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Schon beim Betreten des Krippenraumes kann ich es im Gesicht der Erzieherin lesen: Es gab mal wieder einen "Vorfall". Beim anschließenden Gespräch erfahre ich, dass mein Sohn ein anderes Kind gebissen hat. Ihm wurde das Spielzeug weggenommen – dafür gab es einen ordentlichen Biss-Abdruck auf dem Arm des Diebes.
Im Moment vergeht kaum ein Tag, an dem in der Kita-Gruppe meines Sohnes nicht gebissen wird. Mal ist er Täter, mal Opfer! Das geht seit Wochen so. Dementsprechend habe ich mich an Infos dieser Art mittlerweile gewöhnt. Beim ersten Mal war ich jedoch schockiert: Mein süßer Schatz, der am liebsten mit seinen zwei Plüschhunden kuschelt, soll ein fieser Tyrann sein? Unmöglich!
Tatsächlich fällt mein Sohn mit seinen knapp 2,5 Jahren genau in die Altersgruppe, die am häufigsten zubeißt. Kinder zwischen zwölf Monaten und drei Jahren können ihren Standpunkt und ihre Gefühle häufig noch nicht mit Worten deutlich machen. Wenn ein Kind dann mal wieder nicht mitspielen darf, ihm etwas weggenommen wird oder es müde ist und von seinen Spielkameraden aber nicht in Ruhe gelassen wird, kochen Emotionen schnell mal hoch. "Da es nicht weiß, wie es seine Hilflosigkeit, Wut oder Frustration ausdrücken soll, bleibt als letzter Ausweg nur das Beißen. Und diese Form der Kommunikation schmerzt so sehr, dass das erwünschte 'Stopp' auf jeden Fall erreicht wird", erklärt Diplom-Pädagogin Stefanie Wenzlick.
Ein Kind, das beißt, ist nicht böse
Im Kindergarten werden die Namen beißender Kinder für gewöhnlich nicht mitgeteilt, um sie zu schützen. Denn nicht selten werden sie dann in eine Schublade gesteckt oder der Konflikt überträgt sich auf die Eltern, die das Problem unter sich lösen wollen. Der Schock ist oft groß, wenn Mama und Papa das erste Mal sehen, wie ihr Kind auf ein anderes losgeht oder diese Info von der Kita bekommen. Und häufig fragen sie sich, ob sie in der Erziehung etwas falsch gemacht haben. "Gerade in diesem Altersbereich ist diese Sorge absolut unbegründet", so die Pädagogin. "Eltern dürfen sich nicht die Schuld geben, sondern müssen verstehen, dass ihr Kind etwas mitteilen möchte, was es aber noch nicht kann. Dann hat man gleich eine ganz andere Ebene und nimmt das Verhalten nicht mehr persönlich."
Sie rät Eltern und Erziehern, sich die jeweilige Situation genau anzuschauen, um die Intention des Kindes zu hinterfragen. "Nur das Beißen zu verbieten, wird langfristig nichts ändern", so die Erziehungswissenschaftlerin. "Ziel muss es sein, die Bedürfnisse des Kindes zu verstehen und ihm zu helfen, seine Gefühle zu benennen oder sich anders auszudrücken."
Also nur reden, nicht schimpfen?
"Das Kind braucht klare Aussagen. Dazu muss ich aber nicht meine Stimme erheben. Man kann einmal deutlich sagen 'Ich will nicht, dass du beißt. Das tut weh.' Diese Botschaft kommt beim Kind an und reicht völlig aus. Dann kann man über die jeweilige Situation reden." Negative Emotionen sollten dabei jedoch nicht verurteilt werden. "Häufig heißt es ja 'du darfst nicht sauer sein' oder 'du sollst nicht schreien.' Zielführender ist es, dem Kind beizubringen mit Gefühlen umzugehen, nicht sie zu unterdrücken", so Stefanie Wenzlick. Sprich: Für das Kind muss klar sein, dass es völlig okay ist wütend zu sein, andere deshalb zu beißen aber nicht!
Zurückbeißen bringt nichts!
Beißen ist für gewöhnlich kein Verhalten, was von heute auf morgen verschwindet. Nicht verwunderlich also, dass das Thema in Internetforen rege diskutiert wird. Unter anderem kommt immer wieder die Frage auf, ob Zurückbeißen helfen könne. Quasi um den Kind zu verdeutlichen, wie weh so ein Biss tut. "Kinder lernen mehr durch Nachahmen als durch Worte", erklärt die Expertin. "Was für ein Vorbild bin ich, wenn ich meinem Kind etwas zeige, das ich nicht von ihm möchte? Diese Eltern sind wahrscheinlich sehr hilflos und wissen keinen anderen Weg. Sie müssen ihrem Kind aber beibringen, wie eine Situation anders gelöst werden kann." Auch die Idee, bestimmten Orten oder Spielkameraden erst einmal aus dem Weg zu gehen, wird auf Dauer keine Besserung bringen. "Das ist ein Vermeidungsverhalten, welches aber nicht das Bedürfnis des Kindes ändert. Kommt eine Situation wieder auf, in der das Kind nicht weiter weiß, wird es wieder beißen. Es hat ja keine Alternative gelernt."
Bei meinem Sohn hat übrigens ein Urlaub geholfen – nach zwei Wochen Auszeit ist er "beißfrei" in die Kita zurückgekehrt. In dieser Zeit haben wir ihm immer wieder konsequent gesagt, dass Mama und Papa nicht gebissen werden möchten. Und haben ihn dann ignoriert, wenn er stolz verkündet hat: "Ich habe Mama gerade gebeißt." Und siehe da: Irgendwann hörte das Beißen tatsächlich auf – auch wenn wir zwischenzeitlich ganz schön genervt davon waren. Beißen ist eben ein Lernprozess: Für das Kind, aber auch für die Eltern, die ihrem Nachwuchs zeigen müssen, wie man es besser macht.
Die häufigsten Gründe, warum kleine Kinder beißen
- Bedürfnis nach Aufmerksamkeit: Wenn Kinder sich Zuwendung wünschen oder das Gefühl haben, dass ihre Bedürfnisse nicht ernst genommen werden, kann es vorkommen, dass sie zubeißen. Sie wollen damit auf sich und ihre Lage aufmerksam machen.
Das hilft: Bewusste Zuwendung während des gesamten Tages, aber nicht direkt nach dem das Kind ein anderes Kind gebissen hat. - Unfähigkeit Gefühle auszudrücken: Ob traurig, wütend, oder frustriert – bei Kindern in diesem Alter kochen die Gefühle schnell mal hoch. Da sie mit Worten noch nicht ausdrücken können, was sie brauchen, wird in der Not auch mal zugebissen.
Das hilft: Das Kind muss lernen, wie es sich mit Worten oder Gesten verständlich machen kann. Einfache Sätze wie oder Wörter wie "Nein" oder "Meins" können ebenso Abhilfe schaffen wie die Stopp-Geste mit den Händen. - Nachahmung: Kinder imitieren, was sie sehen. Wenn sie im Kindergarten beobachten, dass ein beißendes Kind Aufmerksamkeit bekommt, probieren sie es ebenfalls aus.
Das hilft: Eltern und Erzieher sollten immer mit gutem Beispiel vorangehen und einem beißenden Kind nicht zu viel Aufmerksamkeit schenken. Eine kurze, klare Ansage reicht aus. Anschließend sollten die Gründe hinterfragt werden. Zudem muss dem Kind vermittelt werden, dass das Verhalten und das Nachahmen nicht erwünscht ist. - Reizüberflutung: Manchmal wird es kleinen Kindern einfach zu viel. Wenn sie sich nicht zurückziehen können, wissen sie manchmal keinen anderen Ausweg als zu beißen.
Das hilft: Auszeiten schaffen – am besten an der frischen Luft, zu viel Trubel und Lärm meiden, Aktivitäten zum Spannungsabbau anbieten.
Umgang mit Bisswunden
Kinder haben eine unheimliche Kraft im Kiefer. Daher kommt es leider nicht selten vor, dass beim Beißen ernsthafte Verletzungen entstehen. Wenn die Haut des gebissenen Kindes nicht offen ist, reicht es aus, die Stelle mit Wasser und Seife zu reinigen und eventuell zu kühlen. Ist die Stelle offen, die Haut also verletzt, sollte die Wunde mit Wasser gereinigt und ein Desinfektionsspray aufgetragen werden. Ansonsten kann sich die Stelle entzünden. Blutet die Wunde, sollte ein Arzt aufgesucht werden. Gerade bei offenen Bisswunden im Gesicht, sollte das Kind ärztlich versorgt werden, um eine Narbenbildung zu verhindern.