Fotoprojekt

"Ich möchte Langzeitstillen zeigen, sichtbar und gesellschaftsfähig machen"

Paula Janka hat ein wunderschönes und vor allem authentisches Fotoprojekt ins Leben gerufen: Sie portraitiert Frauen, die länger stillen – auch jenseits der vermeintlichen Norm.

Eine Mutter und ihr Kleinkind lachen beim Stillen© Paula Janka Photographie/www.paulajanka.de
Spaß beim Stillen: Diese Bilder von Langzeitstillenden spiegeln alle Emotionen. 

An diesen großartigen Bildern der Fotografin Paula Janka konnten wir einfach nicht vorbeiscrollen. Sie zeigen das Stillen in den verschiedensten Facetten: lustig, liebevoll, lebendig ... und manchmal eben auch etwas länger als "normal". Aber was ist schon "normal"? 

Wir freuen uns, einen Teil dieses außergewöhnlichen Fotoprojekts hier zeigen und Paula einige Fragen stellen zu dürfen. 

Ich plädiere für eine offenere Welt, in der jede zu sich stehen kann und darüber entscheidet, ob und wie lange sie stillt, ohne sich rechtfertigen zu müssen.

Paula Janka, Dokumentarische Geburts- und Familienphotographin

Wie bist du zu diesem Projekt gekommen, liebe Paula?

Ich bin seit bald 14 Jahren Mama und bin immer wieder erstaunt, wie persönliche Entscheidungen im Umgang mit dem Kind von außen ungefragt kommentiert werden. Ich habe das Gefühl, dass Elternschaft in vielerlei Hinsicht dazu verleitet, bewertet zu werden. Die Windelfrage, der Umgang mit einem Schnuller, Zucker ja oder nein und wenn ja, ab wann Betreuung und durch wen, Tagesmutter oder Kindergarten ... Und natürlich die Frage, ob und wie lange gestillt wird. 

Mein erstes Kind habe ich nur wenige Wochen gestillt. Die Möglichkeit der Flasche war damals für uns beide die Rettung. Beim zweiten Kind war ich offen für neue Erfahrungen, wollte das Stillen probieren, wusste aber, dass ich auch auf die Flasche zurückgreifen kann. Mit einer tollen Unterstützung meiner Hebamme ist es uns gelungen zu stillen. Ich hatte mir nicht explizit vorgenommen, lange zu stillen, aber ich habe gemerkt, dass mein Kind es wünscht und dass es davon profitiert: Ob es der Körperkontakt war, der Durst, die Exklusivzeit mit mir oder einfach nur der Trost – die Brust konnte Abhilfe schaffen.

Fragende und verunsicherte Blicke ruhten jedes Mal auf mir, wenn ich mein laufendes und sprechendes Kind an die Brust ließ. Anfeindungen habe ich, im Gegensatz zu anderen, zum Glück nie erfahren, aber einige Bemerkungen ließen darauf schließen, dass das, was wir machten, ungewöhnlich sei. 

Die Idee für das Projekt entstand spontan während der Reportage einer Familie. Wir waren im Wald spazieren als Mio, der schon sicher selbstständig lief, an die Brust wollte. Als dokumentarische Familienphotographin begleite ich Familien in ihrem Leben und halte fest, was ich mit ihnen erlebe: Gesten und Berührungen, die ausgetauscht werden, Momente, die von selber entstehen, Emotionen, Situationskomik, kurz: So wie die Familie ist. Ich habe kein Drehbuch, keine fertigen Bilder im Kopf, sondern lasse mich auf die Familie ein. Und so fotografierte ich auch den Stillmoment von Mio im Wald und die Idee war geboren.

Ich möchte das Langzeitstillen zeigen, sichtbar und gesellschaftsfähig machen – nicht, weil ich denke, dass es der einzig richtige Weg ist, sondern, weil es ein Weg ist. Die Entscheidung darüber ist persönlich und hängt von vielen Faktoren ab, auch von der Gesundheit von Mama und Kind. 

Längst wird das Stillen über das zweite Lebensjahr hinaus befürwortet (z. B. von der American Academy of Pediatrics, der größten Vereinigung von Kinderärzten:innen in den USA, und UNICEF). Trotzdem werden Mütter, die länger als zwölf Monate stillen, sozial verurteilt. Das Fotoprojekt möchte das sogenannte Langzeitstillen sichtbar machen und Stigmatisierung durch Aufklärung und Vermittlung von Wissen abbauen.

Ist es aus deiner Sicht mittlerweile gesellschaftlich akzeptierter, lange zu stillen, oder beherrschen immer noch Vorurteile und Tabus das Thema?

Alle Familien, die ich bis jetzt fotografiert habe, nehmen in ihrem Umkreis eine Sonderposition ein. Vorgestern habe ich zum Beispiel eine langzeitstillende Ärztin fotografiert, die aufgrund des (Langzeit-)Stillens keine Schichtdienste übernehmen darf. Im Gespräch mit der Betriebsrätin, die insgesamt vier Krankenhäuser betreut, stellte sich heraus, dass sie diesen Fall noch nie hatte. Was ich auch immer wieder zu hören bekomme, ist, dass langzeitstillende Mütter den Eindruck haben, dass sie weit und breit die einzigen sind, die ihr Kind so lange stillen. 

Wie findest du zu den Familien, den Frauen, die sich von dir fotografieren lassen?

Ich treffe auf viele Menschen, die sich angesprochen und durch das Fotoprojekt gesehen fühlen und deshalb davon (weiter-)erzählen. Auch Hebammen und Stillberaterinnen haben schon am Projekt teilgenommen und tragen aus Überzeugung die Informationen weiter.

Nicht zuletzt helfen mir die sozialen Medien wie zum Beispiel Instagram, wo man mich ganz unkompliziert kontaktieren kann. Ich suche fortlaufend interessante Familien für das Projekt. 

Was war das Schönste, das du durch dein Projekt erleben durftest? 

Es gibt viele schöne Momente. Da ich einen persönlichen Zugang zum Thema habe und damit eine von ihnen bin, wird mir viel Vertrauen entgegengebracht, was mich sehr dankbar macht. Eine besonders schöne Geschichte war, dass die Mutter einer teilnehmenden Mutter beim Betrachten der Bilder zugegeben hat, dass sie damals eigentlich nur deshalb abgestillt hätte, weil es alle so getan haben. Wenn sie nun aber die Bilder sähe und ihre Tochter erlebe, die aktuell Tandem stillt, das heißt, ein zweijähriges Kind und ein neugeborenes Baby gleichzeitig, muss sie zugeben, dass sie eigentlich auch gern länger gestillt hätte.

Über Paula Janka:
Paula Janka

Paula Janka ist dokumentarische Geburts- und Familienfotografin aus Dortmund und für diese wunderschönen Bilder verantwortlich. Mehr über Paula und ihre Projekte: paulajanka.de und @paulajankaphotographie