Alternativmedizin

Reflexintegration – was das ist und was sie bringt

Frühkindliche Reflexe sollten Kinder in einem bestimmten Alter ablegen, damit sie sich gesund entwickeln. Doch nicht immer klappt das von allein. Hier setzt die Reflexintegration an.

Frau behandelt kleinen Jungen.© iStock/Miljan Živković
Die Reflexintegration kann helfen, wenn bestimmte Reflexe die Entwicklung blockieren. 

Frühkindliche Reflexe (auch Urreflexe genannt) sind wichtig für eine gesunde Entwicklung. Genauso wichtig ist es aber, dass diese Reflexe zu einem bestimmten Zeitpunkt abgelegt bzw. integriert werden, also nicht mehr aktiv sind. Überentwickelte, aber auch unterentwickelte Reflexe können zu Blockaden körperlicher und emotionaler Art führen. 

Hanna Bauer ist Mentaltrainerin, Neuro-Coachin und Speakerin. Mit der Reflexintegration hat sie schon vielen Menschen – kleinen wie großen – geholfen, ihre Lebensqualität zu verbessern. Wir haben mit ihr gesprochen.

Was ist Reflexintegration?

Urreflexe sind wichtig für die neuronale, motorische, kognitive und emotionale Entwicklung eines Menschen. Jeder frühkindliche Reflex sollte einmal "auf der Bühne stehen", wie Hanna Bauer es formuliert, und darf dann wieder verschwinden. Das sorgt für eine gute Entwicklung zum Beispiel im Hinblick auf Stabilität, Balance und Koordination. Es gibt 22 körperliche und acht emotionale Reflexe. Sind die Reflexe zu lange aktiv oder unterentwickelt, kann das zu Problemen führen. 

Hier setzt die Reflexintegration an. Durch ein bestimmtes Training und durch das Drücken, Klopfen oder Halten bestimmter Körperstellen, werden neuronale Verknüpfungen im Nachhinein hergestellt. So kann ein Reflex integriert werden und ist schließlich nicht mehr aktiv bzw. wurde entwickelt.

Bei welchen Symptomen kann Reflexintegration helfen?

Welche Beschwerden die Patienten haben, ist bei Kindern und Erwachsenen unterschiedlich, da Erwachsene (aufgrund der längeren Zeit) mehr kompensieren und sich die Symptome dann verschieben. 

Eltern kommen oft mit ihren Kindern zur Reflexintegration bei

  • Lese-, Rechtschreib- und Rechenschwäche
  • Unkonzentriertheit
  • Hyperaktivität
  • fehlender Impulskontrolle
  • oft vorkommenden, starken Gefühlen wie Wut, Aggressivität
  • schlechter Körperkoordination
  • Ungeschicklichkeit
  • fein- und grobmotorischer Schwäche
  • Bettnässen
  • starker Schüchternheit, Ängstlichkeit

Auch bei vom Arzt diagnostiziertem ADS oder ADHS kann Reflexintegration hilfreich sein. Hanna Bauer weist darauf hin, dass Kinder oft nur entwicklungsverzögert, aber nicht krank sind, und dass sie zu oft, zu schnell oder zu hoch medikamentiert werden.

Reflexe, die im Baby- und Kindesalter abgelegt werden (normalerweise)

Viele Reflexe werden nur im Bauch während der Schwangerschaft oder als Baby gebraucht und sollten dann – nachdem sie abgerufen wurden – wieder verschwinden. So zum Beispiel die Stressschutzreflexe, dazu gehören Furchtlähmungsreflex, Moro-Reflex und Bondingreflex. In bestimmten Fällen kann beispielsweise der Furchtlähmungsreflex (den man sich wie ein Freeze vorstellen kann) reaktiviert werden, etwa durch ein Trauma oder extrem starken Stress. 

Auch eine besonders stressige Geburt kann, aber muss nicht, dazu führen, dass der Furchtlähmungsreflex aktiv bleibt und einen Menschen beeinträchtigt. Kinder, die die Stressschutzreflexe nicht ablegen, nehmen unter Umständen weiterhin alles aus ihrer Umgebung ungefiltert wahr, was zu einer regelrechten Überforderung führen kann.

Auch der spinale Galant-Reflex (auch Rückgratreflex genannt) wird normalerweise nach der Geburt abgelegt. Er hat unter anderem die Funktion, dass sich das Baby durch eine Dreh-Schraubbewegung durch den Geburtskanal bewegt. Kam es etwa zu einem Kaiserschnitt, einer Zangen- oder Saugglockengeburt, aber auch bei wehenhemmenden oder wehenfördernden Mitteln unter der Geburt (z. B. PDA) oder mangelnder Bewegung der Mutter in der Schwangerschaft (weil sie liegen musste), viel Stress oder Angst bei der schwangeren Mutter, kann es passieren, dass dieser Reflex beim Baby weiterhin aktiv bleibt oder unterentwickelt ist. Beides kann (aber muss nicht) zu Problemen führen. 

So ist es für diese Kinder mitunter später schwierig, auf einem Stuhl (in der Schule etc.) zu sitzen, weil durch Berührung vom Stuhl (auch durch zu enge Kleidung etc. möglich) am Rücken ständig der Reflex ausgelöst wird und sich das Kind einfach bewegen MUSS. Sogar das nächtliche Einnässen im Alter von fünf Jahren und darüber hinaus, kann mit diesem Reflex zusammenhängen, da auch im Bett liegend der Reflex ausgelöst wird.

Weiteres Beispiel: Der Saugreflex wird ausgelöst, wenn die Mutterbrust die Wange des Säuglings berührt. Dieser öffnet dann den Mund und "dockt an". Wurde nicht gestillt, empfiehlt es sich daher, diesen natürlichen Reflex auch bei der Flaschenfütterung durch vorherige Berührung der Wange auszulösen. Ein nicht "ausgelebter" Saugreflex kann später zu Zähneknirschen, heraushängender Zunge etc. führen und sogar eine Tendenz zu Süchten (durch das Gefühl, nie genug zu bekommen) verstärken. Hanna Bauer weist darauf hin, dass all die genannten Symptome nicht auftreten müssen. Außerdem gilt es immer, den Menschen ganzheitlich – also in seiner Einheit aus Körper, Seele und Geist – zu betrachten. Symptome entstehen oft aufgrund von komplexen Zusammenhängen. Daher stellt Hanna Bauer den Familien immer auch Fragen zum Beispiel im Hinblick auf die Ernährung, den Schlaf, Bewegung und die Nutzung sozialer Medien. All das und mehr spielt im Gesamtgefüge Mensch eine Rolle und hat Einfluss.

Wie F&W-Reflexintegration wirkt

Grundsätzlich beginnt man erst in einem Alter von fünf Jahren mit dem Reflexintegrationstraining. Vorher entwickelt sich das Kind noch zu stark, und vieles kann sich von selbst einpendeln. Hanna Bauer erklärt, wie sie bei ihren (kleinen) Patienten vorgeht: Die Eltern haben vorher einen Fragebogen ausgefüllt, um für eine ganzheitliche Betrachtung und Vorgehensweise zu sorgen. Dann kommen die Patienten in die Praxis. Je nach vorliegenden Symptomen kann Hanna Bauer Rückschlüsse auf den entsprechenden über- oder unterentwickelten Reflex ziehen. 

"Zunächst teste ich, ob der Reflex, zum Beispiel der spinale Galant, noch aktiv ist. Dafür liegt das Kind auf der Seite, und ich streiche mit einem gewissen Druck mit dem Daumen nacheinander an beiden Seiten der Wirbelsäule entlang." Bewegt sich das Kind dabei sehr stark, ist der Reflex überentwickelt. Durch einen kinesiologischen Muskeltest kann Hanna Bauer herausfinden, ob der Reflex unterentwickelt ist. Zunächst wird der jeweilige Reflex aktiv vom Patienten oder passiv von der Behandlerin ausgelöst. Dann aktiviert Hanna Bauer entsprechende neuronale Punkte, indem sie diese drückt. 

Auch eine Affirmation kann zusätzlich unterstützend hilfreich sein. Für Kinder passt hier zum Beispiel: "Es gibt gute und schlechte Dinge im Leben. Und beide gehören mit dazu." Um den Behandlungserfolg noch zu verstärken, bekommen die Patienten Übungen für zu Hause mit, die sie machen können, aber nicht müssen (es gibt bei der Reflexintegration verschiedene Methoden). Bis sich ein Reflex final integriert hat, kann es ein paar Wochen oder auch Monate dauern. 

Weitere Beispiele für Beschwerden und ihre Lösung dank Reflexintegration

Hanna Bauer erzählt von einer Mutter, die berichtet, ihr dreijähriges Kind würde so viel schreien und sei aggressiv. Die Neuro-Coachin weiß, dass Kinder uns Eltern oft etwas spiegeln. Daher kann es sinnvoll sein, mit den Eltern zu arbeiten. In diesem Fall ist das Kind zudem noch zu jung für ein Reflexintegrationstraining. Hanna Bauer fand heraus, dass der Stressschutzreflex bei der Mutter zu stark aktiviert war. Seit sie diesen integrierten, schrie auch das Kind weniger. 

Tatsächlich hält die Coachin einen bewussten Umgang und das Wissen darüber, was es für weitere Konsequenzen haben kann, wenn man Kindern einen Spielebogen und sogenannte Gehfreis gibt, für wichtig. Dasselbe gilt, wenn man ein Kind, das noch nicht alleine aufsteht, ständig hochzieht. Denn damit wird die Aktivität bestimmter Reflexe unterbunden, die aber für den nächsten Entwicklungschritt notwendig sind. Durchs ständige Liegen unter einem Spielebogen kann beispielsweise der Greifreflex unterentwickelt sein. Das Kind merkt schnell, dass es nach den Dingen, die es sieht, nicht greifen kann und unterlässt es dann. 

Bei Gehfreis und anderen Laufernhilfen werden der Hochzieh-, Schreit- und Steigreflex unterbunden, die Kinder aber brauchen, um eigenständig in ihrer Geschwindigkeit sicher laufen zu lernen. Auch sogenannte Helikoptereltern dürfen gerne noch einmal schauen, ob sie ein wenig "lockerer" werden können. Denn ist es Kindern etwa nicht erlaubt zu klettern oder sich auch mal schmutzig zu machen, kann sich auch dadurch die Entwicklung verzögern. Mitunter liegt hier ein zu stark ausgeprägter Beschützerreflex bei den Eltern vor – vielleicht durch eine schwere Geburt. Auch diesen kann man aber im Nachhinein integrieren, sodass er einem nicht mehr im Weg steht.

Woher kommt die F&W-Reflexintegration?

Die Reflexintegration basiert auf folgenden Methoden/Wissenschaften:

  • Neurologie
  • Orthomolekularmedizin
  • Pädiatrie
  • Sportmedizin
  • TCM
  • RIT und Blomberg
  • NIS und NFI
  • Osteophathie
  • Rolfing
  • Psychologie

Die Begründer der Methode "F & W Reflexintegration" schreiben im Vorwort ihres Handbuchs zur Methode (Buchtipp siehe unten):

Markus Friedrich: 

"Mein Bestreben ist es, Menschen zu ihrer natürlichen und schmerzfreien Beweglichkeit (zurück) zu verhelfen, dauerhaft und auf dem kürzesten Weg."

Dr. Matthias Welker:

"Meine Aufgabe ist es, die Patienten in Gesundheit, Kraft und Freiheit zu versetzen, damit sie in jedem Moment jede Richtung einschlagen können, die ihnen sinnvoll und richtig erscheint."

Wie lange dauert die Behandlung?

Das ist ganz unterschiedlich, hängt von der Art und Stärke der Beschwerden ab und auch vom Alter des Patienten. Die Integration eines Reflexes klappt in einer Session. Die Entwicklung kann sich dann aber über mehrere Tage bzw. Wochen ziehen. Es können pro Sitzung bis zu drei Reflexe integriert werden. Es wird dann in der darauffolgenden Sitzung nur noch einmal überprüft, ob der Reflex auch wirklich integriert ist.  

Was kostet eine Behandlung?

Der Preis wird vom jeweiligen Behandler festgelegt. Meistens bewegen sich die Kosten für eine Behandlung, die etwa 60 bis 90 Minuten dauern kann, zwischen 80 und 120 Euro. Die Kosten werden nicht von der Krankenkasse übernommen.