
Das Ohr muss sauber sein, oder nicht? Was ist eigentlich sauber? Ist Ohrenschmalz Dreck? Oder hat er vielleicht sogar eine Funktion? Und was ist nun mit Wattestäbchen? Dürfen wir sie für die Reinigung nutzen oder sind sie tabu? Wir haben bei Dr. Andrea-Mareen Behr nachgefragt. Die Fachärztin für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde arbeitet in der Sternklinik in Bremen.
Muss Ohrenschmalz überhaupt weg?
"Viele empfinden Ohrenschmalz als unerwünschten Schmutz und entfernen es so gründlich wie möglich – auch bei ihren Kindern. Dabei hat es eine wichtige Funktion: Es schützt die Haut und transportiert Staub und Hautschuppen aus unserem Ohr heraus", erklärt uns Dr. Andrea-Mareen Behr. Und nicht nur: Ohrenschmalz schützt sogar vor Bakterien und beugt somit Entzündungen effektiv vor.
Können Eltern trotzdem die Ohren ihrer Babys und Kinder bedenkenlos mit Wattestäbchen reinigen?
Besser nicht! "Wattestäbchen schieben den Ohrenschmalz ins Ohr hinein; es trocknet ein und bildet einen Pfropf, der bei den nächsten Reinigungen weiter in Richtung Trommelfell wandern kann. Schmerzhafte Entzündungen und eine verminderte Hörfähigkeit können die Folge sein", warnt die HNO-Ärztin. Außerdem kann es schnell mal zu Verletzungen im Gehörgang und im dünnen Trommelfell kommen. Deshalb sollten Eltern auf Wattestäbchen – auch auf die vermeintlich sicheren "Sicherheitsstäbchen" mit verdicktem Wattebereich – zur Reinigung verzichten. Auch in Eigenregie angewendete Ohrduschen und -sprays sind tabu.
Also gar keine Reinigung der kleinen Kinder-Ohren!?
Doch! Aber es ist völlig ausreichend, den äußerlich sichtbaren Ohrenschmalz mit einem Kosmetiktuch oder einem nassen Waschlappen zu entfernen, so der Profi-Rat. "Dabei keine Seifen und Shampoos benutzen, sie greifen die natürliche Schutzschicht des Gehörgangs an. Mein Tipp: Ein Tropfen Babyöl weicht hartnäckiges, angetrocknetes Sekret in der Ohrmuschel auf, sodass es sich besser lösen lässt", empfiehlt Dr. Behr. Wer überhaupt nicht auf Wattestäbchen verzichten mag, sollte sie ausschließlich in der äußeren Ohrmuschel anwenden, und hier nur auf die Sicherheitsstäbchen setzen. Nicht vergessen: Der Bereich hinter den Ohren will auch gereinigt werden. Hier sammeln sich vor allem bei Babys, die noch viel liegen, Speichel oder Milchreste. Dann kann es zu schuppigen, manchmal wunden, nässenden und/oder übelriechenden Hautfalten kommen.
Ausnahmefälle für die Ohren-Reinigung – aber bitte nur beim Arzt!
Wenn im Gehörgang irgendwann doch zu viel Ohrenschmalz (zum Beispiel auch durch falsche Reinigung mit Wattestäbchen, siehe oben) sitzt, kann das nicht nur stören und irgendwann die Hörfähigkeit beeinträchtigen. Sollte der übermäßige Ohrenschmalz sich verhärten, kann es im schlimmsten Fall doch zu Entzündungen kommen. Dann kann nur noch der HNO-Arzt helfen und eine professionelle Reinigung durchführen. Die geht sehr schnell. Könnte aber vor allem für Babys und Kleinkinder unangenehm sein, da es kurzzeitig sehr laut wird.
Wichtig!
Im Falle eines stark juckenden, eitrigen, geschwollen oder schmerzenden Ohres, bitte immer schnellstmöglich einen HNO-Arzt aufsuchen. Entzündungen am Ohr solltet ihr immer ernst nehmen und schnellstmöglich behandeln lassen.
Autorinnen: Nora Linow und Astrid Christians