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Zahnspange für Kinder – sinnvoll oder Abzocke?

Schaut man sich unter jungen Teenagern heutzutage um, haben viele von ihnen eine Zahnspange. Ob das wirklich sinnvoll, oder nur Geschäftemacherei ist, lest ihr in diesem Artikel.

Mädchen mit Zahnspange© iStock/Marian Vejcik
Viele Kinder tragen eine Zahnspange.

Letztens waren wir bei Freunden zu Besuch. Unter ihnen drei Kinder und Jugendliche im Alter zwischen zehn und 16 Jahren. Was sie gemeinsam hatten: Sie alle trugen eine Zahnspange. Da habe ich mich bei dem Gedanken ertappt, ob das normal ist, also, ob heute wirklich (gefühlt) fast jedes Kind eine Zahnspange braucht. 

In Deutschland gibt's die meisten Zahnspangen

Tatsächlich bestätigte die Tagesschau kürzlich, dass in Deutschland zwei von drei Kindern eine Zahnspange tragen. Bei Stiftung Warentest heißt es, die Hälfte der Kinder werde kieferorthopädisch behandelt. Was allerdings noch lange nicht heißt, dass das wirklich notwendig und sinnvoll ist. Zumal in den skandinavischen Ländern und Österreich die Quote offenbar eher bei einem Drittel, statt wie hier bei uns bei zwei Dritteln liegt. Die Berufsverbände Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung (KZBV) und die Bundeszahnärztekammer (BZÄK) bewerten die Zahlen dennoch nicht als negativ. Laut ihrer Studie könnten sogar bis 97,5 Prozent der Kinder eine kieferorthopädische Behandlung gebrauchen, so die Tagesschau. Doch es gibt auch Kieferorthopäden, die dies kritisieren. Außerdem betrage die Behandlungsdauer in der Regel 42 Monate, was vor allem in diesem Alter sehr lang ist.

Hier seht ihr die Slides dazu bei Instagram:

Kostenübernahme für Zahnspangen bei Kindern

Grundsätzlich übernehmen in Deutschland die gesetzlichen Krankenkassen die Kosten für Zahnspangen bei Kindern und Jugendlichen bis 18 Jahren, wenn sie medizinisch notwendig sind. Laut Verbraucherzentrale seien diese von der Kasse übernommenen Leistungen ausreichend. Dennoch geben viele Eltern zusätzlich Geld aus für weitere Leistungen, die nicht von der Kasse getragen werden. So sollen bestimmte Bögen und Brackets laut Kieferorthopäden weniger schmerzhaft und angenehmer sein. Doch es gibt Studien, die keine nennenswerten Unterschiede zwischen verschiedenen Brackets feststellt.

Stiftung Warentest über Zahnspangen für Kinder und welche Extras sinnvoll sind

Schiefe Zähne, Lücken, Engstand – Gründe für eine Spange gibt es viele. Oft verweisen Zahnärzte an Kieferorthopäden, die dann in vielen Fällen eine Zahnspange verordnen, oft erst eine lose, später eine feste. Gleichzeitig wird ein Kostenplan aufgestellt. Denn die Krankenkasse zahlt immer nur die günstigste Variante und nur, wenn eine Behandlung aus medizinischer Sicht notwendig ist, Kieferorthopäden empfehlen aber mitunter diverse, zum Teil recht kostspielige Alternativen. 

Stiftung Warentest hat die (Extra-)Leistungen unter die Lupe genommen. Und empfiehlt:

  • Nach Nutzen und Kosten der Extras fragen. Man muss nicht vorab zahlen. Der Arzt kann monatlich oder quartalsweise abrechnen.
  • Seid ihr euch unsicher, holt euch eine Zweitmeinung ein. Hier kann auch die Kassenärztliche Vereinigung oder die Krankenkasse weiterhelfen. Oder einen weiteren Arzt fragen. Röntgenbilder und evtl. bereits gemachte Abdrücke könnt ihr dafür mitnehmen.

Übrigens: Obwohl Kassenpatienten (Kinder und Jugendliche bis 18 Jahre) ein Recht auf eine Standard-Zahnspange ohne Zuzahlung haben, bot laut einer Studie von 2021 nur etwa jeder vierte Arzt eine solche Behandlung ohne Zuzahlung an.

Einige Zusatzleistungen seien laut Prof. Till Köhne, Leiter der Kiefer­ortho­pädie am Universitäts­klinikum Leipzig, mit dem Stiftung Warentest sprach, durchaus sinnvoll. Allerdings gebe es keine Studien, ob die Behandlungen dadurch besser wurden. Außerdem sei die Behandlungsdauer in Deutschland verhältnismäßig lang.

Die Mediziner in Österreich behandeln im Schnitt nur 26 Monate, deutsche Kiefer­ortho­päden benötigen 42 Monate

schreibt Stiftung Warentest. Die Kosten für Zusatzleistungen können leicht im vierstelligen Bereich landen. Und das, obwohl nicht klar ist, wie sinnvoll sie sind.

Laut Stiftung Warentest sind die folgenden Leistungen empfehlenswert:

  • Kiefergelenkdiagnostik
  • Digitaler Gebissabdruck
  • Indirektes Bonding (Brackets)
  • Professionelle Zahnreinigung beim Wechseln der Bögen einer festen Spange
  • Selbstlegierende Brackets
  • Thermoelastische Bögen
  • Kleberetainer

Verzichten könne man aufgrund eines fraglichen Effekts auf die Bracketumfeldversiegelung. Keinen medizinischen, lediglich einen ästhetischen Nutzen hätten Keramik- oder Minibrackets.

In welchem Alter, ab wann beginnt eine Behandlung mit Zahnspange?

Eine kieferorthopädische Behandlung beginnt in der Regel mit neun bis zehn Jahren, wenn schon bleibende Zähne vorhanden sind. Dann wird normalerweise mit einer losen Spange gestartet. Eine feste kommt erst zum Einsatz, wenn alle bleibenden Zähne da sind und der Kiefer kaum noch wächst, also etwa mit 13 oder 14 Jahren.

Eigenanteil erstatten lassen

Die Kostenübernahme von den Krankenkassen ist auch davon abhängig, ob man die Behandlung abschließt. Die Kasse übernimmt regulär bis vier Jahre Behandlung – oft dauert es auch so lange. Die Eltern zahlen immer pro Quartal 20 Prozent des Kassenanteils. Bei vom Arzt bescheinigtem erfolgreichen Abschluss der Behandlung, erstattet die Kasse diese Kosten zurück. Bricht man die Behandlung ab, bleibt man auf diesem Eigenanteil sitzen.

Entscheidung der Eltern

Wofür ihr euch am Ende entscheidet, ist euch überlassen. Hört auf euer Bauchgefühl und zieht bei Zweifeln am besten eine Zweitmeinung heran. Habt ihr das Gefühl, es geht nur um Geldmacherei, wechselt am besten die Praxis. Auf jeden Fall ist es wichtig, dass ihr auch mit eurem Kind im Gespräch bleibt, denn gründliche Zahnpflege ist bei Zahnspangen noch wichtiger als ohnehin schon, und eine lose Klammer muss auch regelmäßig getragen werden, wenn die Behandlung anschlagen soll. Es handelt sich oft um ein jahrelanges Prozedere, zumal sich die Zahnstellung auch wieder ändern kann, wenn irgendwann keine Spange mehr getragen wird.