
Manchmal ist es nur ein abschätziger Blick, eine hochgezogene Augenbraue. Und manchmal reicht ein kleiner Satz, um Eltern so richtig auf die Palme zu bringen.
Aber warum fühlen sich Eltern überhaupt so schnell getriggert, wenn jemand ihre Erziehung kritisiert? Sobald Fremde sich einmischen, empfinden die meisten eine Mischung aus Ärger, Scham und Überrumpelung. Was erdreistet sich diese Person, meine Erziehung zu kritisieren? Habe ich vielleicht wirklich falsch gehandelt? Die Bandbreite an Fragen, die die Kritik von Außenstehenden auslöst, ist groß.
Kritik von Fremden kennen fast alle Eltern
Im tiefsten Herzen wissen wohl die meisten, dass es keine Bestätigung von Fremden braucht, um zu wissen, dass wir unsere Kinder gut erziehen. Aber an manchen Tagen ist ein kritischer Spruch eben das einzige Feedback, das wir bekommen – und da ist es doch kein Wunder, dass wir es uns zu Herzen nehmen …
"Fast alle Eltern, mit denen ich zusammengearbeitet habe, können eine Geschichte davon erzählen, wie sie in der Öffentlichkeit verbales oder nonverbales 'Feedback' zu ihrer Erziehung bekamen“, sagt Nanika Coor, Psychologin aus Brooklyn, gegenüber "Huffpost".
Doch wie reagieren wir richtig auf diese Attacken von Fremden?
"Viele Erwachsene haben das Gefühl, nicht gut genug zu sein", erklärt Elterncoach und Podcaster Chazz Lewis. Kommt dann ein unerwarteter Angriff, fällt es vielen daher schwer, souverän zu bleiben, sondern sie schalten in den "Kampf- oder Flucht-Modus".
Dies kann dazu führen, dass wir entweder den Gegenangriff starten oder völlig überfordert sind und aus der Situation fliehen.
Durchatmen und Ruhe bewahren
Der Experte empfiehlt, nicht sofort zu reagieren. "Die einzige Person, die wir kontrollieren können, sind wir selbst. Man kann nicht kontrollieren, was die andere Person sagt oder tut", sagt Lewis. "Wenn die Person, die die Kritik äußert, jemand ist, den man noch nie getroffen hat, oder wenn ihr Ton unfreundlich ist, ist es möglicherweise die angemessenste Reaktion, das Gespräch zu beenden."
Anders sieht es hingegen aus, wenn die Kritik aus dem persönlichen Umfeld kommt. "Mit Familienmitgliedern und Personen, die viel Zeit mit dem Kind verbringen, kann sich ein Gespräch durchaus lohnen. Am besten sucht man das Gespräch, wenn das Kind außer Hörweite ist", so Nanika Coor. Bei nahestehenden Menschen kann es auch sinnvoll sein, ihnen Artikel oder Podcasts zu schicken, die den eigenen Erziehungsstil untermauern.
Grundsätzlich gilt: Die meisten Menschen haben nichts Böses im Sinn. "Man sollte von den besten Absichten ausgehen", empfiehlt die Pädagogin Kristene Geering. Die meisten wollen wirklich helfen und erkennen nicht, wie übergriffig oder verletzend ihr Verhalten ist.
Kinder beobachten die Reaktion ihrer Eltern
Bei ihrer Reaktion sollten Eltern im Hinterkopf haben, wie sie auf ihre Kinder wirken kann. Deshalb ist es wichtig, keine voreiligen Zugeständnisse zu machen. "Kinder lernen sonst, dass die Meinung von Fremden das Wichtigste ist und wir Verurteilungen durch Fremde um jeden Preis vermeiden müssen", so Chazz Lewis. Aber auch aggressiv zu reagieren, wenn man kritisiert wird, gehört nicht zu den Verhaltensweisen, die wir Kindern vermitteln wollen.
Die richtige Körpersprache kann in solchen Situationen viel bewirken. Kritisieren Fremde unser Kind, sollten sich Eltern zwischen die Person und ihr Kind stellen. "Dies zeigt dem Kind, dass man zu ihm steht und anderen zugleich, dass man im 'Löwen-Mama-Modus' ist."
Es kann sich auch lohnen, ein paar Standard-Sätze in sein Repertoire aufzunehmen, mit denen man in vielen Fällen eine Diskussion im Keim ersticken kann:
- "Mein Kind verhält sich genau richtig."
- "Ich sehe das anders."
- "Sieht so aus, als hätten wir unterschiedliche Meinungen."
- "Vielen Dank für Ihr Feedback."
Die Psychologin Laura Markham ergänzt, dass auch folgender Satz wahre Wunder bewirken kann: "Das Besondere am Elternsein ist, dass jeder von uns seine eigenen Fehler machen darf."
Kindern die Situation erklären
Eltern sollten sich bewusst sein: "Die kritisierende Person wird wahrscheinlich weit weniger Einfluss auf das Kind haben als die Reaktion seiner Eltern."
Sollte das Kind durch die Bemerkung eines Fremden dennoch verunsichert worden sein, ist es sinnvoll, das Thema später noch einmal anzusprechen. "Kinder können denken, dass sie mit ihrem Verhalten dafür gesorgt haben, dass ihre Eltern 'in Schwierigkeiten geraten'", sagt Laura Markham.
Ihr zufolge kann öffentliche Kritik sogar etwas Positives haben: Schließlich üben Eltern so, ihre Emotionen zu regulieren und leben dies auch ihren Kindern vor.
Und was am Ende des Tages wirklich zählt, ist sowieso die Beziehung zum eigenen Kind. "Wenn Sie Vertrauen in die Verbindung zu Ihrem Kind haben, ist das das Wichtigste, ganz gleich, welche Meinung andere dazu haben."




