
Die bindungsorientierte Erziehung ist in aller Munde. Schließlich beruhen ihre Grundprinzipien auf Nähe, Wertschätzung und auf dem Eingehen auf kindliche Bedürfnisse. Das klingt liebevoll und passt in die moderne Zeit. Die meisten Eltern wollen schließlich keine autoritären Familienoberhäupter mehr sein, sondern eine enge Bindung zu ihrem Kind aufbauen.
Inhaltsverzeichnis
- Umstrittene Methode
- Einfühlsamkeit ist das Stichwort
- Diese 7 Aussagen können bindungsorientierte Eltern getrost ignorieren:
- "Dein Kind tanzt dir auf der Nase herum"
- "Du verziehst dein Kind"
- "Das Kind darf nicht so herumwüten"
- "Bestrafung ist wichtig für Kinder"
- "Das Leben ist kein Ponyhof"
- "Er schauspielert doch nur"
- "Kinder müssen lernen, alleine einzuschlafen"
- Woher stammt die bindungsorientierte Erziehung?
Umstrittene Methode
Die Methode ist jedoch vor allem bei der älteren Generation noch umstritten. Der Vorwurf lautet, dass Eltern, die auf Drohungen und Strafen verzichten, ihre Kinder zu kleinen Tyrannen verziehen, die weder Grenzen noch Regeln kennen. Diese Befürchtung beruht jedoch auf einem falschen Verständnis von bindungsorientierter Erziehung.
Laut einer Studie des Deutschen Jugendinstituts gehe es vor allem darum, zwei Fehler zu vermeiden: Eltern sollten bei der Erfüllung der kindlichen Bedürfnisse nicht sich selbst aufgeben. Und sie sollten nicht zu Helikopter-Eltern werden, die ihrem Kind keinen Raum für sich lassen. Meist reicht es schon, genau auf sein Kind zu achten, um zu merken, ob es gerade Nähe und Geborgenheit braucht oder die Welt selbstständig entdecken möchte.
Einfühlsamkeit ist das Stichwort
Bei der bindungsorientierten Erziehung reagieren die Eltern feinfühlig auf die kindlichen Bedürfnisse. Es geht dabei jedoch nicht darum, das Kind machen zu lassen, was es will – sondern vielmehr um eine klare und liebevolle Führung, die Kindern aufzeigt, welche Verhaltensweisen okay sind und welche nicht. Es geht auch nicht darum, Kindern alles zu erlauben. Wichtig ist es jedoch, die Wünsche ernst zu nehmen, ein "Nein" zu erklären und die dadurch ausgelöste Wut und Trauer zu begleiten.
Die Wissenschaft weiß inzwischen, dass eine richtig verstandene bindungsorientierte Erziehung bei Kindern zu mehr Selbstvertrauen und einem positiverem Lebensgefühl kann.
Deshalb sollten sich Eltern nicht vorschnell verunsichern lassen, wenn ihnen aus dem Umfeld Kritik an ihren Methoden entgegenweht – denn manche Vorurteile, die auf alten Glaubenssätzen zum Thema Erziehung beruhen, sind schlicht falsch.
Diese 7 Aussagen können bindungsorientierte Eltern getrost ignorieren:
"Dein Kind tanzt dir auf der Nase herum"
Wie würden wir uns dabei fühlen, wenn ständig jemand für uns entscheidet und dabei unsere Wünsche nicht beachtet? Vermutlich würden wir platzen vor Wut. Warum sollte es Kindern anders gehen? Wenn wir Kinder selbst entscheiden lassen, was sie anziehen, was sie essen, was sie spielen wollen, verziehen wir sie damit nicht zu selbstsüchtigen Menschen.
"Du verziehst dein Kind"
Trösten, helfen und umarmen bedeutet nicht, sein Kind zu verziehen. Indem wir Kindern mit Verständnis begegnen, stärken wir ihr Selbstwertgefühl, helfen ihnen, Stress abzubauen und geben ihnen die Möglichkeit, die Welt in ihrem eigenen Tempo zu entdecken.
"Das Kind darf nicht so herumwüten"
Mit "Hör auf! Sei ruhig" kommt man bei einem Wutanfall kaum weiter. Sinnvoller ist es, das Kind in seiner Wut zu beleiten und ihm seine Gefühle zu spiegeln: "Ich sehe, dass du traurig bist". Das heißt jedoch nicht, dass Eltern nicht klar "Stopp" sagen sollten, wenn es beispielsweise andere Kinder schubst oder haut.
"Bestrafung ist wichtig für Kinder"
Strafen beruhen auf Angst. Kinder, die bestraft werden, fühlen sich überfordert und alleingelassen. Das führt oft zu Wut, Frustration und Vertrauensverlust in die Eltern.
"Das Leben ist kein Ponyhof"
Viele Eltern haben Angst, dass ihre Kinder verweichlicht werden, wenn sie nicht früh lernen, dass das Leben eben nicht immer leicht ist und man nicht immer bekommt, was man sich wünscht. Deswegen werden kindliche Bedürfnisse oft mit Absicht nicht erfüllt. Doch diese Form der "Abhärtung" bringt nichts – im Gegenteil: Kinder, die lernen ihre eigenen Bedürfnisse zu erkennen und für sie einzustehen, werden zu selbstbewussten und selbstständigen Erwachsenen.
"Er schauspielert doch nur"
Kleine Kinder sind keine Schauspieler – dazu sind sie von der Gehirnreife her noch gar nicht in der Lage. Wenn sie wütend oder traurig sind, erleben sie diese Gefühle intensiv, und Eltern sollten sie deshalb auch ernst nehmen. Kinder müssen auch nicht trainiert werden, Frust auszuhalten, indem man sie weinen lässt.
"Kinder müssen lernen, alleine einzuschlafen"
Beim Thema Schlaf gilt: Alles kann, nichts muss. Viele bindungsorientierte Eltern schwören auf das Familienbett. Wenn Kinder jedoch gut im eigenen Bett schlafen, spricht rein gar nichts dagegen. Schläft das Kind allein ein? Super! Braucht es Einschlafbegleitung? Dann sollte es die bekommen. Die Bedürfnisse rund um den Schlaf gehen bei Kindern auseinander, aber es gibt kein Richtung und kein Falsch.
Woher stammt die bindungsorientierte Erziehung?
Den Begriff "Attachment Parenting" prägte der kalifornische Experte für Kindergesundheit Professor Williams Sears in den 80er-Jahren. Inspiriert habe ihn ein Volk aus Venezuela, bei dem sich Mütter und Kinder in den ersten Lebensjahren permanent körperlich nahe waren. Eltern verzichten bei dieser Methode auf Drohen und Strafen.