Der Stand der Forschung

Pille für den Mann: Wird Verhütung bald zur Männersache?

Seit vielen Jahren wird an der Pille für den Mann geforscht, jetzt ist Wissenschaftlern ein neuer Durchbruch gelungen: Schon bald könnte die männliche Antibabypille auf den Markt kommen. Ist Verhütung also künftig (auch) Männersache?

Die Pille für den Mann könnte in weniger als fünf Jahren auf den Markt kommen.© Foto: Getty Images/Prostock-Studio
Die Pille für den Mann könnte in weniger als fünf Jahren auf den Markt kommen.

Männliche Verhütung: Diese Methoden gibt es

In den meisten Beziehungen wird das Thema Verhütung nach wie vor den Frauen zugeschoben. Immerhin gibt es für sie zahlreiche Möglichkeiten, eine ungewollte Schwangerschaft zu verhindern. Darunter die Antibabypille, die Spirale, der Vaginalring und die Natürliche Familienplanung

Will der Mann die Sache in die Hand nehmen, hat er aktuell vor allem zwei Methoden zur Auswahl: Das meist verwendete männliche Verhütungsmittel ist das Kondom. Bei korrekter Anwendung ist der Schutz, auch vor Geschlechtskrankheiten, hoch. Eine weitere Möglichkeit, sich als Mann um die Verhütung zu kümmern, ist die sogenannte Vasektomie. Dabei handelt es sich um einen deutlich radikaleren Schritt: Im Rahmen einer Sterilisation werden die Samenleiter durchtrennt. Die Entscheidung zur Vasektomie ist keine einfache. Sie kann zwar rückgängig gemacht werden, allerdings gibt es für die Refertilisierung keine Erfolgsgarantie. Überraschenderweise bietet der Eingriff keinen hundertprozentigen Schutz vor einer Schwangerschaft. Der Pearl-Index liegt immer noch bei 0,1. Das bedeutet, eine von 1000 Frauen wird innerhalb eines Jahres trotz der Sterilisation beim Mann schwanger. Besonders in den ersten Monaten nach dem Eingriff ist das Risiko erhöht.

Seit vielen Jahren wird an weiteren Verhütungsmethoden für den Mann geforscht. Beispielsweise an an einem Vasalgel, welches die Samenleiter für mehrere Jahre verschließen soll. Als vielversprechend galten lange die Anti-Baby-Spritze oder eine hormonelle Pille für Männer. Allerdings standen bislang die möglichen Nebenwirkungen wie Depression, erhöhte Cholesterolwerte, Veränderungen der Libido und Gewichtszunahme, einer Markteinführung im Weg. Die neu entwickelte, hormonfreie Pille könnte der langersehnte Durchbruch sein.

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Wie funktioniert die Pille für den Mann?

Forschende der US-amerikanischen Universität Minnesota gaben jetzt Fortschritte in der Entwicklung einer männlichen Antibabypille bekannt. Der große Vorteil daran: Diese funktioniert, anders als die Pille für die Frau, komplett ohne Hormone. Der Hauptwirkstoff ist das sogenannte YCT529. Es dockt sich an ein bestimmtes Protein im Körper an, welches unter anderem für die Spermienproduktion verantwortlich ist und unterdrückt diese.

Die Wirksamkeit der Pille wurde erfolgreich an Mäusen getestet: Innerhalb von vier Wochen reduzierte sich die Spermienzahl der Tiere erheblich und sie waren zu 99 Prozent steril. Nach Absetzen der Pille dauerte es wiederum sechs Wochen, bis die Mäuse wieder Nachkommen zeugen konnten. Was die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler positiv stimmt: Im Rahmen der Studie konnten keine unerwünschten Nebenwirkungen beobachtet werden. Ob das auch langfristig gilt, müssen weitere Untersuchungen klären.

Update: Neue Forschung, neue Wirkungsweise

Januar 2023 Forscher aus den USA und Belgien haben jetzt im Fachmagazin "Proceedings of the National Academy of Sciences" einen weiteren Wirkstoff vorgestellt, der sich für eine "Pille für den Mann" eignen könnte. "VU0546110" soll nicht die Spermienproduktion beeinträchtigen, sondern verhindern, dass Spermien mit der Eizelle verschmelzen. Die Spermien sollen quasi – durch eine Veränderung der Oberflächenspannung – an der Eizelle abprallen. 

Ob und wann Menschen den Wirkstoff zur Verhütung nutzen können, steht allerdings noch in den Sternen, denn bisher stützen sich alle Annahmen auf  Labor-Untersuchungen mit VU0546110, Versuche an Tieren haben noch nicht stattgefunden.

Antibabypille für Frauen und Männer: Was ist der Unterschied?

Die Antibabypille für die Frau wirkt hormonell. Sie enthält Nachbildungen der weiblichen Geschlechtshormone Östrogen und Progesteron. Dadurch kann das Verhütungsmittel in den weiblichen Hormonzyklus eingreifen und einen Eisprung verhindern. Frühere Forschungen hatten sich analog dazu auf eine ebenfalls hormonelle Pille für den Mann mit dem Wirkstoff Testosteron konzentriert. Zu einer Markteinführung kam es aufgrund der möglichen Nebenwirkungen bislang nicht. Für Frauen gibt es trotz der bekannten gesundheitlichen Risiken bereits seit den 1960er Jahren die Pille. Dazu zählen unter anderem die Gefahr von Thrombosen, Kopfschmerzen, Zwischenblutungen und Stimmungsschwankungen. 

Die neue Pille für den Mann wirkt im Gegensatz zu früheren Präparaten und anders als die Antibabypille für die Frau nicht hormonell, sondern proteinbasiert. Das Mittel greift in die Spermienproduktion ein und verhindert, dass sich neue Samenzellen bilden. Käme die männliche Pille auf den Markt, wäre das ein wichtiger Schritt hin zu mehr verträglichen (!) Verhütungsalternativen. 

Wann kommt die Pille für den Mann?

Die neue, hormonfreie Pille für den Mann wurde bislang nur an Tieren getestet. Es ist also noch ein weiter Weg, bis das Präparat auf den Markt kommt. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Universität Minnesota sind aber zuversichtlich, dass noch in diesem Jahr Tests am Menschen durchgeführt werden können. Die Forschungsleiterin Guanda Georg, Professorin und Leiterin der Abteilung für Medizinische Chemie, stellt eine Markteinführung in maximal fünf Jahren in Aussicht.  

Fazit

Tendenziell ist es in unserer Gesellschaft Frauensache, zu verhüten. Für Männer stellt sich üblicherweise nur die Frage "Kondom, ja oder nein?". Frauen hingegen müssen entscheiden, welches der zig (hormonellen) Verhütungsmittel sie sich und ihrem Körper zumuten möchten. War die Einführung der Antibabypille in den 1960er Jahren ein Zeichen der Emanzipation, ist sie heute fast schon eine Last – die man dem Mann gar nicht erst zumuten möchte!? Gleichberechtigung sieht anders aus! Vor diesem Hintergrund ist die Einführung einer verträglichen Pille für den Mann längst überfällig. Es ist höchste Zeit, dass Männer und Frauen gleichsam Verantwortung übernehmen können und Verhütung Paarsache wird.  

Autorin: Lisa Gutknecht

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