"Alles ist besser, als nichts zu tun!"

Notärztin erklärt die wichtigsten Schritte bei Wiederbelebung von Kindern

Keiner möchte jemals in die Situation geraten, eine Wiederbelebung durchführen zu müssen. Aber wir sollten uns immer daran erinnern: Sie kann Leben retten! Die Notärztin Dr. Julia Rehme-Röhrl erklärt, wie eine Reanimation bei Kindern abläuft und auf was wir achten sollten.

Reanimation bei einer Puppe© iStock/microgen
Eine Reanimation kann einem Kind das Leben retten. 

Dr. Julia Rehme-Röhrl arbeitet als Unfallchirurgin an einer Unfallklinik in Süddeutschland und ist seit zehn Jahren als Notärztin im Einsatz. Seit sie Mutter ist, betrachtet sie das Thema Sicherheit und Gesundheit von Babys und Kindern aus einem anderen Blickwinkel. Sie hat begonnen, als Notarztmami auf Instagram und auf ihrer Webseite medizinische Infos zu Notfallmedizin und erster Hilfe für Babys und Kinder zu posten. Außerdem hat sie nun ihr erstes eigenes Buch geschrieben: "Die Notarztmami", illustriert von Sabine Hanel, 2024 im Verlag Herder GmbH, Freiburg im Breisgau erschienen. In diesem Elternratgeber liegt der Fokus auf Unfallvorbeugung und Erste Hilfe bei Kindern. Wir dürfen exklusiv ein Kapitel aus diesem Buch teilen. Es geht um das wahnsinnig wichtige Thema: Wiederbelebung (Reanimation) bei Kindern.

Wiederbelebung (Reanimation) bei Kindern

Die Reanimation oder Wiederbelebung ist eine lebensrettende Maßnahme, die angewendet wird, um die Herz-Kreislauf-Funktionen aufrechtzuerhalten.Du kannst dein Kind am besten retten, wenn du möglichst ruhig bleibst. Überprüfe zunächst das Bewusstsein des Kindes: Versuche es anzusprechen und ganz sanft am Oberkörper zu rütteln, um festzustellen, ob es reagiert. Überprüfe, ob das Kind normal atmet, indem du dein Ohr über Mund und Nase des Kindes hältst und nach Atemgeräuschen und Atembewegungen suchst. Sehen, Fühlen, Hören gilt hier als Leitsatz.

Merke: Es ist nicht empfehlenswert, bei deinem Kind Schmerzreize zu setzen. Auch solltest du nicht zu viel Zeit auf den Check verschwenden. Wenn ein Kind oder ein Erwachsener nicht atmet und bewusstlos ist, leg sofort mit den Reanimationsmaßnahmen los!

Notfall Wiederbelebung – Schritt-für-Schritt-Anleitung zur Reanimation bei Kindern:

  • Rufe den Rettungsdienst oder fordere eine Person in der Nähe konkret dazu auf, dir zu helfen und den Notruf 112 zu tätigen. Denk daran, dass du in der Aufregung vielleicht alles andere vergisst. Deshalb empfehle ich immer, als Erstes dafür zu sorgen, dass der Rettungsdienst gerufen wird!
  • Sollte dein Kind das Bewusstsein verloren haben, weil es in eine Gefahrenzone mit beispielsweise Feuer, Wasser oder Strom geraten ist, solltest du natürlich als Erstes dein Kind aus dieser Zone herausholen. Beachte immer auch den Eigenschutz!
  • Lege das Kind auf den Rücken, idealerweise auf eine feste Unterlage oder harten Boden (eine Matratze würde bei den folgenden Schritten zu sehr federn).
  • Besonderheit: Bei Kindern sind zum Einstieg fünf Beatmungen sinnvoll. Das liegt daran, dass bei Kindern oft eine behinderte Atmung Ursache für die Bewusstlosigkeit ist.
  • Starte dann die Herzdruckmassage: Platziere dazu deine Handballen mittig auf dem Brustbein des Kindes, zwischen den Brustwarzen. Drücke das Brustbein etwa vier bis fünf Zentimeter bzw. ein Drittel des Brustkorbes nach unten und lasse zwischen den Kompressionen vollständig nach. Führe die Kompressionen mit einer Frequenz von etwa 100 bis 120 pro Minute durch.
  • Beginne mit der Beatmung: Nach 30 Herzdruckmassagen öffne vorsichtig den Mund des Kindes, halte seine Nase zu und lege deinen Mund auf seinen. Puste nun zwei kräftige Atemstöße hinein. Beobachte dabei, ob sich der Brustkorb des Kindes hebt und Luft hineingelangt ist. Jeder Atemstoß sollte etwa eine Se- kunde dauern.
  • Fahre mit Herzdruckmassage und Beatmung im Wechsel fort im Verhältnis 30 : 2, bis Hilfe eintrifft oder das Kind wieder zu atmen beginnt. Wenn mehr als ein Helfer da ist, wird für Neugeborene und Kleinkinder sogar das Schema 15 Kompressionen zu zwei Beatmungen empfohlen. Dies ist aufgrund der höheren Atemfrequenz bei Kindern sinnvoll, lässt sich aber nur mit zwei Personen gut machen, da man sich dann abwechseln kann und nicht zu viel Zeit vergeht, bis wieder gedrückt wird. Sogenannte "no-flow-time" sollte so kurz wie möglich gehalten werden.

Expertentipp:

Diese gängigen Lieder helfen dir, bei der Herzdruckmassage den richtigen Rhythmus zu finden: "Staying alive", "Dancing Queen", "Atemlos" und auch das Lied von "Biene Maja"!

So drücken wir bei der Wiederbelebung bei Babys und bei Kindern: 

Wiederbelebung bei Kindern© Illustration: Sabine Hanel in "Die Notarztmami"

Merke: Alles ist besser, als nichts zu tun! Wenn du die fünf anfänglichen Beatmungen vergisst oder dir das Verhältnis 15 : 2 nicht merken kannst, ist es egal, Hauptsache, du fängst an! Entscheidend ist, dass du weißt, dass sich Herzdruckmassage und Beatmung abwechseln sollen. Zur Not merke dir nur 30 : 2, das gilt nämlich auch für Erwachsene.

Mein Fall:

Schon mehrmals kam ich als Notärztin zu einem Notfall, bei dem bereits die Einsatzmeldung lautete: "Die Person ist bewusstlos und es besteht bedarf für eine Wiederbelebung." Als ich dann am Ort ankam, standen die angehörigen, Kollegen oder Freunde aus Angst, etwas falsch zu machen, jedoch nur daneben und waren völlig aufgelöst. Das ist natürlich verständlich. Aber so verstreichen kostbare Minuten! Das Drücken und Beatmen ist die entscheidende Erste-Hilfe-Maßnahme, um die Blutzirkulation und die Sauerstoffversorgung insbesondere des Gehirns und lebenswichtiger Organe zu gewährleisten. Du kannst dabei keinen Schaden anrichten, sondern nur helfen. Scham oder Scheu ist fehl am Platz. Trau dich!

Ursachen für einen Herz-Kreislauf-Stillstand

Bei Kindern sind die häufigsten Ursachen für einen Herz-Kreislauf-Stillstand Unfälle mit Atemwegsverlegung, Ertrinken, Ersticken, Strangulation oder plötzlicher Kindstod (SIDS). Aber auch ein allergischer Schock, Blutvergiftung oder eine Verbrennung können den Kreislauf so schwer beeinträchtigen, dass es zu einem Stillstand kommt.

Wie bereits oben erwähnt, gibt es bei Kindern einige Besonderheiten, weshalb das empfohlene Schema der Kompressionen und Beatmung anders ist. Kinder haben kleinere Körper und empfindlichere Strukturen als Erwachsene. Bei der Herzdruckmassage sollte daher weniger Druck ausgeübt werden, um Verletzungen zu vermeiden. Bei Neugeborenen und Säuglingen drückt man nicht mit der ganzen Hand, sondern nur mit zwei Fingern in die Mitte des Brustkorbes. Die Tiefe der Kompressionen sollte etwa ein Drittel bis die Hälfte der Brusttiefe des Kindes entsprechen. Der Standard von zehn Zentimetern, der bei Erwachsenen gilt, wäre beim Kind nicht passend. Das empfohlene Verhältnis bei Herzdruckmassage und Beatmung von 15 : 2 oder aber auch die fünf anfänglichen Beatmungen, die empfohlen werden, hängen damit zusammen, dass ein Herz-Kreislauf-Stillstand bei Kindern oft durch einen Sauerstoffmangel entsteht, wohingegen bei Erwachsenen häufiger ein Herzstillstand die Ursache ist. Deshalb fällt die Gewichtung bei Erwachsenen zugunsten der Kompression und bei Kindern zugunsten der Beatmung aus.

Die Reanimation eines Kindes kann emotional sehr belastend sein, sowohl für Ersthelfer als auch für Eltern oder Betreuer. Es ist wichtig, dass alle Beteiligten nach so einem Ereignis Unterstützung erhalten, sich der psychischen Belastungen bewusst sind und gegebenenfalls hinterher professionelle Hilfe erhalten. Trotzdem gilt vor allem: Erste Hilfe rettet Leben. Hab keine Scheu, hilf, so gut du kannst, und rufe, drücke und puste!