Geburt einleiten

Geburtseinleitung mit Cytotec – Teufelszeug oder Hysterie?

Ein Aufschrei geht durch die Medien und Geburtshelfern wird vorgeworfen, Frauen absichtlich zu gefährden. Ein Statement der Hebamme Franziska Luck zum Thema Geburtseinleitung mit Cytotec.

Es wird heiß diskutiert: Schadet Cytotec bei der Geburtseinleitung dem Baby?© Foto: Getty Images/Javier Valenzuela/EyeEM
Es wird heiß diskutiert: Schadet Cytotec bei der Geburtseinleitung dem Baby?

Off-Label-Use von Cytotec bei der Geburt

Anfang 2020 ging ein Aufschrei durch die sozialen Medien: Die medikamentöse Einleitung der Geburt wurde plötzlich heiß diskutiert. Genauer gesagt ging es um das Medikament Cytotec.

Dieses wird zweckentfremdet für die Einleitung von Geburtswehen verwendet. Eigentlich ist Cytotec ein Medikament, das für die Behandlung und Prophylaxe von Magengeschwüren entwickelt wurde. Seit knapp zwei Jahrzehnten werden mit dem "Off-Label-Use" oder Off-Label-Einsatz von Cytotec Geburten eingeleitet. Hier macht man sich die wehenfördernden Eigenschaften des Medikaments zunutze.

Off-Label-Use bedeutet, dass das Medikament für einen anderen Zweck genutzt wird als für den, für den es zugelassen ist. Hört sich dramatisch und gefährlich an, ist es aber grundsätzlich absolut nicht. Denn dies ist in der Medizin gang und gäbe. Ein großes Feld stellt hier zum Beispiel die Kinderheilkunde dar, in der es in vielen Bereichen zu Off-Label-Use kommt. Dies liegt an den Pharmaunternehmen und hat meist wirtschaftliche Gründe. Denn es ist sehr teuer, Medikamente erneut mit erweitertem Wirkspektrum zuzulassen.

Nebenwirkungen von Cytotec

Jede Frau, die zur Einleitung der Geburt Cytotec bekommen soll, wird über die Risiken aufgeklärt. Zusätzlich unterschreibt sie eine Einverständniserklärung, bevor sie die erste Tablette einnimmt. Natürlich kann es – wie bei jedem Medikament – zu Nebenwirkungen und unerwünschte Effekten kommen. Geburten sind sehr komplex und verlaufen – ob mit oder ohne Einleitung – selten nach Plan.

Alternativen zu Cytotec?

Die positiven Erfahrungen mit Cytotec sind hoch, denn sonst hätte sich dieses Medikament im letzten Jahrzehnt nicht im Kreißsaal etabliert. Die frühere vaginale Verabreichung des Hormons Prostaglandin konnte nun durch die Tabletteneinnahme deutlich angenehmer für die Schwangeren gestaltet werden. Deshalb verwenden weit mehr als die Hälfte aller Klinken in Deutschland Cytotec zur Einleitung.

Die Nebenwirkungen, die durch zu viel Prostaglandin entstehen können, sind absolut keine neue Erkenntnis und allseits unter Fachleuten bekannt und gefürchtet. Die Risiken bestehen sowohl bei der Verabreichung von Cytotec als auch beim Vorreiter, dem Prostaglandin-Gel. Das Problem: Es gibt keine wirklichen Alternativen für die medikamentöse Einleitung. Und diese Mittel – auch das für die Geburtshilfe zugelassene Gel – haben ähnliche Risiken wie beispielsweise: Wehensturm (zu viele Wehen mit wenig bis keinen Pausen), eine Uterusruptur (Aufreißen der Gebärmutter) sowie Stresssituation beim Baby.

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Jeder wünscht sich ein gesundes Baby – auch die Geburtshelfer.

Alles halb so wild?

Ich – als Hebamme und selbst Mutter – verstehe natürlich, dass Frauen sich Sorgen machen, wenn sie nun diese teils einseitigen und negativen Berichte über Cytotec lesen. Ja, es gibt schreckliche Schicksalsschläge, die während einer Geburt geschehen können, sowohl mit als auch ohne Einleitung. Diese treten aber glücklicherweise wirklich selten auf, auch wenn es teilweise aktuell anders dargestellt wird.

Heutzutage wiegen wir uns in falscher Sicherheit durch die fortschrittliche Medizin. Diese kann und wird leider nie alle Unglücke vermeiden können. Studien zeigen immer wieder: Je mehr wir in den empfindlichen Prozess Geburt eingreifen, desto wahrscheinlicher ist es, dass es zu unterwünschten Ereignissen kommt. Hier liegt nämlich auch das Problem: Ein Drittel der Geburten in Deutschland wird künstlich eingeleitet. Dass so viele – manchmal auch unnötige – Einleitungen zu selbstproduzierten Problemen führen, ist somit eine Tatsache.

Ich verstehe die Panikmache nicht. Diese verunsichert nur in hohem Maße und lässt Geburtshelfer als Verbrecher dastehen. Es wird nie das perfekte Medikament ohne Nebenwirkungen oder unerwünschte Begleiterscheinungen geben. Vielmehr sollte man hinterfragen, wie stark man in den Ablauf der Geburt eingreifen sollte, wenn es keine medizinische Notwendigkeit gibt. Bei uns in Deutschland ist und bleibt eine Geburt – ob eingeleitet oder nicht – sehr sicher. Hebammen und Ärzte wollen nur das Beste für Mutter und Kind, das ist – im Gegensatz zu dem angeblichen Skandal –  eine Tatsache.

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