
Eigentlich passt sich die Milchmenge beim Stillen dem Bedarf eures Babys an. Eigentlich! Es kann immer mal wieder Situationen geben, in denen ihr zu viel Milch produziert oder euer Baby vielleicht gar nicht oder nicht so viel trinken mag. Der Mensch ist nun einmal keine Maschine. Und für gewöhnlich braucht euer Körper ein paar Tage, um die Milchmenge den neuen Bedürfnissen anzupassen. Wir zeigen euch unterschiedliche Situationen, in denen das Ausstreichen der Brust sinnvoll sein kann.
Brust ausstreichen, um die Vormilch aufzufangen
Schon kurz nach der Geburt kann es hilfreich sein, diese Methode anzuwenden. Manche Babys, gerade Frühchen, sind anfangs oft zu schwach, um richtig an Mamas Brust zu trinken. Doch in der Vormilch, dem sogenannten Kolostrum, stecken viele Antikörper, die für das Immunsystem des Neugeborenen immens wichtig sind. Daher kann es sein, dass eine Hebamme oder eine Krankenschwester euch im Krankenhaus zeigt, wie ihr die Erstmilch mit der Hand ausstreichen könnt. Für gewöhnlich passiert das in den ersten 24 bis 48 Stunden nach der Geburt. Die gelbliche Flüssigkeit hat noch nicht viel mit Muttermilch gemein – es sind eher ein paar zähflüssige Tropfen, die mit einer Einmalspritze von der Brustwarze abgenommen und dem Baby in den Mund verabreicht werden, wenn das Baby zu schwach zum Saugen ist.
Die Milchbildung durchs Ausstreichen anregen
Gerade zu Beginn ist das Stillen nicht immer leicht. Wenn euer Baby Probleme beim Saugen oder Trinken hat, kann es helfen, wenn ihr die Brust vor dem Anlegen so lange massiert, bis der Milchspendereflex ausgelöst wird. So erleichtert ihr eurem Baby das Stillen. Soll die Milchbildung dauerhaft angeregt beziehungsweise die Milchmenge gesteigert werden, ist eine Milchpumpe allerdings besser geeignet als das Ausstreichen mit der Hand. Dafür solltet ihr tagsüber am besten alle zwei bis drei Stunden Milch abpumpen, nachts können die Pump-Pausen verlängert werden. Am besten sprecht ihr mit eurer Hebamme über die für euch passenden Intervalle und ob ihr euch über die Krankenkasse eine elektrische Milchpumpe ausleihen könnt. Diese gibt es in der Regel nur über ein Rezept vom Frauenarzt.
Brust ausstreichen – erste Hilfe bei einem Milchstau
Stillen läuft nicht immer nach Plan. Es gibt Tage, da hat das Baby weniger Durst, ist krank oder schläft plötzlich mal mehrere Stunden am Stück durch (juhu!). Vielleicht muss die Mama aber auch Medikamente nehmen, die in die Muttermilch übergehen, oder ist beruflich länger als gewöhnlich von ihrem Baby getrennt. In solchen Momenten kann es leider schnell passieren, dass sich in der Brust zu viel Milch ansammelt, gerade bei Müttern, die ohnehin eher zu viel Milch produzieren. Das Ausstreichen der Brust kann jetzt helfen, das Druckgefühl zu mindern. So lassen sich ein Milchstau oder eine Brustentzündung (Mastitis) vermeiden. Sollte es dennoch mal zu einem Milchstau kommen, könnt ihr mit dem C-Griff (siehe unten) ganz gezielt die Milchkanäle- oder Drüsen ausstreichen, in denen sich zu viel Milch angesammelt hat. Ihr könnt natürlich auch Milch abpumpen. Aber bitte nur so lange, bis die größte Spannung verschwunden ist. Ansonsten würdet ihr die Milchbildung nur noch mehr anregen.
Milch ausstreichen als Unterstützung beim Abstillen
Auch beim Abstillen kann das Ausstreichen vor einem Milchstau bewahren. Sobald sich ein Spannungsgefühl zeigt, solltet ihr die Brust sanft ausstreichen, aber nicht völlig entleeren. Wenn ihr euer Baby zu Beginn des Abstillens nur noch seltener anlegt, kann es passieren, dass die Brust so voll ist, dass euer Kind Schwierigkeiten beim Trinken hat, weil es die Brustwarze nicht richtig fassen kann. Streicht erst ein wenig Milch aus und legt euer Baby dann erneut an.
Milch ausstreichen – wie funktioniert das Entleeren der Brust mit der Hand?
- Zuerst solltet ihr euch die Hände waschen, damit die Muttermilch nicht mit Keimen oder Bakterien in Berührung kommt.
- Legt euch ein paar warme Kompressen oder ein Kirschkernkissen auf die Brust, die ihr entleeren wollt. So wird die Durchblutung verbessert und der Milchspendereflex angeregt. Auch eine warme Dusche funktioniert sehr gut.
- Nun geht die Massage los: Dafür streicht ihr mit kreisenden Bewegungen um die Brust herum. Nehmt dafür eure Handflächen, nicht nur die Finger. Achte auch darauf, dass ihr die ganze Brust massiert, also nah an den Brustwarzen, aber auch ganz außen. So wird das tiefliegende Gewebe des Busens angeregt und die Milchkanäle geöffnet.
- Nun umgreift ihr eure Brustwarze mit Daumen und Zeigefinger, sodass sie ein "C" formen. Der Daumen liegt dabei etwa 2 bis 3 Zentimeter über der Brustwarze, der Zeigefinger im gleichen Abstand darunter. Die andere Hand stützt die Brust von unten.
- Jetzt schiebt ihr beide Finger in Richtung Brustkorb (also in Richtung Körper) und drückt sie dabei ganz leicht zusammen. Ganz wichtig: Finger und Daumen bleiben die ganze Zeit im "C-Griff" an der gleichen Stelle um die Brustwarze herum. Der Begriff "ausstreichen" ist an dieser Stelle ein wenig irreführend, denn ihr sollt mit den Fingern nicht über die Brust streichen. Technisch gesehen müsste es eher "Brust ausdrücken" heißen. Dennoch sollte die Brust nie gequetscht oder stark gezogen werden. Das Ausstreichen der Milch sollte nie mit Schmerzen verbunden sein.
- Mit rhythmischen Bewegungen wiederholt ihr das Zusammendrücken der Brustwarze – die Milch beginnt nun zu fließen. Wenn der Milchfluss weniger wird, sind die Brustdrüsen an dieser Stelle entleert. Ändert die Position eurer Finger im "C-Griff", um auch die anderen Bereiche der Brust auszustreichen. Hierfür dreht ihr ihr euer Handgelenk ein, sodass ihr den "C-Griff" an einer anderen Stelle der Brustwarze ansetzen könnt.
- Das Ausstreichen einer vollen Brust mit der Hand dauert ca. 20 bis 30 Minuten.
In diesem Video könnt ihr euch die Technik, um Muttermilch auszustreichen, noch einmal genau anschauen:
Was kann ich tun, wenn das Ausstreichen nicht klappt?
Keine Sorge, gerade am Anfang braucht es ein wenig Übung, damit die Milch läuft. Und es kann auch sein, dass es sich zunächst seltsam anfühlt, an den eigenen Brustwarzen "herumzudrücken". Das ist ganz normal. Macht es euch am besten an einem ruhigen Ort gemütlich und schaut euer Baby oder ein Bild von ihm an (wenn es gerade nicht bei euch sein sollte) – das hilft, den Milchspendereflex auszulösen. Sollte das Ausstreichen nicht funktionieren, stresst euch nicht und geht noch einmal einen Schritt zurück. Massiert die Brüste ausreichend mit den Handflächen. Je weicher das Gewebe, desto einfacher kann die Milch fließen. Es kann auch passieren, dass die Milch zwischenzeitlich versiegt. Dann macht ihr am besten eine kleine Pause und beginnt noch einmal von vorne mit der Massage. Wenn ihr mit dem Ausstreichen überhaupt nicht zurechtkommen solltet, könnt ihr auch eure Hebamme oder eine Stillberaterin (z. B. im Krankenhaus oder bei einem Stilltreff) um Hilfe bitten.
Wie kann ich die Milch auffangen?
Bevor ihr mit dem Ausstreichen beginnt, solltet ihr euch sterile, BPA-freie Behälter zur Seite stellen, mit denen ihr die Muttermilch auffangen könnt. Praktisch sind Fläschchen, die ihr anschließend zum Aufbewahren direkt in den Kühlschrank stellen könnt. Hat euer Baby Hunger, braucht ihr die Milch nur noch aufwärmen und könnt sie dann direkt verfüttern. Die Öffnung der Fläschchen haltet ihr am besten ganz nah an die Brustwarze heran und beugt euch dabei leicht nach vorne – die Milch fließt zwar durch die Milchkanäle in Richtung Brustwarze, dort angekommen spritzt sie aber heraus. Das Kolostrum bleibt meistens in Form von kleinen Tröpfchen an der Brustwarze kleben. Diese Vormilch lässt sich am besten in einer Spritze aufziehen – so geht nichts verloren. Wenn ihr zu viel Milch habt und diese gar nicht auffangen wollt, ist es am einfachsten, die Brust unter der Dusche auszustreichen.
Brust ausstreichen oder abpumpen?
Diese Frage lässt sich anhand eurer individuellen Situation beantworten. Grundsätzlich lässt sich sagen, dass ihr mit einer Milchpumpe schnell und effizient die Brust entleeren könnt. Wenn ihr also häufig Milch auf Vorrat brauchen solltet oder Stillprobleme die Stillbeziehung erschweren, macht es Sinn, eine Milchpumpe zu verwenden. Bei einem Milchstau und empfindlichen oder gar entzündeten Brustwarzen finden Mütter es häufig angenehmer, die Brust per Hand zu entleeren. Außerdem wird auf diese Weise die Milchbildung nicht noch zusätzlich angeregt.