
Gefühlt aus dem Nichts taucht ein Gefühlsausbruch für uns Eltern auf und durchkreuzt unsere Tagesplanung. Dabei muss es doch schnell gehen, denn gleich steht der nächste Termin an, wie das Kinderturnen oder der Spieltreff mit anderen Kindern.
Natürliches Autonomiebedürfnis
Früher sagte man, Kinder "trotzen", doch mittlerweile wissen wir mehr. Wir wissen, dass Kinder oft im Laufe des ersten Lebensjahres ein Bedürfnis nach Autonomie haben. Sie möchten mehr selbstständig machen und brauchen dabei trotzdem noch sehr viel unsere Unterstützung. Das führt oft zu Frust, der dann für uns sichtbar in einem Wutanfall endet. In dieser Autonomiephase wird es schwer sein, solche starken Emotionen zu vermeiden. Vielmehr sollten wir Eltern uns auf diese vorbereiten, die dahinterliegenden Bedürfnisse verstehen und ins Miteinander kommen.
Wut steht oft für ein Gefühl der Hilflosigkeit
Der wohl wichtigste Punkt für Eltern könnte sein zu realisieren, dass Kinder nicht morgens aufstehen und Lust haben, uns zu ärgern. Sie versuchen, die Welt zu begreifen und sich selbst kennenzulernen. Dabei sind Übergänge von einer Situation in die nächste besonders herausfordernd. Zum Beispiel kann das der morgendliche Aufbruch in die Kita sein, das Verlassen des Spielplatzes oder das abendliche Zähneputzen. Ein Übergang kann auch durch einen Personenwechsel stattfinden, wenn zum Beispiel die Oma oder der Opa auf das Kind aufpasst. Dies sind beispielhafte Situationen, in denen das Kind oft "NEIN!" sagt. Dabei kann das "Nein" ein "Ich brauche Hilfe" bedeuten.
Timer können unterstützen
Besonders für Übergänge können Planer, Wecker und auch Sanduhren helfen, denn ein fester Rahmen, der vorab angekündigt und vereinbart wird, gibt dem Kind Sicherheit und uns Klarheit. Ob Kinder das brauchen? Wir alle benötigen Sicherheit und Klarheit, daher stehen in unseren Kalendern auf den Handys zum Beispiel wichtige Termine oder der nächste Urlaub. Kinder haben in frühen Jahren keinen Kalender und kein Handy. Daher braucht es kindgerechte Alternativen. So könnt ihr zudem die Autonomieentwicklung und die Kooperationsbereitschaft eurer Kinder fördern.
Klare Absprachen im Voraus treffen
Auf dem Spielplatz könnt ihr zum Beispiel vereinbaren, dass euer Kind noch so lange schaukeln darf, bis die Sanduhr durchgelaufen ist. Dies wird bestenfalls vorher vereinbart und angekündigt. Den Fakt, DASS der Spielplatz verlassen wird, entscheiden und begründen wir Eltern. Dabei kann das Kind mitentscheiden, wie lange es noch zu Ende spielen möchte oder wie oft noch geschaukelt wird.
Im Laufe des zweiten Lebensjahres entwickeln Kinder ihr "Ich-Bewusstsein" und bemerken, dass sie eine eigenständige Person sind und ihre Bedürfnisse erfüllen möchten.
Mögliche Bedürfnisse von Kindern
Kinder können je nach Situation zum Beispiel die folgenden Bedürfnisse haben:
- Bedürfnis nach Nähe
- Bedürfnis nach Bindung
- Bedürfnis nach Ruhe
- Bedürfnis nach Sicherheit
- Bedürfnis nach Nahrung
- Bedürfnis, sich zu spüren
- Bedürfnis nach Selbstbestimmung
- Bedürfnis nach Kreativität
Eigene Bedürfnisse und die des Kindes kennen
Bedürfnisse sind existenziell und treiben uns an. So ist es wichtig, unsere eigenen Bedürfnisse zu kennen und die unserer Kinder. Früher und auch heute noch wurden dabei oft Sätze wie "Jetzt stell dich nicht so an" oder "Wenn du jetzt nicht kommst, dann …!" verwendet, die die Eltern-Kind-Beziehung nicht gerade unterstützen und eher das Erwachsenen-Bedürfnis durchsetzen. Dass viele Situationen unter Zeitdruck stressig sind, ist klar, doch wie können wir Kindern dann bei den Übergängen gut helfen?
Bei starken Emotionen Unterstützung anbieten
Starke Emotionen sind ganz normal und gehören zum Menschsein dazu. Es ist wichtig, diese auch zu spüren und zu lernen, sie auszuhalten. Damit ist nicht gemeint, Kinder allein zu lassen oder weinen zu lassen, sondern ihnen Hilfe anzubieten: "Brauchst du Unterstützung" und "Ich bin für dich da" sind dabei Beispielsätze, die den anderen emotional begleiten, Aufmerksamkeit und Empathie signalisieren. Auch hier ist es wichtig, dass wir selbst wissen und lernen, Gefühle zu akzeptieren. Denn sie gehören zu uns dazu und helfen uns, uns gegenseitig besser zu verstehen.
Routinen absprechen
Wie oben schon erwähnt, sind im Familienalltag Übersichten wichtig. Helfen können dabei Tagesplaner auch für die Morgen- oder Abendroutine, die zusammen mit den Kindern besprochen werden kann. Dabei könnt ihr gut und einfach dafür sorgen, das Bedürfnis eures Kindes nach Spiel und Spaß und vor allem das Bedürfnis nach Autonomie zu erfüllen. Der Zeitpunkt, wann zum Beispiel Zähne geputzt wird, muss nicht immer direkt nach dem Essen sein, sondern kann auch nach dem rituellen Buchvorlesen oder Baden passieren. Das Zähneputzen muss auch nicht unbedingt im Stehen im Bad erledigt werden, sondern vielleicht im Liegen auf einer Decke oder im Sitzen auf dem Klo?
Routinen im Alltag sind dabei manchen Kindern wichtiger als anderen und verlangen bei manchen Kindern nach mehr Begleitung als bei anderen. Allen gemeinsam haben sie jedoch: Sie geben uns Orientierung und Struktur.
Autorin: Catja Eikelberg. Sie ist Logopädin, Kognitionswissenschaftlerin und Gründerin von "InnerMe", einem "Online Concept Store" für Eltern, in dem sie in Zusammenarbeit mit weiteren Therapeut:innen, Ärzt:innen und anderen Experten wertvolle Tipps für Eltern liefert.