Was eine Expertin rät ...

Diese Tipps helfen, wenn euer Kind andere haut!

Warum kommt es in einem Konflikt zwischen Kindern immer mal wieder zu Handgreiflichkeiten? Wie sollten Eltern bei aggressivem Verhalten reagieren? Wir haben bei einer Familienberaterin nachgefragt. 

Mein Kind haut andere.© iStock/romrodinka
Besonders bei Kita-Kindern kommt es häufiger mal zu unkontrollierten Wutausbrüchen – auch ihren Freunden gegenüber.

Was mache ich, wenn mein Kind andere Kinder haut? Oder wenn mein Kind von einem anderen geschlagen wird. Diese Frage bekommt Familienberaterin Hilke Tiedt sehr häufig von Eltern mit Kita-Kindern gestellt. Im folgenden Text wird sie uns eingehend erläutern, wie Mütter und Väter mit solchen Situationen umgehen können. Dafür müssen wir aber erstmal verstehen, wie es zu solchen Ausbrüchen überhaupt kommt. Und das ist dann auch gleich Teil der Lösung:

Die eine Antwort auf diese Frage und die eine Lösung, gibt es nicht – den einen Grundgedanken und die daraus mögliche Herleitung einer Erkenntnis gibt es zum Glück aber schon! Und mit der Erkenntnis finden wir die Ursache (den Grund) und im Anschluss machen wir uns Gedanken über die individuelle Lösung für unser Kind.

Dieser eine Grundgedanke lautet:

Welche emotionalen Grundbedürfnisse kann mein Kind sich gerade nicht selbst erfüllen und gerät daher in Überforderung?

Wir dürfen also lernen, dass das, was wir Erwachsene im Außen sehen, (Ein Kind schlägt ein anderes Kind.) stets eine Ursache auf emotionaler Grundbedürfnisebene im Inneren unseres Kindes hat.

Die Lösung lautet:

Stille die emotionalen Grundbedürfnisse deines Kindes und es wird den Herausforderungen des Alltags zukünftig unaufgeregter begegnen können.

Zur Verdeutlichung mag ich euch gern ein von mir entwickeltes Bild dazu geben:

Die Grundbedürfnisse von Kindern© Hilke Tiedt

Der Baum der Bedürfnisse

Im oberen Teil des Baumes findet ihr all die Handlungsweisen, mit denen unsere Kinder ihren Emotionen Ausdruck verleihen. Die Vielfältigkeit der Ausdrucksformen mit denen sie uns ihre Gefühle spiegeln, kommen den Verästelungen und dem Blattwerk eines Baumes gleich.

Im mittleren Teil, dem Stamm, können wir die sich hinter den Ausdrucksformen verborgenen Gefühle wiederfinden: Was bringt mein Kind mit seiner Handlung gerade zum Ausdruck?

Im unteren Teil, dem Wurzelwerk, habe ich die elementaren emotionalen Grundbedürfnisse von Kindern aufgezählt. Für die Erfüllung dieser sind wir Erwachsene verantwortlich. Wir sind die, die unseren Kindern Halt und Erdung geben.

Wann immer unser Kind also bestimmte Handlungsweisen zeigt, mit denen es zum Ausdruck bringt, dass es gerade überfordert ist, dürfen wir Eltern auf Forschungsreise gehen, um die mögliche(n) Ursache(n) für das überreizte Nervensystem unseres Kindes zu finden.

Schlagen, beißen oder kratzen sind also schlicht Zeichen, die wir Eltern wahrnehmen dürfen. Wir dürfen uns aufgefordert fühlen, diesen Zeichen liebevoll nachzugehen.

Kinder sind erst ab etwa dem achten bis neunten Lebensjahr in der Lage, vielfältig kognitiv auf Reize von außen zu reagieren. Davor können sie "nur" emotional reagieren. Auch diese Erkenntnis darf uns dabei helfen, achtsam mit unseren Kindern zu sein und unsere Wahrnehmung ihnen gegenüber entsprechend anzupassen.

Wie verhalten wir uns nach einer aggressiven Situation?

Wie können wir nun aber mit dem Umstand umgehen, wenn zum Beispiel andere Eltern auf uns zukommen und ihrer Sorge (oder Wut) auf das unerwünschte Verhalten unseres Kindes ihrem Kind gegenüber, Ausdruck verleihen und uns dazu auffordern, unser Kind zu maßregeln oder eben einfach dafür zu sorgen, dass es das zukünftig unterlässt?

Zeigt Verständnis für diese Eltern! Denn sie reagieren hauptsächlich emotional. Sie möchten ihr Kind beschützen und geben die Verantwortung dafür an dich als Elternteil ab – verständlich. Nun darfst Du entscheiden, wie Du eloquent und bewusst – und nicht emotional – darauf eingehst: Indem du die Verantwortung rational dafür übernimmst und den Eltern Verständnis für ihre Sorge entgegenbringst – und indem du deinem Kind die emotionale Hilfe gibst, die es gerade braucht.

Muss es eine (erzwungene) Entschuldigung sein?

Dieser Support liegt weniger darin, dein Kind dazu aufzufordern, sich beim anderen Kind zu entschuldigen, sondern vielmehr darin, innezuhalten, auf Ursachenforschung zu gehen und die letzten Tage und Wochen zu reflektieren:

  • Was hat sich möglicherweise in Eurem Alltag verändert?
  • Welche Entwicklungsphase macht Dein Kind gerade durch?
  • Gab es vermehrt Spannungen im Umfeld des Kindes?

Du wirst all die "guten" Gründe für das Verhalten deines Kindes finden und du wirst im Anschluss in der Lage sein, die Ursachen zu verändern und dein Kind emotional wieder aufzuladen.

Eine kleine Beispielgeschichte ...

Ihr plant in den Urlaub zu fahren und packt Koffer und Taschen. Es gibt viel zu bedenken und ihr seid ein wenig gereizt ob der Fülle der anliegenden Aufgaben – zusätzlich zum normalen Alltag. Euer Kind ist enorm aufgeregt und stellt viele Fragen, möchte am liebsten das ganze Spielzimmer mitnehmen. Es darf verständlicherweise nur einige wenige Lieblingsdinge einpacken und muss viele Entscheidungen treffen. Puh, das ist herausfordernd und anstrengend für euer Kind, vor allem emotional. Dann kommt es am nächsten Tag in die Kita, mit überreiztem Nervensystem, aufgeregt und zappelig. Nun fordern die Erwachsenen es auf, beim Frühstück ruhiger zu sitzen. Das Kind gibt sich Mühe, der Aufforderung nachzukommen. Auch das kostet Konzentration und Willenskraft. Davon hat es gerade nicht mehr viel übrig. Danach spielt es mit anderen Kindern und es kommt zum Streit um ein Spielzeug – und genau jetzt zu einer Art "Kollaps" im Nervensystem: Das Kind kann nicht mehr kooperieren und sich friedlich einigen. Es hat keine Willenskraft mehr übrig, sich "regelkonform" zu verhalten und reagiert rein emotional: Es reißt dem anderen Kind das Spielzeug aus der Hand oder boxt es.

Übersetzt heißt das:

Das kleine Nervensystem agiert im "Überlebensmodus" (die Amygdala ist aktiviert) und sorgt mit einfachsten Mitteln (Hauen, Kneifen ...) für das Erreichen des aktuellen Ziels.

Nun versteht Ihr sicher, warum Kinder hin und wieder (und öfter, wenn Ursachen nicht behoben werden) körperlich auf eine Auseinandersetzung reagieren: Weil sie es geistig und emotional in dem Moment schlicht nicht anders können.

Nehmt bitte ein bisschen die Schwere aus diesem Thema heraus!

Kinder lachen, weinen, toben, sind ausgelassen und erregt ... und das den ganzen Tag abwechselnd hintereinander. Wir Erwachsenen könnten diese emotionale Achterbahnfahrt nicht ertragen – für Kinder ist es Alltag. Sie lernen ihre Gefühle mit jedem Tag besser kennen, lernen sich selbst jeden Tag ein bisschen näher kennen, kooperieren mit uns Erwachsenen so gut es geht ... und hin und wieder ist ihre Grenze der Kooperationsfähigkeit erreicht und sie "schlagen um sich". Das ist dann wie ein kleiner Burnout. Dann bedürfen unsere Kinder unserer Hilfe und nicht einer Strafe.

Fazit:

Wenn Ihr den einen oben erwähnten Grundgedanken und die Herangehensweise um zur Lösung zu kommen, beherzigt, dürft ihr davon ausgehen, dass sich Eure Kinder emotional gut genährt entwickeln. Und Ihr seid Euch darüber klar geworden, dass es absolut normal ist, dass Kinder in Konfliktsituationen immer wieder mit Überforderung reagieren werden.Tröstet dann stets beide Kinder – das Kind, das gehauen wurde UND das, welches gehauen hat – denn beide Kinder befinden sich gerade in "Not".

Habt ihr auch solche Erfahrungen auch schon mit eurem Kind gesammelt?

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Unsere Expertin:

Hilke Tiedt© Hilke Tiedt

Hilke Tiedt hat eine eigene Praxis für Coaching und Beratung in Seevetal: "In meine Praxis im Hamburger Süden kommen Erwachsen und Kinder/Jugendliche, Familien- und Paare, die erkannt haben, dass sich ihr Leben nicht mehr echt anfühlt und die bereit sind, Schritte hin zu sich selbst gehen zu wollen." 

Mehr Infos auf ihrer Website: Coaching-Beratung-Hamburg.de

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