
Lewis hat's drauf. Auf meine Frage "Wie alt bist Du denn?" hat er gleich drei Antworten parat: "Weißt du doch? Ich bin vier. Nächstes Jahr werde ich fünf. Und mein Bruder ist eins." Im nächsten Atemzug zu mir: "Und wie alt bist du? Du bist schon alt, nä? Hundert? Mein Papa ist auch alt. Aber der ist ja bei der Feuerwehr ..." Lewis dreht sich um, hat vom Balkon aus seinen Freund entdeckt: "Mama, können wir rausgehen? Nur fünf Minuten – bitte nur fünf ... oder ganz kurz ... zehn!"
"So geht das den ganzen Tag", seufzt Mutter Ewa. Sie freut sich zwar über die Redebegeisterung ihres Sohnes, aber manchmal ist sie auch genervt. Und damit befindet sie sich in bester Gesellschaft. Denn die kleinen Wortakrobaten im Alter zwischen etwa drei und fünf Jahren können ihren Eltern ungewollt ganz schön auf den Keks gehen. Die Klagelieder im Internet sind ellenlang. Auszüge:
- "Hilfe, mein Sohn quatscht mir die Ohren ab."
- "Er steht vor der Klotür und hält Vorträge."
- "Er liebt es, beim Essen mit vollem Mund zu reden."
- "Meine Tochter hört nie zu, fällt mir auch noch pausenlos ins Wort."
- "Diese ständige Fragerei kann mich wahnsinnig machen."
Eine verzweifelte Mama gibt sogar zu: "Wenn mein Mann nach Hause kommt, sag ich nur noch zu ihm: Du bist jetzt dran!"
Mit kleinen Plappermäulern richtig umgehen
Kinder in ihrer sprachlichen Entwicklung zu fördern und sich gleichzeitig von ihrem Rede- und Fragenfluss nicht tyrannisiert zu fühlen, ist eine tägliche zehnstündige Herausforderung, während sich Außenstehende, die es nur mal für ein paar Minuten miterleben, natürlich begeistern an den oft witzigen Formulierungen oder lustigen, weil unvollständigen Satzkonstruktionen.
Für betroffene Eltern allerdings ist im Laufe eines langen Tages hin und wieder der Zeitpunkt erreicht, an dem für sie Schluss mit lustig ist, und sie sich dann irgendwie auch zu Recht fragen, ohne das Gefühl zu haben, Raben-Eltern zu sein: Warum muss unsere Tochter oder unser Sohn eigentlich ohne Punkt und Komma reden und reden?
Am weitesten verbreitet, beliebt und populär ist darauf die Antwort: Kinder wollen sich mehr Aufmerksamkeit verschaffen. Dem widerspricht Logopäde Jens-Albert Hübner: "Eher extrovertiert veranlagte Jungen und Mädchen haben in erster Linie ein sehr stark ausgeprägtes Mitteilungsbedürfnis. Und das ist gut so. Denn Kinder, die anderen etwas mit Nachdruck mitteilen wollen, lernen schneller und intensiver, die Welt zu verstehen. Würden sie in ihrem Elan abgebremst, kann es zu einem Stillstand oder sogar zu einer Verzögerung in der Sprachentwicklung kommen. Sinnvoll und wichtig sind deshalb unterstützende positive Ermunterungen."
Nervenschonende Ideen für Eltern eines Plappermauls
Zusätzlich hilfreich sind kreative Ideen, die beides können: der Sprachentwicklung nicht schaden und die Nerven der Eltern schonen. Beispiele:
- Der Kleine redet und redet wie üblich und gewöhnlich. In einer kleinen Pause ergreift ihr die Chance: "So, mein Sohn, warte mal bitte, jetzt bin ich dran." Und dann redet ihr ohne Punkt und Komma drauflos – über das Mittagessen, euer Auto, die Wäsche, das Wetter und wieder das Mittagessen. Irgendwann kommt: "Stopp, Mama!" – Sagt ihr: "Wieso? Rede ich dir zu viel?"
Idee: Es werden gemeinsam kleine Redepausen vereinbart.
- Besonders heikel sind ständige Warum-Fragen. Erfolgreich könnt ihr sein, in einem günstigen Moment selbst mal zu fragen, warum: "Warum isst du Würstchen so gern?" Und dann wartet mal gespannt ab, bis ihr eine Antwort bekommt.
Idee: Damit ist der kindliche Redefluss zumindest mal unterbrochen.
- Überraschung: Schmusen! "Komm doch mal bitte zu mir. Ich möchte dich streicheln und dir den Rücken kraulen."
Idee: Kinder genießen euer Streicheln und sind von allein ganz still!
- Pikant-brisant und bekannt: Mama telefoniert. Die Tochter stürmt ins Zimmer: "Maaamaa ..." Die Mutter unterbricht kurz ihr Gespräch: "Jetzt bitte nicht." Hinterher gibt es diese klärenden Worte.
Idee: "Wenn ich telefoniere, möchte ich nicht, dass du mit mir redest, sondern du wartest so lange ab, bis ich fertig bin. Das gilt für jetzt und immer."
- Ins Wort fallen. Immer ärgerlich. Auch wir Eltern sind nicht frei davon.
Idee: Wir sollten versuchen, unsere Kinder ausreden zu lassen und ein gutes Vorbild sein. Erlaubt ist nach einer angemessenen Zeit der Satz: "Darf ich dich mal was fragen?" Unterbrechen uns Kinder, reicht ein ruhiges, nicht genervtes: "Lass mich bitte ausreden."
- Aktives Zuhören: Wir Eltern sollten uns gezielt Zeit nehmen, auf die Erzählungen unserer Kinder intensiv einzugehen. Das heißt: Erst mal nur zuhören, dann nachfragen ("Wie meinst du das?") oder kommentieren ("Das finde ich spitze von dir!").
Idee: "Wir können nicht immer nur Zeit für dich haben. Aber einmal in der Woche haben wir eine Stunde lang nur Zeit für dich."
Das solltet ihr vermeiden, wenn euer Kind (zu) viel redet
Es gibt allerdings andere Maßnahmen, die sich mittlerweile als weniger effektiv und eher kontraproduktiv erwiesen haben:
- Das Kind vor dem Fernseher parken! Bewegte Bilder faszinieren zwar, aber das Fernsehen "redet" nicht mit Kindern.
- Ein Bilderbuch! Zwecklose Ablenkung ohne Beisein der Eltern.
- Bemerkungen wie: "Du bist ja eine gruselige Quatschtüte!", "Kannst du jetzt mal die Klappe halten?", "Verstehst du überhaupt, was du da alles quasselst?" Kinder beleidigen – ein No-Go!
Logopäde Hübner stellt klar: "Ein besonderes Lob und Anerkennung für sprachliche Leistungen motivieren Kinder im Vorschulalter, sich ständig im Sprechen zu üben. Der Spaß am Reden verbessert ihr Sprachgefühl." Hübner warnt allerdings vor einem zu großen Erfolgs- und Zeitdruck: "Es besteht dann die Gefahr, dass sich die Kleinen beim Sprechen mit ihren Wörtern verhaspeln, plötzlich verunsichert reagieren, weil sie denken, alles muss schnell gehen und fangen deshalb eventuell an zu stottern."
Davon ist Lewis meilenweit entfernt. Er fragt mich: "Weißt du was? Weißt du, welches Eis ich am liebsten mag? Das blaue oder das rote? Opa, kaufst du mir eins? Warum hast du keine Schuhe an? Ich ..."
Autor: Joko Zoellner