
Wir stehen vor der weißen Kapelle auf dem Gipfel, und ich habe Gänsehaut. An den Temperaturen liegt es nicht: Gleich geht die Sonne unter, und es sind noch immer 25 Grad. Vielleicht ist es diese atemberaubende Aussicht auf den Strand, an dem wir gerade noch im Sand buddelten. Die im Wind wehende griechische Flagge und das golden schimmernde Licht am Horizont? Oder die Kids, die gerade Steinchen sammeln, ohne dass einer zankt (obwohl sie eigentlich hundemüde und hungrig sein müssten)?
Vermutlich ist es nichts von all dem. Wahrscheinlich habe ich Gänsehaut, weil es ein Ort der Hoffnung ist. Für Tausende, die schon herkamen – und für meine Schwester Anni, mit der ich hier bin. Die sich kaum etwas sehnlicher wünscht als noch ein Kind. Und in den vergangenen zwei Jahren fünf Fehlgeburten hatte.
Vorab: Weder sie noch ich sind besonders esoterisch veranlagt, und wir glauben zwar an Gott, aber nicht an Wunder. Tatsächlich sind wir einigermaßen zufällig hier gelandet: Die Reise nach Rhodos war längst gebucht, als wir vom Kloster in Tsambíka erfuhren – einem Wallfahrtsort für Menschen, die sich ein Baby wünschen.
Eine ganz besondere Wanderung: Ohne Schuhe auf den Berg
Die Geschichte dahinter: Damals, als der Bau zum Ende des 19. Jahrhunderts entstand, mussten alle Bewohner der Gegend mithelfen. Als das Kloster fertig war, wurden der Sage nach auffallend viele Helferinnen schwanger, bei denen es bis dato nicht geklappt hatte mit dem Nachwuchs. Seitdem besagt die Legende, dass Frauen mit Kinderwunsch barfuß die 300 Stufen auf den Hügel steigen sollen, um die Jungfrau Maria hier um Fruchtbarkeit zu bitten. In nur einem Jahr solle sich der Wunsch erfüllen, heißt es.
Klingt verrückt – doch als wir die Kapelle betreten und das Gästebuch durchblättern, lesen wir tatsächlich von Dutzenden Paaren, die sich bedanken. Die in den vergangenen Jahren hier waren und zurückgekehrt sind, weil ihr erster Besuch von Erfolg gekrönt war.
Ob dies wirklich der Jungfrau Maria zu verdanken ist, sei mal dahingestellt. Fest steht: Irgendetwas macht dieser Ort mit uns allen. Während die Kinder sich (weiterhin verblüffend friedlich) ins Gästebuch eintragen, kniet meine Schwester gegenüber vor einem silbern verzierten Gemälde, vor dem eine Schnur gespannt ist, an der Ultraschallbilder hängen. Davor liegen unterschiedlich große Kerzen in Form von Föten. Fast ein bisschen gruselig. Und dennoch kann man hier gar nicht anders, als kurz innezuhalten. Auch wegen der anderen Besucher, die sich hier, teils mit Tränen in den Augen, zum Gebet niederlassen.
Seltsam beseelt treten wir den Abstieg an, sind zufrieden mit unserem ersten Urlaubstag, denn dieser Ausflug hat sich doppelt gelohnt: Der Strand von Tsambíka, an dem wir die Stunden vor unserer abendlichen Wanderung verbrachten, gilt als einer der schönsten der griechischen Insel und ist gerade bei Familien so beliebt, weil es ganz flach ins das gefühlt karibisch-türkisfarbene Wasser geht. Highlight für die Kids: An unseren Liegestühlen befindet sich eine Klingel, die man drücken kann, um Kaffee, Limo und Eis zu superfairen Preisen zu bestellen. Ob sich dieser Traum-Tag noch toppen lässt?
Tierische Begegnungen im Schmetterlingstal
Die nächste Tour, von dem wir uns ebenso viel versprochen hatten, beginnt mit einem kleinen Dämpfer: Das "Butterfly Valley", das sich im Nordwesten von Rhodos befindet, gilt als spektakuläres Naturschauspiel, ist weltweit bekannt als Sommeraufenthaltsort für Millionen von Schmetterlingen, die vom Duft der orientalischen Sweetgum-Bäume angezogen werden. Doch schon am Eingang erfahren wir, dass wir heute keinen einzigen Falter zu Gesicht bekommen werden. Denn: Wir sind zu früh dran! Erst zwischen Ende Juli und September kommen die hübschen Tierchen, vor allem solche der Art "Panaxia Quadripunctaria", zum Vorschein.
Die Enttäuschung der Kinder aber verfliegt schnell, denn auch ohne Flattertierchen ist das Tal wunderschön und dank Vorsaison herrlich leer. Kleine Holzbrücken fügen sich elegant in die dichte Vegetation ein, führen über Teiche und an Wasserfällen vorbei. Die Sonne blinzelt immer wieder durch die Bäume, im Wald sehen wir eine schneeweiße Bergziege, die mit etwas Fantasie auch ein kleines Einhorn sein könnte. Die Kids beobachten sie am Hang, und irgendwie hat das hier gerade etwas märchenhaft-kitschiges. Es bleibt nicht bei der einen tierischen Begegnung: Aus nächster Nähe beobachten wir eine (riesige!) Krabbe, in den Teichen tummeln sich Fische, Frösche und Schildkröten. Ohne es so richtig zu merken, legen die Kids knapp fünf Kilometer zurück. Und haben sich ein dickes Eis verdient.
Ausflüge mit Kindern auf Rhodos: Aktivitäten für kleine Piraten und Ritter
Wer "Rhodos mit Kindern" googelt, kommt nicht nur am Schmetterlingstal nicht vorbei – sondern muss diversen Reiseexperten zufolge auch unbedingt eine Schiffstour einplanen. Wir entscheiden uns für eine Fahrt mit dem Glasbodenboot, staunen über das natürliche XXL-Aquarium unter uns. Kinderfreundlichkeit scheint auf der ganzen Insel Grundvoraussetzung zu sein: Alle Kids dürfen das Steuer für ein paar Minuten übernehmen, sind sichtlich glücklich darüber.
Am nächsten Tag werden unsere kleinen Piraten zu großen Rittern: Eigentlich wollten wir Mamas nur mal kurz ein bisschen durch Rhodos-Stadt bummeln, um Mitbringsel zu besorgen – dann aber stolpern wir quasi (völlig ungeplant und unvorbereitet) in den Palast der Großmeister. Die Kinder kriegen den Mund kaum noch zu. Die mittelalterliche Burg entstand aus den Resten der byzantinischen Akropolis, wurde im 14. Jahrhundert als Residenz des Großmeisters des Johanniterordens errichtet, war später ein Gefängnis. Und ist optisch eine riesige Version von den Burgen, die unsere Kids aus Bilderbüchern kennen. Das Urlaubstaschengeld geht für ein Modell des Kastellos drauf.
Sonnenaufgang mit Zukunftsvision
Eigentlich steht noch so viel mehr auf unserer Liste: Wir wollten noch in Europas größten Wasserpark nach Faliraki und zum Streichelzoo "Farma of Rhodos" – aber dazu bleibt keine Zeit mehr. Denn obwohl wir seit knapp vier Jahrzehnten eher zum Team Camping- und Ferienhausurlaub zählen, haben wir uns dieses Mal (um dem üblichen Einkaufs- und Kochwahnsinn zu entgehen) ein Hotel gegönnt. Und hier sind die Kinder schwierig wegzubekommen. So verbringen wir auch etliche Stunden einfach auf der Resortanlage – bzw. in und an unserem Zimmer. Denn wir haben Riesenglück und ein Upgrade bekommen, deshalb einen Pool direkt vor unserer Terrasse.
Und selbst hier habe ich einen weiteren dieser unverhofft magischen Momente: Am vorletzten Tag werde ich noch vor 6 Uhr wach, setze mich mit einem Kaffee an den Pool, in dem sich die aufgehende Sonne spiegelt. Ich atme tief durch, spüre ein (nach stressigen Arbeitswochen längst überfälliges) Gefühl von Erholung. Und ahne, dass wir eines Tages wiederkehren werden. Mit meiner kleinen Nichte, die sich ganz sicher ganz bald auf den Weg machen wird, um ihre winzigen Füßchen in das herrlich kristallklare Wasser am Tsambíka-Beach zu tauchen.
Rhodos mit Kindern: Unser Hotel-Tipp

Das "Helea Family Beach Resort" wurde erst kürzlich komplett saniert und hat im August 2022 in luxuriös-modernem Design neu eröffnet. Viele der Zimmer (ab 300 Euro/Nacht) haben Meerblick, einige direkten Zugang zum Pool. Für Kinder gibt es jede Menge Action: Einen 700 Quadratmeter großen Wasserpark, einen Kinderclub – und für schlechtes Wetter ein hauseigenes Kino und einen Escape-Room. Im Hauptrestaurant können die Kleinen sich am Kinderbuffet bedienen, die drei À-la-carte-Restaurants bieten Kinder-Menüs.
Mehr Infos:ellaresorts.com