
"Hast du Schnuffel auch wirklich eingepackt?" Bastian wuselt schon seit zwei Stunden aufgeregt durch die Wohnung. Immer wieder will er sicher gehen, dass sein heißgeliebtes Schmusetier für die Übernachtungsparty im Kindergarten eingepackt ist. Schnuffel ist ein kleiner brauner Schmuseteddy, der seine besten Tage schon hinter sich hat. Kein Wunder, ist er doch Bastians "Rund-um-die-Uhr-Begleitung" – vor allem nachts ist ohne den Bären an Schlaf nicht zu denken. Erst recht nicht, wenn die erste Nacht außerhalb der eigenen vier Wände ansteht.
Seit Wochen freut sich Bastian auf das Übernachten im Kindergarten. Als Vorschüler gehört er im Kindergarten zu den Älteren – das Übernachten kurz vor dem Wechsel in die Grundschule ist eine Art symbolischer Abnabelungsprozess. Der erste Schritt in die große weite Welt und ein absolutes Highlight für ihn. Jede Menge Spiele und eine coole Fackelwanderung sind geplant – ein richtiges Abenteuer also. Tagelang hat Bastian sich mit seinen Freunden ausgemalt, wie viel Spaß sie haben werden – doch jetzt, wo es nur noch ein paar Stunden bis zum großen Ereignis sind, wird ihm etwas mulmig.
"Das ist völlig normal. Der Tagesablauf – insbesondere das Schlafengehen – kleiner Kinder wird oft von vielen Ritualen bestimmt, die beim Übernachten in der 'Fremde' zu kurz kommen", erklärt Erzieherin Sabine Mündt aus Weissach in Baden-Württemberg.
Rituale bestimmen den Tagesablauf von Kindern
Das gemeinsame Abendessen im Kreise der Familie, Zähneputzen mit der lustigen Tigerzahnbürste, eine spannende Gutenachtgeschichte über den knuffigen Holunderbären und den mutigen Freund Hase – und natürlich der Gutenachtkuss gehören für Bastian zu einem perfekten Abend einfach dazu. Vertraute Geräusche und Gerüche spielen auch eine große Rolle, damit ein Kind sich sicher und geborgen fühlen kann. Das alles wird Bastian in dieser Nacht fehlen.
Ein kleiner Trick hilft gegen Heimweh
"Aber wir Erzieherinnen sind den Kindern ja ebenfalls sehr vertraut, und vor allem Kids, die schon bei Oma und Opa übernachten durften, können gut mit der Situation umgehen", bestätigt Sabine Mündt. Und wenn ein Kind doch einmal fürchterlich von Heimweh geplagt wird, darf auch ein wenig in die Trickkiste gegriffen werden. Motivation ist alles! "Schon ein kleiner Hinweis auf eine noch geheime Überraschung an dem Abend macht mich mit dem Kind zu einem Verbündeten", verrät die engagierte Erzieherin mit einem Schmunzeln. Nur bei allergrößter Verzweiflung werden die Eltern benachrichtigt, die dann das traurige Bündel abholen können.
Wenn wir ehrlich sind, müssen wir zugeben, dass wir Eltern mindestens genauso aufgeregt sind wie die kleinen Abenteurer. Tatsächlich fällt es auch uns schwer, loszulassen. So machen wir uns Sorgen, ob es unserem Liebling gut geht, ob er sie sich auch gut die Zähne geputzt hat, ob er nachts gut zugedeckt ist oder ob er ohne Gutenachtkuss überhaupt einschlafen kann. Aber das gehört dazu – dass wir verstehen, wie unsere Kinder mit jedem Tag selbstständiger werden und sich immer mutiger mit neuen Herausforderungen auseinandersetzen müssen. Nimm dir für diesen Abend etwas Schönes vor, was du schon immer tun wolltest, und wofür du bisher keine Zeit für gefunden hast. Das wirkt manchmal Wunder!
Bastian hat sein Abenteuer jede Sekunde genossen. Etwas übernächtigt, aber nicht weniger aufgedreht, fängt er mich morgens an der Kindergartentür ab. "Mama, das war so cool! Wir durften ganz lange aufbleiben, und zum Frühstück gab es sogar Nutellabrot. Und Schnuffel hat die Übernachtung auch gut gefallen." Und schiebt gleich hinterher: "Du Mama, kann ich nächste Woche mal bei Lara übernachten?"
So wird das Übernachten im Kindergarten zum Erfolg:
1. Keine Hau-Ruck-Aktionen: Rede schon ein bis zwei Wochen im Vorfeld mit deinem Kind über die geplante erste Übernachtung außerhalb der Familie. Bereite es auf das Ereignis vor, biete ihm Anreize, auf die es sich freuen kann.
2. Übung macht den Meister: Kinder, die schon im Vorfeld im Familienumfeld auswärts geschlafen haben, tun sich generell leichter. Mit Oma und Opa übt es sich bestimmt hervorragend.
3. Tabu-Zone: Die Nacht gehört deinem Kind. Ein Anruf zum Gutenachtsagen oder gar ein Handy, mit dem du dauerhaft erreichbar wärst, sind keine Hilfe, sondern wecken den Wunsch, nach Hause zu kommen. Geteilte Freude ist doppelte Freude: Auch wenn du selbst daran zu knabbern hast, lasse es dein Kind nicht spüren. Am Ende möchte es dann nicht woanders übernachten, um dich nicht unglücklich zu machen. Freue dich lieber gemeinsam auf das große Abenteuer.
4. Das muss mit: Das Schmusetier, eventuell ein eigenes kleines Kopfkissen oder ein Familienfoto können kleineren Kindern eine Hilfe sein.