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Dauerndes Gezicke oder Gemotze, die ersten dunkleren Härchen hier und da, ein Brustansatz bei Mädchen, brechende Stimme bei Jungen, aber auch die erste Regelblutung oder der erste Samenerguss im Grundschulalter: Die Pubertät kann viele Vor- und Anzeichen haben. Was der Unterschied zwischen Früh- und Vorpubertät ist, ob Kinder heute tatsächlich früher in die Pubertät kommen als noch in unserer eigenen Kindheit, wie wir unseren Nachwuchs optimal unterstützen und viele weitere Fragen klären wir in diesem Interview mit der Sexualpädagogin Anna Dillinger aus Wien.
Frühpubertät und Vorpubertät: Was ist eigentlich der Unterschied?
Anna Dillinger: Vorpubertät bezeichnet die "erste" Phase, also den Anfang der Pubertät und betrifft somit alle Kinder in ihrer Entwicklung. Das Durchschnittsalter dafür wird häufig bei acht Jahren angesetzt, ab jetzt gibt es die ersten hormonellen Veränderungen, es kann zu einem Wachstumsschub kommen oder es zeigen sich erste äußerliche Veränderungen. Aber auch innerlich wächst möglicherweise das Bedürfnis nach Autonomie und der Wunsch, Verantwortung für etwas zu übernehmen. Diese Kompetenz sollte man unbedingt unterstützen.
Frühpubertät wiederum bedeutet, wenn ein Kind deutlich vor dem achten Geburtstag schon erste Anzeichen von körperlicher Veränderung zeigt. Ich bin hier vorsichtig mit vorschnellen "Diagnosen", denn letztendlich bildet der Durchschnitt nicht die Norm ab, und eine gute Unterstützung und Beziehung – ganz egal, wann die Pubertät losgeht – halte ich für den wichtigsten Punkt in der Eltern-Kind-Dynamik.
Woran erkennt man den Übergang zwischen Vorpubertät und "richtiger" Pubertät?
Einen klaren Übergang von Vorpubertät zu Pubertät kann man nur schwer festlegen – wozu auch. Sobald körperliche Veränderung wie ein Wachstumsschub, veränderte Körperformen, fettigere Haare etc. richtig wahrnehmbar sind, sprechen die meisten wohl von "der Pubertät". Die Vorpubertät kann subtiler in ihrer körperlichen Ausprägung sein, aber schon sachte den Übergang vom Kind zum Erwachsenen ankündigen.
Kommen Kinder heute früher in die Pubertät?
Dass Kinder heute früher in die Pubertät kommen als vor einigen Jahrzehnten, wird von vielen Studien bestätigt. Als Grund dafür wird meist auf die veränderte Ernährung, die verbesserte Hygiene und den generell besseren Gesundheitszustand verwiesen. Auch das gestiegene Körpergewicht soll eine Rolle spielen, da es mit der Ausschüttung bestimmter Hormone verbunden sein kann. Darauf eingestellt zu sein, dass die erste Menstruation oder der erste Samenerguss auch schon im Grundschulalter passieren können, hilft Eltern und Pädagog*innen, gut und adäquat zu reagieren. So kann man zum Beispiel passende Hygiene-Produkte vor Ort haben, das Thema rechtzeitig im Vorfeld mit dem Kind besprechen oder sexualpädagogische Workshops in der Schule organisieren. Allgemein gesprochen startet die Pubertät meist zwischen acht und zehn Jahren, wobei das von Kind zu Kind unterschiedlich ist und Mädchen oftmals etwas früher dran sind.
Wie unterstützen Eltern ihr Kind optimal, auch wenn es früh in die Pubertät kommt?
Kommt ein Kind im Vergleich zu den Mitschülern früher in die Pubertät, bzw. sind äußere Merkmale wie das Brustwachstum schon stärker sichtbar, sollte man damit genauso umgehen, wie mit allem anderen: unaufgeregt, aber bei Nachfragen erklärend und niemals tabuisierend. Jedes Kind muss spüren: Ich bin ganz normal. Auch wenn ich vielleicht größer bin als die anderen, meine Brüste schon wachsen oder ich irgendwo Haare bekomme. Die Situation "Ich seh plötzlich anders aus als die anderen" kann eine Herausforderung sein und wird vielleicht auch manchmal als belastend erlebt. Hier ist das Umfeld und die Einbettung darin entscheidend. Wird ein Kind gut aufgefangen und hat auch für diese Sorgen und Ängste eine Anlaufstelle?
Für alle Kinder gilt: Pubertät bedeutet auch, sich neu mit dem eigenen Körper anzufreunden. Das gelingt am besten in einem wertschätzenden Umfeld und mit genug Möglichkeiten, sich in seinem Körper wohlzufühlen. Das Unterstützen bei Bewegungsaktivitäten und Sinneserfahrungen rund um den Körper ist also ebenfalls eine super Möglichkeit, das eigene Kind bei der (sexuellen) Entwicklung bestmöglich zu begleiten. Das kann jede Art von Sport, Schaukeln, Spielen, im Wasser planschen, Balancieren, Singen, genussvolles Essen und, und, und sein. Wer sich selbst gut spürt, kann oft das eigene Äußere besser ins Körperbild integrieren – auch in Zeiten von Veränderung.
Wann sollte man mit seinem Kind über die Pubertät sprechen?
Das Thema Pubertät und was sich da alles am Körper verändert, sollte spätestens, wenn das Kind in die Vorpubertät kommt, also mit etwa acht Jahren, in der Familie und auf jeden Fall auch in der Grundschule angesprochen werden. Wenn Eltern mit ihrem Kind sprechen und ihm eine gute, durchgehende Begleitung und Unterstützung bieten, vermitteln sie ihm damit: Hier, bei uns zu Hause, in der Schule usw. darf dieses Thema da sein! Und das heißt nicht, dass man alle Fragen perfekt beantworten können muss oder sich selbst keine Hilfe in Form von Büchern und Beratung holen darf. Übrigens, die Angst, Kindern (beispielsweise auch was die sexuelle Aufklärung betrifft) schon zu früh zu viel zu erzählen, darf man getrost ablegen: Erstens bekommen sie ohnehin viel mehr mit, als man denkt, und zweitens führt größeres Wissen über den eigenen Körper zu mehr Selbstbestimmtheit.