Unterwegs mit Kind

Lasst die Kinder doch im Buggy sitzen!

Viele Eltern kennen das Dilemma: Das Kind könnte längst laufen, klammert sich aber trotzdem an den geliebten Buggy. Unsere Autorin findet: Schluss mit dem Stress! Wann der richtige Zeitpunkt für das Buggy-Aus ist, ist ganz individuell.

Kind sitzt im Buggy.© iStock/miodrag ignjatovic
Viele Kinder hängen an ihrem Buggy – auch weit über den dritten Geburtstag hinaus.

"Ich habe keine Kraft mehr! Meine Beine sind ganz schwach! Ich brauche eine kleine Pause!"

Ermattet lässt sich der Dreijährige ins Gras plumpsen. Wohlgemerkt: Ich pilgere mit ihm nicht über den Jakobsweg. Wir sind lediglich auf dem Weg zum Supermarkt, von Tür zu Tür also 400 Meter. Großzügig geschätzt.

Nach der etwa achten Pause kann ich den Gedanken nicht mehr verdrängen: "Warum zum Kuckuck habe ich den Buggy nicht mitgenommen?"

Dabei ist die Frage rein rhetorisch, denn die Antwort kenne ich sehr gut. Weil wir die fixe Idee haben, den Buggy abzugewöhnen – und zwar noch bevor die Beinchen so lang sind, dass die Füße beim Schieben auf dem Boden schleifen.

Ab wann muss der Kinderwagen weg?

Um es direkt vorwegzusagen: Es gibt keine offizielle Richtlinie, ab wann Kinder nicht mehr im Kinderwagen sitzen sollten. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) rät, dass Babys und Kleinkinder nicht länger als eine Stunde am Stück beengt sitzen sollten, also zum Beispiel in einem Kinderwagen. Und dass längeres Sitzen grundsätzlich zu vermeiden sei. Bis zu welchem Alter der Abschied vom Kinderwagen jedoch über die Bühne gebracht werden sollte, das ist – wie so vieles – höchst individuell.

Gute Buggys halten in der Regel bis zu 20 kg aus, viele sogar bis zu 25 kg. Bis diese Gewichtsgrenze geknackt ist, sind Kinder oft schon 5 oder 6 Jahre alt. 

Demzufolge haben wir also noch jede Menge Zeit, bis das Gestell unter der Last zusammenbricht. Und doch wollen wir, wie wohl die meisten Eltern, die Tragfähigkeit nicht bis Ultimo ausreizen. 

Ein bisschen absurd ist es schon, dass wir uns nun stressen, den Buggy endlich loszuwerden – nachdem wir im ersten Jahr so ziemlich alle Tricks ausprobiert haben, um das Kind vom Kinderwagen zu überzeugen. Weitgehend erfolglos. Bis irgendwann nach dem ersten Geburtstag stand das teure Ding nahezu unberührt nur im Weg. Ironischerweise schloss unser Sohn den fahrbaren Untersatz desto mehr ins Herz, je besser er laufen konnte.

Entsprechend ambivalent sind meine Gefühle nun für den Buggy: Einerseits kann er doch wunderbar selbst laufen. Und andererseits ist es einfach praktisch, ihn mal fix von A nach B zu schieben ...

Der Buggy als Rückzugsort

Und ganz ehrlich: Seine Buggy-Auszeiten seien ihm gegönnt. Er ist sein Safe Space nach einem anstrengenden Kita-Tag. Er macht es sich darin gemütlich, nachdem er den ganzen Nachmittag auf dem Spielplatz in Aktion war. Er ruht sich darin aus, wenn wir im Urlaub längere Touren machen. Wenn es regnet oder stürmt, zieht er das Dach runter. Er ist darin – anders als damals im Sportaufsatz beim Kinderwagen – nicht angeschnallt, kann darin rumrutschen und nach Belieben selbstständig ein- und wieder aussteigen, wenn es irgendwo etwas Spannendes zu erkunden gibt. Und im Zweifelsfall habe ich lieber den Buggy dabei, als dass es x Kilometer von zu Hause entfernt heißt: "Mama, ich will auf den Arm!"

Kinder lieben Bewegung

Kleine Kinder sind von Natur aus keine Bewegungsmuffel. Während ich vormittags am Schreibtisch saß, hat mein Sohn seine 10.000 Schritte schon im Kita-Garten abgerissen. Und während er am Nachmittag mit dem Roller mit Affenzahn hundert Mal im Kreis gefahren und den Hügel hoch- und runtergedonnert ist, bin ich langsam hintendreingeschlurft. Und da will ich es ihm verdenken, dass er sich im Buggy ausruhen möchte, wenn ich dann mal dran bin, was für meine tägliche Schrittzahl zu tun? 

Die Frage, ob ein Kind später mal aktiv und dynamisch durchs Leben geht, ist sicherlich komplexer als dass man sie anhand des Zeitpunkts beantworten könnte, wann denn die Eltern den Buggy abgeschafft haben. 

Schließlich weiß ich doch: Irgendwann – in nicht allzu ferner Zukunft – werden wir den Buggy einmotten. Und wie heißt es so schön: Das Gras wächst nicht schneller, wenn man dran zieht.

Als wir es dann doch noch irgendwann vor Ladenschluss in den Supermarkt geschafft haben, ist die Müdigkeit schlagartig verflogen. Mit dem Kinder-Einkaufswagen saust er wie ein geölter Blitz durch die Gänge. Das beweist doch mal wieder: Kinder handeln nach dem Lustprinzip. Und auf einen öden Spaziergang von A nach B, darauf hatte er eben keine Lust.