Negative Erfahrung

Zweifache Mutter: "Ich bereue es, dass ich meiner Stillberaterin blind vertraut habe"

Viele Mütter vertrauen nahezu blind auf die Ratschläge ihrer Stillberaterin. Doch was ist, wenn diese Tipps so ganz und gar nicht das Beste fürs Baby sind? Woran Frauen erkennen, dass sie wirklich in kompetenten Händen sind ...

Mutter hält ihr Baby im Arm.© iStock/Halfpoint
Viele Mütter suchen in den ersten Monaten Hilfe bei einer Stillberaterin. 

Endlich Frühling. Ich sitze bei einer Freundin im Garten, alle Kinder schlafen, um uns herum zwitschern ein paar Vögel. Ein beinahe meditativer Zustand. Bis sie einen Satz sagt, der mich wieder munter werden lässt: "Ich habe meiner Stillberaterin klipp und klar gesagt, dass ich ihre Dienste nie wieder in Anspruch nehmen werde." Moment mal, der Stillberaterin? Einer Vertreterin dieses beinahe heiligen Berufsstands, deren Tipps gefühlt unantastbar sind? Was war da denn los?

Es stellt sich heraus, dass meine Freundin wegen Schmerzen beim Stillen Rat gesucht hatte. Die erste Antwort der Expertin, der sie bisher vollauf vertraut hatte, lautete: "Das Kind ist doch schon neun Monate. Stillen Sie doch einfach ab." Ja, das wäre zugegebenermaßen eine Möglichkeit. Für diesen Tipp möchte man aber nicht unbedingt 80 Euro pro Stunde bezahlen.

Das Gespräch wurde dann noch doller. Als die Stillberaterin erfuhr, dass der gerade zweijährige Sohn meiner Freundin noch Pre-Milch vorm Einschlafen bekommt, war sie schier entsetzt. "Ich habe erwidert, dass sogar die WHO Stillen oder die Gabe von Pre-Milch bis mindestens zum zweiten Geburtstag empfiehlt, aber sie hat nur darüber gelacht." Schon merkwürdig. Müssten sich Stillberaterinnen nicht an den Leitlinien der Weltgesundheitsorganisation orientieren? Diese offenbar nicht.

Stillberaterinnen sind oft die einzige Ansprechperson

Die Stimmung kippte dann vollends, als es um das Thema Schlaf ging. "Ich habe erwähnt, dass die Einschlafbegleitung bei unserem Sohn oft eine Stunde dauern würde, weil er noch so viele Bücher lesen will. Daraufhin meinte sie, wir würden ihn verwöhnen. Wir sollten beide Kinder ins Bett legen und die Tür schließen. Dann würden sie zwar sicher weinen, aber irgendwann würden sie schon 'aufgeben'." Bitte was?!

Diese Art von "Schlaf-Training" ist schließlich mindestens umstritten. In ihrem Buch "Schlaf gut, Baby" weisen Kinderarzt Herbert Renz-Polster und Autorin Nora Imlau darauf hin, was mit Kindern durch eine solche Methode passiert: "Sie verfallen in das, was Biologen als Schutzstarre bezeichnen: Wer weder durch Kämpfen noch durch Fliehen weiterkommt, tut gut daran, Energie zu sparen. Und wer gelernt hat, dass sowieso keine Hilfe kommt, sollte nicht auch noch Raubtiere auf sich aufmerksam machen. Dass das Kind ruhig ist, heißt also noch lange nicht, dass es schlafen gelernt hat. Es hat gelernt, nicht zu protestieren."

Klingt ganz schön deprimierend, dass ausgerechnet eine Stillberaterin, die doch eigentlich für Bindung und Nähe steht, so einen (obendrein ungefragten) Tipp gibt.

Aber wenn Mütter ihrer Stillberaterin nicht vertrauen können – wem dann? Schließlich sind Stillberaterinnen und Hebammen für viele junge Mamas so etwas wie ein Leuchtturm, der ihnen in der turbulenten ersten Zeit mit Kind die Richtung weist. Allerdings gilt auch bei diesem Berufsstand: Nicht jeder Rat ist Gold wert. Doch worauf sollten Frauen bei der Wahl ihrer Stillberaterin achten?

So erkennt man schwarze Schafe

Stillberaterin Rüya Kaya weiß: "Als Laie ist es unglaublich schwierig zu erkennen, wenn eine Stillberaterin Tipps gibt, die einfach nicht mehr zeitgemäß sind. Man muss alles glauben, wenn man es nicht besser weiß. Viele Ausbildungsstätten sind auch nicht auf dem neuesten Stand, das erschwert die Situation umso mehr. Auch Ärzte und Hebammen verbreiten nicht zeitgemäße Informationen." Sie rät: "Immer nach Zertifikaten oder einer Rechnung verlangen. Denn ohne Ausbildung kann man kein Gewerbe anmelden und somit keine Rechnung ausstellen."

Auch bei Social Media lohnt es sich, genau hinzuschauen. "Es gibt unzählige Instagram-Profile, die Müttern zu diesen Themen viele Informationen zur Verfügung stellen. Die meisten davon machen das hobbymäßig und haben keine einschlägige Ausbildung. Hier muss man sehr vorsichtig sein."

Aufs Bauchgefühl vertrauen

Wichtig sei auch, dass die Chemie zwischen Mama und Stillberaterin stimme. "Stillen ist etwas sehr Intimes und unglaublich wichtig für viele Mütter. Sie verbinden damit das Muttersein und sind sehr angeschlagen, wenn es nicht klappt. Das eine hat mit dem anderen wenig zu tun, und als Stillberaterin muss man oft auch der Mutter helfen, wieder Vertrauen in ihren Körper zu gewinnen. Wenn man keinen Draht zur Mama hat, wird das sehr schwierig", sagt Rüya.

Ihr Tipp: "Auf das Mama-Gefühl vertrauen. Wenn sich etwas falsch anfühlt, ist es das sehr wahrscheinlich auch. Die beste Expertin für das eigene Baby ist immer noch die Mutter."

Welche Ausbildung braucht eine Stillberaterin?

Stillberaterin Rüya Kaya erklärt: "Es gibt verschiedene Anbieter, die eine Ausbildung anbieten. Aufgrund der hohen Nachfrage in den letzten Jahren wurden die Zulassungsvoraussetzungen verschärft. Bei den meisten seriösen Anbietern ist ein medizinischer Beruf eine Voraussetzung. Es gibt auch Anbieter wie die AFS (Arbeitsgemeinschaft Freier Stillgruppen) oder LLL (La Leche Liga), welche nur Stillerfahrung als Voraussetzung anführen, jedoch dürfen diese dann nur ehrenamtlich arbeiten. Man muss sich also sehr genau damit auseinandersetzen, bevor man die Ausbildung beginnt."

In diesen Bereichen unterstützt die Stillberaterin:

  • Milchstau
  • richtiges Anlegen
  • wunde Brustwarzen
  • Ausschleichen des Zufütterns
  • Abstillen
  • Stillen im Wochenbett
  • Ernährung in der Stillzeit
  • Milchmenge steigern

Eingriffe direkt am Körper der Mutter, wie beispielsweise das Eröffnen eines Milchbläschens, oder Auskunft über Medikamente dürfen nur IBCLC-Stillberaterinnen geben. Diese haben eine spezielle Ausbildung, die noch mehr in die Tiefe geht. IBCLC steht für "International Board Certified Lactation Consultant". Das ist der international geschützte Titel für examinierte Still- und Laktationsberaterinnen.

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