Je mehr Personen im Alltag des Kindes wichtig werden, desto weniger zentral wird die Bindung zu den Eltern. 

Ein Vater muss für eine gute Beziehung nicht die bessere Mutter werden. Psychologin Karin Grossmann zufolge sind weibliche und männliche Beziehungslager gleichwertig und können sich gut ergänzen. Entscheidend ist, dass Mama und Papa dem Kind von Anfang an ein grundsätzliches Gefühl von Geborgenheit und Sicherheit vermitteln.

Allerdings ist die Art der Bindung geschlechterspezifisch: Während die Mutter das Kind tröstet, interagiert der Vater spielerisch-explorativ. Wissenschaftlich erwiesen ist, dass sich eine von Beginn an enge Vater-Kind-Bindung positiv auf Gesundheit und Entwicklung des Kindes auswirkt. Wer eine solche Bindung erlebt, kann später auch selbst besser eine starke Beziehung zu einem Partner aufbauen. 

Viel gemeinsame Zeit und Rituale helfen beim Bonding. Das kann Papa tun, um diese Bindung zu stärken:

  • Vorlesen und singen
    Schon kleine Kinder lieben es, wenn Papa abends am Bettchen Geschichten vorliest oder -singt. Beides fördert übrigens auch die Sprachentwicklung.
  • Baden und planschen
    Mit Papa, dem Eimer und den Badetierchen wird das Waschen und Spielen in der Wanne zum großen Spaß.
  • Wickeln und berühren
    Auch das Windelwechseln sollte Papa so oft es geht übernehmen. Der hautnahe Kontakt, Berührungen und sanfte Babymassagen stärken das Band.
  • Kuscheln und beruhigen
    Das Beruhigen vom Kind sollte nicht nur bei der Mutter liegen, auch Väter sollten den Part aktiv übernehmen, um ihrem Kind so noch mehr Vertrauen und Sicherheit zu schenken. Und auch das Kuscheln ist wichtig zwischen Vater und Kind.
  • Füttern und tragen
    Reine Herzenssache: Das Kind auf dem Arm halten und Fläschchen geben. Unterwegs das Kleine am besten im Tragesitz oder -tuch nah am Körper tragen. 
  • Bewegen und toben
    Turnen, balgen, toben – zusammen mit Papa ist das ein echtes Vergnügen. Motorik und Vertrauen werden gefördert und das Kind lernt, dass Papa es auffängt, auch wenn Papa das Kind beim Spielen mal wieder herausfordert.
Ein Vater trägt sein Kleinkind auf den Schultern, das ihm unüberlegt in die Augen fasst.© Pexels/Tatiana Syrikova
Der Vater nimmt eine "tragende Rolle" ein.

Die tragende Rolle des Vaters

Der feinfühlige Umgang beim Spielen fördert die Bindung zwischen Vater und Kind. Sie liegt in der kognitiven und sozialen Herausforderung, das Kleine nicht zu unter- oder überfordern. Der Vater befriedigt emotionale Bedürfnisse nach Unterstützung, Ermutigung, Trost oder Beruhigung. 

Um die Bindung aus Wärme, Verständnis und Anerkennung aktiv zu fördern, ist hautnaher Körperkontakt wichtig. Erwiesen ist, dass die "tragende Rolle" positive Auswirkungen auf die Entwicklung des Kindes hat. Um ihre Rolle anzunehmen, sollten Männer frühzeitig von der Hebamme einbezogen werden, das Kind zu halten, zu tragen und mit natürlichen Berührungen zu verwöhnen.

Auch die Körperlichkeit des Vaters spielt eine zentrale Rolle. Das Toben und Raufen, in der Luft gewirbelt oder sicher gehalten zu werden, geht super mit dem starken Papa. Solche Erlebnisse fördern auf spielerische Weise das Selbstbewusstsein des Kindes.

Papa fördert die Autonomie

Eine gute Beziehung zwischen Mann und Frau fördert die Eltern-Kind-Bindung. Während Mama verstärkt für Ruhe und Verlässlichkeit sorgen, in Gefühlsfragen und für soziale Themen zuständig ist, bevorzugt Papa die körperorientierten Aktivitäten. Die weibliche Fürsorge ist auf Verantwortung, die männliche auf Eigenständigkeit spezialisiert. Übrigens findet sich eine ähnliche Verteilung oft auch bei gleichgeschlechtlichen Elternpaaren.

Die andersartige Sichtweise des Vaters auf die Dinge bietet dem Kind Sicherheit und entlastet gestresste Mütter. Längst ist wissenschaftlich erwiesen, dass Kinder engagierter Väter selbstbewusster, einfühlsamer und intelligenter sind. 

Väter öffnen den Weg

In der "Triangulierungsphase" vom ersten bis dritten Lebensjahr löst sich das Kind mit Unterstützung des Vaters aus der frühen Symbiose mit der Mutter. Papas Aufgabe ist naturgemäß, das Kind aktiv an seine Umwelt heranzuführen und mit der Gesellschaft zu konfrontieren. Er ermutigt den Nachwuchs, energischer als Mama, in seinen ersten Schritten in die Welt.

Elternzeit – Vaterzeit

Je mehr Zeit mit dem Kind, desto intensiver das Bonding. Immer mehr Väter gehen in Elternzeit: aktuell rund 42 Prozent im Vergleich zu 35,9 Prozent im Jahr 2019. Das klingt erst mal gut, doch tatsächlich ist die Dauer, die Väter in Elternzeit sind, noch immer verschwindend gering im Vergleich zu den Müttern: Im Schnitt bezogen Väter 3,6 Monate Elterngeld (Mütter im Vergleich 14,6 Monate, Stand 2022). Auch, wenn sich viel getan hat, ist es noch immer keine Normalität für Väter, Familie und Beruf zu vereinen.

Faire Verteilung der "Mental-Load-Aufgaben"

Traditionelle Rollenvorstellungen sind immer noch weit verbreitet, auch wenn sich das Rollenbild des Vaters in den letzten Jahren schon viel verändert hat. Sogenannte "Mental-Load-Aufgaben" beispielsweise liegen aber oft noch immer komplett bei der Mutter. Das heißt, dass neben den alltäglichen Aufgaben einer Mutter zusätzlich noch die mentale Belastung durch alltägliche Planungs- und Organisationsarbeiten, wie etwa die Planung der Hausarbeit, das Organisieren von Arztterminen der Kinder, an Geburtstage denken und vieles mehr, hinzukommen. Eine faire Verteilung würde nicht nur die Mutter entlasten, sondern auch der Beziehung der Eltern guttun.

Vater-Sohn-Beziehung

Der Vater ist erstes Vorbild und Identifikationsfigur für den Sohn. Nachdem der Junge viel von seinem Vater gelernt und sich von der Mutter gelöst hat, verhilft Papa ihm in der Pubertät zur eigenen männlichen Identität. Da es wilder zugeht, bevorzugen Jungen nun häufig Papa als Spielkameraden. Später suchen Jungs ihre Ideale oft in Gegenentwürfen zum eigenen Vater. Natürlich versucht der Ältere weiterhin, Einfluss zu nehmen und die Fehler des eigenen Vaters zu kompensieren. Bei Problemen in der Vater-Sohn-Beziehung kann eine Vater-Kind-Kur in einer Klinik die Bindung stärken.

Vater-Tochter-Beziehung

Der Vater, als erster Mann im Leben eines Mädchens, lebt der Tochter vor, was sie in einer Partnerschaft erwarten könnte. Sie lernt von ihm das Selbstvertrauen, positiv auf Männer zu wirken. Prägend sind auch die väterlichen Reaktionen, die sich von denen der Mutter unterscheiden. Wissenschaftlich erwiesen ist, dass sich Töchter mit einem stabilen Verhältnis zum Vater mehr zutrauen und in Naturwissenschaften erfolgreicher sind. Bestätigt der Vater in der Pubertät das Selbstbild der Tochter, kann sie ein positives Männerbild entwickeln. Für eine gewisse Distanz sorgen Unterschiede in Alter und der Gefühlskultur.

Wenn der Vater fehlt

Amerikanischen Studien zufolge sind Kinder ohne Kontakt zum Vater eher gefährdet, in Richtung Kriminalität, Drogen oder Suizid abzurutschen. Wenn der Vater nicht als Identifikationsfigur dienen kann, entstehen oft Probleme. Trennungskinder in vaterlosen Konstellationen haben zudem häufiger Beziehungsprobleme und neigen zu frühen und schnell geschiedenen Ehen.