
"Ich möchte der erste Mensch sein, in dessen Augen mein Baby blickt": Eigentlich ein wunderschöner Grund, um sich für eine selbstbestimmte Alleingeburt zu entscheiden. Es gibt natürlich noch einige andere Gründe, die immer mehr deutsche Frauen überzeugen. Eine Alleingeburt ist immer eine bewusste Entscheidung. Eine Entscheidung gegen jegliche Hilfe. Für ein intensives Erlebnis. Und für mehr Selbstbestimmtheit und Freiheit. Doch auch die möglichen Risiken sollten dabei niemals vergessen werden …
Alleingeburt – was ist das?
Wenn Frauen ihr Baby vollkommen ohne Unterstützung (zum Beispiel einer Hebamme oder eines Arztes) zur Welt bringen, so handelt es sich um eine sogenannte Alleingeburt. Diese findet in der Regel zu Hause statt. Dabei anwesend sind häufig noch der Partner oder die Partnerin sowie eventuelle Geschwisterkinder. Manchmal ist auch eine freie Doula anwesend. Doch es gibt auch Frauen, die die Geburt ganz allein durchleben wollen. Die Alleingeburt grenzt sich damit noch erheblich von einer Hausgeburt oder einer Entbindung im Geburtshaus ab.
Übrigens muss eine Alleingeburt nicht unbedingt zu Hause stattfinden. Es gibt auch Frauen, die sich bewusst für eine Geburt draußen in der Natur (zum Beispiel am Strand oder im Wald) entscheiden. Zu bedenken ist allerdings der niedrige Hygiene- und Komfortstandard in der Natur.
So läuft eine Alleingeburt ab
Der Ablauf einer Vorzeige-Alleingeburt ist schnell beschrieben: Wenn die Wehen einsetzen, sich immer mehr steigern und zu Presswehen auftürmen, bekommt die Frau ihr Baby ohne Hilfe oder medizinische Intervention. Ist das Baby auf der Welt, so kommt nach der Entbindung meist die Hebamme dazu und untersucht die Mama und/oder versorgt ihre Geburtsverletzungen. Auch die U1-Untersuchung steht dann an.
Häufig entscheiden sich Frauen für eine Alleingeburt in der heimischen Badewanne oder in einem speziellen Geburtsbecken, das zu Hause aufgestellt wurde. Aber im Prinzip ist jede Stellung und jeder Ort denkbar, solange sich die Schwangere damit wohlfühlt – und sich das Baby beim Verlassen des Geburtskanals nicht in Gefahr befindet.
Welche Frauen dürfen KEINE Alleingeburt haben?
Frauen in einer Risikoschwangerschaft sollten auf eine Alleingeburt verzichten. Die Gefahr, dass die Mutter und (das ungeborene) Kind Schaden nehmen, ist einfach viel zu groß. Auch wenn die Schwangerschaft vorher kein Zuckerschlecken war und von leichteren oder schwereren Schwangerschaftsbeschwerden (Schwangerschaftsvergiftung oder -diabetes) geprägt war, ist eine Alleingeburt womöglich keine gute Idee.
Außerdem sollten Schwangere, die einen noch so kleinen Zweifel haben, sich lieber gegen die Alleingeburt entscheiden. Denn das A und O einer Alleingeburt ist und bleibt die persönliche Einstellung. Ihr solltet unbedingt zu 100 Prozent von diesem Modell der Entbindung überzeugt sein – und euch damit wohlfühlen. Wenn das nicht so ist, kommen eventuell eine Hausgeburt oder eine Entbindung im Geburtshaus für euch infrage. Denn, ja, schon die kleinsten Zweifel können zu einem Geburtsstillstand führen – und eventuell den Krankenhausaufenthalt doch erfordern.
Alleingeburt: Diese Risiken sind zu bedenken
Entscheidet ihr euch bewusst für eine Alleingeburt, seid euch auch über die möglichen Gefahren im Klaren. Bereitet euch darauf vor und setzt euch mit den häufig sehr unschönen Risikofaktoren auseinander (beispielsweise im Netz, über eure Hebamme oder in speziellen Interessengruppen). Denn sollte doch etwas passieren, seid ihr – so verrät es eben auch schon der Name – alleine. Es ist kein medizinisches Fachpersonal vor Ort und ihr seid auf euch gestellt. Seid euch über die folgenden Punkte im Klaren:
- Bei einer Alleingeburt gibt es keine medizinische Betreuung.
- Auch wenn die Schwangerschaft unproblematisch abgelaufen ist, kann es unter der Geburt zu Komplikationen oder medizinischen Notfällen kommen.
- Kommt es während einer Alleingeburt zu Komplikationen, so benötigen die werdenden Eltern noch (wertvolle) Zeit, um ins Krankenhaus zu gelangen – und diese noch so wenigen Minuten können in Notfällen lebensbedrohlich für Mutter und Kind werden (zum Beispiel, wenn die Mutter zu viel Blut verliert, sich die Herztöne des Kindes verschlechtern, sich die Nabelschnur um den Hals des Ungeborenen wickelt oder das Baby im Geburtsgang steckenbleibt).
Welche Vorteile hat eine Alleingeburt?
Besteht der Wunsch nach einer Alleingeburt, so haben die Vorteile wohl vollends überzeugen können. Bekommt eine Frau ihr Kind ganz alleine – und womöglich noch im Einklang mit Mutter Natur – so kann dies für sie zu einem extrem intensiven Erlebnis werden. Aber aus einer Alleingeburt können sich noch mehr Vorteile ergeben:
- Eine selbstbestimmte und natürliche Geburt wird ermöglicht.
- Verstärkung der Bindung zwischen Kind(ern) und Eltern
- Intensive, stärkende Erfahrung
- Angst vor dem (medizinischen) Eingreifen Fremder? In der Vergangenheit erlebte negative Assoziationen, traumatisches Erlebnisse oder Erfahrungen mit ärztlichem Fachpersonal oder Hebammen können ausgeblendet werden.
Die Beweggründe einer Frau für eine Alleingeburt sind immer sehr individuell und können demnach auch von dieser Liste abweichen.
Alleingeburt: Ein neuer Trend?
Zwar ist die Alleingeburt in den letzten Jahren immer mehr Gesprächsthema geworden (nicht zuletzt aufgrund zahlreicher medialer Berichterstattungen), doch die meisten Frauen staunen eher (noch) darüber, anstatt sich wirklich dafür zu entscheiden. Das Thema polarisiert und macht auf Social-Media-Plattformen wie Instagram oder Facebook schnell die Runde. Auch wenn viel darüber gesprochen wird, so sagen die Zahlen etwas anderes aus. Geplante Alleingeburten kommen in Deutschland noch eher selten vor. Zwar gibt es keine offiziell statistisch erfassten Daten dazu, dafür aber ein paar inoffizielle, an denen man sich orientieren kann (zum Beispiel diese hier). Sie zeigen, dass es durchaus einen leichten Anstieg der Alleingeburten in den letzten Jahren gab (2012: 12 erfasste Alleingeburten, 2020: 186 erfasste Alleingeburten). Doch von einem Trend kann man deshalb noch nicht sprechen.
Hier erzählt Hebamme Yasmin Einblick in das Geschehen einer Alleingeburt – aus ihrer Perspektive. Sie kam immerhin erst nach der Geburt dazu:
Rechtliches: Ist die Alleingeburt offiziell erlaubt?
Kennt ihr schon das "geburtliche Selbstbestimmungsrecht"? Demnach haben in Deutschland lebende Personen das Recht, den Geburtsort und auch die Geburtsweise selbst zu bestimmen. Aber: Es gibt Ausnahmen. Denn die Entscheidung der Schwangeren betrifft immerhin nicht nur sie selbst, sondern auch Dritte (zum Beispiel das ungeborene Kind oder medizinisches Fachpersonal). Der Staat hat eine Schutzpflicht gegenüber diesen Personen (besonders dem Kind gegenüber) zu erfüllen. Ein entsprechendes Urteil des Bundesverfassungsgerichts lautete:
"Das Lebensrecht des Ungeborenen darf nicht, wenn auch nur für eine begrenzte Zeit, der freien, rechtlich nicht gebundenen Entscheidung eines Dritten, und sei es selbst der Mutter, überantwortet werden.“ (BVerfG, Urteil vom 28. Mai 1993 – 2 BvF 2/90, BVerfG, Urteil vom 25. Februar 1975– 1 BvF 1/74)."
Das heißt: Die Mutter kann sich strafbar machen, wenn durch ihre Entscheidung beziehungsweise ihr Handeln das Recht auf Leben oder das Recht auf körperliche Unversehrtheit Dritter (des Kindes) bedroht ist. Mehr zum Thema lest ihr hier, bei der "Deutschen Hebammen Zeitschrift".