Kinder-Castingshows: Würdet ihr euren Kindern die Teilnahme erlauben?

Ob "The Voice Kids" oder "Germany's Next Topmodel" – Castingshows üben eine große Faszination auf Kinder aus. Unsere Expertin gibt Tipps, wie sich Eltern verhalten sollten, wenn die Kleinen nicht nur zugucken, sondern auch mitmachen wollen.

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Viele Kinder sind fasziniert von Castingshows.

"Aber alle in der Klasse gucken das!" Da steht man nun als Elternteil, findet die Show eigentlich total doof – aber das Kind lässt nicht locker. Über den eigenen Schatten springen und das Kind die Show anschauen lassen? "Ja, schauen lassen!", sagt Kristin Langer, Mediencoach der Initiative "Schau hin! Was Dein Kind mit Medien macht". Es sei ganz normal, dass solche Talentwettbewerbe eine Faszination auf Kinder ausüben: Es gehe um den Spaß beim Anschauen, um das Mitfiebern, das Mitreden können auf dem Schulhof.

Gemeinsam anschauen statt verteufeln

"Kinder haben ein Recht auf einen eigenen Geschmack, und der muss nicht dem Geschmack der Eltern entsprechen", erklärt Kristin Langer. Natürlich könne man als Elternteil sagen, was einem an der Show nicht gefalle, aber verteufeln sollte man sie nicht. Sondern mit dem Kind gemeinsam schauen, darüber sprechen und dabei herausfinden, was dem Kind daran gefällt.

Das gemeinsame Anschauen können Eltern dann zum Anlass nehmen, um mit dem Kind darüber zu sprechen, welche Rollen- und Schönheitsbilder diese Shows transportieren, wie die Sendungen inszeniert sind und ob und wie die Teilnehmer in bestimmte Rollen hineingepresst werden.

Die Motivation hinterfragen

Ebenso sollten Eltern den Wunsch des Kindes respektieren, an so einer Show teilzunehmen. "Am besten ist es, mit dem Kind ins Gespräch zu kommen und herauszufinden, was die Motivation des Kindes ist und was es mit so einer Teilnahme erreichen möchte", weiß Mediencoach Langer. Gemeinsam mit dem Kind könne man dann herausfinden, ob sich der Wunsch auch auf eine naheliegendere Art und Weise als in einer TV-Show umsetzen lässt, zum Beispiel durch Schülerkonzerte in der Musikschule oder einen Auftritt beim Schulfest.

"Wichtig ist, dem Kind zu zeigen, dass man es ernst nimmt", betont Kristin Langer. Man könne zum Beispiel den Nachwuchs herausfinden lassen, wie man sich bei der Show bewirbt. Oder gemeinsam die Teilnahmebedingungen besprechen und dem Kind so klar machen, auf was es sich einlässt: Was beispielsweise mit den Fotos passiert, die für Publicity-Zwecke gemacht werden und auch wozu sich es bei einer Teilnahme verpflichten würde. Wenn die Mädchen und Jungen dort ausgenutzt werden, das Training und die Show nicht kindgerecht oder die Anforderungen nicht altersgerecht sind, sollten Eltern das offen sagen: "Eltern haben auch das Recht, Nein zu sagen, um ihr Kind zu schützen."

Nicht zu einem Auftritt drängen

Eine wichtige Voraussetzung für die Teilnahme ist eine starke Persönlichkeit, damit das Kind mit Enttäuschungen, Kritik und Konkurrenzdruck umgehen kann. Und noch eine Sache ist laut Kristin Langer ganz wichtig: Die Teilnahme an einer Castingshow muss wirklich vom Kind gewollt sein: "Eltern sollten ihre Kinder nie in etwas hineindrängen. Kinder sollen Kinder sein und weiter Zeit fürs Spielen und Kindsein haben. Die Kindheit sollte durch Glamourwelten mit Erfolgsdruck nicht verloren gehen."

Dürfen eure Kinder auf die Bühne? 

Singen, Tanzen, Geige spielen oder einfach nur gut aussehen – in jedem Kind schlummert ein Talent. Sind Castingshows das richtige, um Begabungen zu fördern – oder muten wir unseren Kleinen bei so einem Wettbewerb zu viel zu? Wir haben Väter und Mütter gefragt, wie sie dazu stehen.

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Anna, Immobilienmanagerin aus Frankfurt am Main, ein Sohn (3)

Wichtig ist, dass dem Kind nichts eingeredet wird

Wenn Kinder es sich wirklich wünschen und es aus eigenem Antrieb machen, dann finde ich es okay, wenn sie an Talentshows teilnehmen. Wichtig ist für mich, dass sie diesen Wunsch nicht von jemanden eingeredet bekommen, und nicht die überehrgeizigen Eltern dahinterstecken. Es kommt aber auch darauf an, was für eine Plattform so eine Talentshow ist. Ich finde, Schönheitswettbewerbe gehen gar nicht, das kommt überhaupt nicht in Frage! Es sollte wirklich um ein Talent gehen – und eine vertrauensvolle Plattform sein. Musik, Singen, Tanzen, Mathematik oder Wissenschaft, solche Wettbewerbe finde ich in Ordnung, wenn das Kind alt genug ist, also ungefähr ab acht Jahren.

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Sophie, Studentin aus Magdeburg, zwei Töchter (11 und 7), ein Sohn (4)

Kinder müssen auch in der Gesellschaft stattfinden

Wenn eines meiner Kinder einen solchen Wunsch äußern würde, würde ich das erstmal ernst nehmen und seine Beweggründe dazu anhören. Dann würden wir gemeinsam erörtern, was dafür und dagegen spricht und entsprechend in Erfahrung bringen, was die dazugehörigen Rahmenbedingungen wären. Dazu zähle ich unter anderem: Welche Verträge geht man ein, welchen Zeitaufwand muss man einplanen, wie viel Mitbestimmung ist möglich, welche Unterstützung für das Wohlbefinden der Kinder ist vor Ort gegeben. Eine solche Teilnahme sollte mehr Chancen wie Selbstverwirklichung oder Spaß als Risiken wie Mobbing oder Stress bieten. Ich habe allerdings Bedenken bei Shows, bei denen es rein ums Aussehen geht.

Für mich ist wichtig, dass das Kind weiß: Es ist mein Leben und darüber darf ich bestimmen. Meine Eltern sind dafür da, mich zu begleiten und wenn notwendig zu beschützen. Außerdem müssen Kinder in der Gesellschaft stattfinden und das auch öffentlich. Auch solche Shows können einen Teil dazu beitragen.

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Kristina, Sachbearbeiterin im Einkauf aus Winsen/ Aller (Niedersachsen), zwei Töchter (7 und 4)

Bei solchen Shows sind die Bedürfnisse der Kinder egal

Ich bin ganz klar dagegen, dass Kinder an Talentshows teilnehmen. Denn was lernen sie daraus? Dass andere Menschen sie beurteilen oder ihr Können definieren – und nicht sie selbst. Oft stecken dahinter auch sehr ehrgeizige Eltern. Aber was signalisiert das einem Kind? Du bist nur gut, wenn du gewinnst? Sollten Kinder mit so einem Hintergedanken aufwachsen? Nein, Kinder sollen Kinder sein dürfen und eine echte Kindheit haben – und keinen vollen Kalender, bei dem sie von Auftritt zu Auftritt hüpfen. Bei solchen Shows sind ihre Bedürfnisse egal. Auch wenn es ihnen nicht gut geht, müssen sie trotzdem strahlen und eine Leistung abliefern. Und noch eine Sache sollte man bedenken: Man weiß nie, wer diese Shows guckt. Sie sind auch eine Einladung an Pädophile, Bilder von aufgestylten und oft auch leicht bekleideten Mädchen und Jungs zu finden.

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Christian, Vocalcoach und Musikmentaltrainer aus Elsfleth (Niedersachsen), eine Tochter (5), ein Sohn (8)

Diese Sendungen können Kinderseelen zerstören

Jedes Kind steckt voller Potentiale. Wir Erwachsenen haben die Verantwortung, unsere Kinder so zu begleiten, dass sie ihre Potentiale entdecken und frei entfalten können. Wenn wir sie aber im Rahmen einer Unterhaltungssendung bloßstellen, kritisieren oder in dummer Weise kommentieren, können wir mit dem Kommentar oder auch nur einer hochgezogenen Augenbraue Kinderseelen zerstören. Es gibt Studien, die besagen, dass einige Kinder von solchen Shows traumatisiert waren und sogar in psychischer Behandlung sind. Wir sollten uns ein Beispiel an Irland oder Schottland nehmen, wo auf sogenannten "Ceilidhs" Erwachsene und Kinder vor einem Publikum singen, Instrumente spielen oder tanzen – und dafür Applaus bekommen. Ohne Bewertung und Herabsetzung, das ist Potentialentfaltung! Dort, wo die Angst fehlt und stattdessen ermutigt wird, kann sich das Potential besonders gut entfalten. Musik ist doch da, um Menschen glücklich zu machen! Ich wünschte, diese Sendungen würden endlich eingestellt.

Autorin: Nathalie Klüver

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