
Der Erziehermangel in Deutschland ist allgegenwärtig. Fast jede Mutter oder jeder Vater kann eine Geschichte dazu erzählen. Fakt ist: Es fehlen aktuell rund 100.000 Erzieher und Erzieherinnen in unseren Kitas. Und der Trend geht leider nach oben.
Statt das Problem nun aber an der Wurzel zu packen und den Beruf (finanziell!) attraktiver zu gestalten, die Ausbildung besser zu finanzieren und das Image zu stärken, werkeln mittlerweile sogar schon ganze Kommunen an einer anderen Idee: Aushilfskräfte rekrutieren! Eigentlich natürlich sinnvoll, denn der Personalmangel ist ja akut. Es braucht also schnelle Lösungen. Aber wenn es nun heißt, man könne doch einfach Mama, Papa, Oma oder Opa als "Erzieher-Ersatz" einspannen, dann läuft meiner Meinung nach etwas in die komplett falsche Richtung ...
Vor Kurzem bin ich über folgenden Instagram-Post gestolpert – kein Einzelfall:
Personalmangel – Eltern, Omas und Opas sollen in Kitas in Baden-Würtemberg aushelfen
Okay, okay, fairerweise muss man dazu sagen, die nahen Verwandten der Kita-Kinder sollen natürlich nicht vollkommen willkürlich und alleinverantwortlich eingesetzt werden, sondern lediglich als Hilfskräfte neben den regulären Erziehern, um diese zu entlasten: Vorlesen zum Beispiel wird in diesem Kontext häufig als Paradebeispiel angeführt. Klaro, Mami kann doch einfach mal zum Vorlesen für einen Vormittag in die Kita kommen – oder nicht?
Was ich an diesem Eltern-als-Ersatzerzieher-Vorschlag schwierig finde, kann ich euch genau sagen:
- Ganz einfach: Eltern sind keine Erzieher! Und auch nicht so was Ähnliches! Sie haben in der Regel keine pädagogische Ausbildung. Ein fatales Zeichen auch in Richtung Kitapersonal, so nach dem Motto: "Bisschen auf Kinder aufpassen, das kann doch jeder!" Damit wird der Erzieherberuf (mal wieder!) kleiner gemacht, als er ist. Was wir brauchen ist: mehr Respekt für Erzieher und Erzieherinnen – nicht weniger!
- Überraschung: Eltern müssen arbeiten. Der, ich möchte behaupten, Hauptgrund, warum sie ihre Kinder jeden Morgen in eine Kita bringen. Sollen wir uns also für diese Vorlesestunden regelmäßig Urlaub nehmen? Oder unseren Arbeitgeber fragen, ob er uns unbezahlten Urlaub gibt?
- Das war für mich persönlich fast das entscheidendste Contra-Argument "Warum ist deine Mama hier – und nicht meine?" Diese traurigen Gedanken möchte ich keinem Kind zumuten, weil seine Eltern es beispielsweise beruflich nicht einrichten können, oder es sich schlichtweg nicht leisten können, in der Kita auszuhelfen.
Das will ich unbedingt noch ergänzen: Sporadische Partizipation durch Eltern am Kita-Alltag finde ich grundsätzlich super und sehr wichtig! Auch ich fand es beispielsweise sehr niedlich, in der Adventszeit mit den Kita-Kids Kekse zu backen und Nikolausstiefelchen zu basteln. Mein Mann war bereits Elternvertreter in der Krippe und auch an den Ausflügen versuchen wir immer teilzunehmen.
Aber ich fühle mich nicht verantwortlich dafür, die Kita-Misere auszubaden, in die wir über die Jahre hinweg (politisch) hineinmanövriert wurden. Erst recht nicht, weil ich es nie gelernt habe. Ich bin keine Erzieherin!
Ein ganz wunderbares Projekt aus Hamburg durfte ich vor Kurzem kennenlernen. Das sind für mich echte Ansätze in die richtige Richtung: