Interview

Achtung Schadstoffe: Stinkende Finger vom Kinderwagengriff?

Wir haben bei Öko-Test nachgefragt, was man eigentlich mit seinen Anschaffungen machen soll, wenn ein Test negativ ausfällt und schlimmstenfalls Schadstoffe in Kindersachen wie Buggy und Co zutage fördert. 

Mutter mit Buggy hält sich die Nase zu.© iStock/Nicole Taionescu
Stinkende Finger vom Kinderwagengriff? Vermutlich sind giftige Weichmacher im Spiel ...

Hochstuhl, Kinderwagen, Buggy, Wippe – als Eltern gibt es viele hochwertige Dinge, die wir uns für die Kinder anschaffen oder schenken lassen. Doch was tun, wenn dann bei einem Test herauskommt, dass der teure Buggy voller Schadstoffe ist oder das Kind die Griffe seines Laufrads lieber nicht anfassen sollte? Der stellvertretende Chefredakteur von Öko-Test, Dr. Jürgen Steinert, stand uns Rede und Antwort.

Riechtest

Bevor ihr Kinderspielzeug oder andere Utensilien für eure Kleinen einkauft, macht am besten den Riechtest. Neues Kinderspielzeug sollte im Optimalfall neutral riechen. Nehmt ihr beispielsweise einen scharfen, beißenden oder auch süßlichen Geruch wahr, solltet ihr eurem Kind zuliebe die Finger von diesem Spielzeug lassen. Es ist dann wahrscheinlich, dass Schadstoffe – etwa durch Weichmacher – enthalten sind.

Schadstoffe in Baby- und Kinderausstattung

Welche Tipps haben Sie für Verbraucher, die teure Baby- oder Kinderausstattung gekauft haben, bei denen dann aber ein schlechtes Testurteil aufgrund von Schadstoffen herauskommt?

Dr. Jürgen Steinert: Für uns steht der vorbeugende Verbraucher- und Umweltschutz an erster Stelle. Daher ist Öko-Test häufig auch strenger als der Gesetzgeber, vor allem, wenn wir Grenzwerte für zu lasch halten. Daher kann es passieren, dass ein Produkt – obgleich es die gesetzlichen Vorgaben einhält – aufgrund der gefundenen Schadstoffe bei uns schlecht abschneidet. Gerade Ausstattungsgegenstände wie Tragen, Kinderwagen, Buggys oder Hochstühle unterziehen wir aber auch einem Praxistest, in dem es zum Beispiel um deren Sicherheit geht. Anhand der Ergebnisse kann jeder Verbraucher entscheiden, was ihm wichtig oder wichtiger ist. Akzeptiere ich eine Belastung mit Schadstoffen, wenn das Produkt sicher ist? Oder akzeptiere ich sie nicht, nehme aber in Kauf, dass es gewisse Sicherheitsmängel aufweist? 

Was tun bei Schadstoffbelastung?

Kann man diese Anschaffungen denn zurückgeben, wenn ein schlechtes Test-Urteil veröffentlicht wird?

Hier muss man unterscheiden: Hält das Produkt die gesetzlichen Vorschriften ein oder nicht? Bei Produkten, die bei uns schlecht abschneiden, die aber den gesetzlichen Bestimmungen entsprechen, müssen Sie auf die Kulanz des Herstellers vertrauen. Einen Anspruch auf Rücknahme haben Sie in diesen Fällen nicht. Anders, wenn das Produkt gesetzliche Vorgaben nicht einhält. Dann können Sie es an den Hersteller zurückgeben oder ins Geschäft zurückbringen.

Lassen sich Schadstoffe rauswaschen?

Kann man denn hoffen, dass die meisten Schadstoffe innerhalb kurzer Zeit verfliegen bzw. sich rauswaschen lassen?

Die gefundenen Schadstoffbelastungen müssen nicht akut gefährlich sein. Aber auch kleine Belastungen können sich summieren – bis irgendwann der Punkt erreicht ist, an dem der eine Tropfen das Fass zum Überlaufen bringt. Gerade bei Textilien lässt sich sicherlich vieles herauswaschen. Andererseits verfliegt aber nicht jeder Schadstoff innerhalb kurzer Zeit, sondern dünstet über längere Zeit aus. 

Welche Möglichkeiten hat man, Schadstoffe bereits gekaufter Produkte loszuwerden?

Belastete gegen unbelastete Griffe zu tauschen, zum Beispiel bei Kinderfahrrädern oder -laufrädern, ist eine Möglichkeit, die auch machbar ist. Schwieriger wird es bei anderer Ausstattung, bei der sich nicht einfach einzelne Komponenten ersetzen lassen. Schon vor dem Kauf lohnt es sich, an den Produkten zu riechen: Stinken Gummi- oder Plastikteile, dann Finger weg davon!

Welchen Schaden Schadstoffe bei Kindern anrichten können

Wie schädlich sind solche Schadstoffe für Babys und Kinder denn überhaupt?

Bei der Aufnahme über den Mund spielt zunächst das Verschlucken eine große Rolle. An verschluckbaren Kleinteilen, die sich zum Beispiel von einem Spielzeug abgelöst haben, können Kinder ersticken. Was die Schadstoffaufnahme betrifft: Wenn die Kleinen an schadstoffbelasteten Griffen nagen und Teile davon in den Magen gelangen, kann man davon ausgehen, dass mehr von diesem Schadstoff in den Körper gelangt, als wenn sie nur Hautkontakt haben. Nicht nur der Weg der Aufnahme spielt eine Rolle, sondern auch die Art des Schadstoffs: Handelt es sich um hormonell wirksame Weichmacher aus Kunststoffen, flüchtige organische Verbindungen, allergieauslösende Farbstoffe oder Konservierungsmittel, potenziell krebserregende polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK)? Die von uns gefundenen Mengen sind häufig gering und nicht akut giftig – aber sie sind da. Und über die langfristigen Folgen ist wenig bis gar nichts bekannt. Gleiches gilt im Prinzip auch für Erwachsene – nur dass der kindliche Organismus, insbesondere wenn es sich um Babys und Kleinkinder handelt, viel empfindlicher reagiert. 

Erstausstattung lieber gebraucht kaufen

Haben Sie noch einen weiteren Tipp für Eltern?

Auch wenn es sich nicht immer vermeiden lässt, sollten Eltern immer darauf achten, dass ihr Nachwuchs keine Sachen in den Mund nimmt, die nicht dafür gedacht sind. Erstausstattung muss nicht nagelneu sein. Das ist nicht nur billiger, sondern oft sogar besser, weil Secondhandsachen unter Umständen weniger mit Schadstoffen belastet sind als Neuware. Denn Textilien haben dann schon mehrere Wäschen hinter sich, und die Produkte wurden bereits lange Zeit gelüftet. Außerdem sparen Sie wertvolle Ressourcen, was Ihren ökologischen Fußabdruck verbessert.