Eine Mutter stillt ihr Baby draußen in einem Café.© iStock/NoSystem images
Beim Stillen in der Öffentlichkeit fühlen sich nicht alle Mütter wohl – leider! 

Stillen in der Öffentlichkeit polarisiert. Für die einen, meistens Mütter, ist es das Natürlichste der Welt. Und häufig auch reine Notwendigkeit. Schließlich lässt sich der Hunger eines kleinen Babys nicht wirklich planen. Für andere hingegen ist es ein Affront. Eine halb entblößte Brust im Café oder Restaurant wird als anstößig empfunden. Nicht selten kommt es zu schiefen Blicken, manchmal sogar zu Anfeindungen.

Eine aktuelle Studie unter rund 500 stillenden Müttern in Deutschland hat ergeben: 61 Prozent der befragten Frauen fühlen sich beim Stillen in der Öffentlichkeit unwohl wegen der unangenehmen Blicke von Menschen um sie herum. 18 Prozent haben sogar schon unfreundliche Kommentare erlebt. Und sage und schreibe 11 Prozent wurden aufgefordert, das Lokal zu verlassen, WEIL sie gestillt haben. Kaum zu fassen! (Quelle: Von Elvie beim Markt- und Meinungsforschungsinstitut YouGov in Auftrag gegebene Studie im April 2024)

Doch diese Diskriminierung wollen immer weniger Frauen hinnehmen. Bei Instagram finden sich mittlerweile rund 87.000 Fotos zum Hashtag #brelfie – eine Zusammensetzung aus "breastfeeding", also stillen, und "selfie". Hier teilen Mütter stolz ihre intimsten Stillmomente mit der ganzen Welt und machen damit deutlich, dass Stillen etwas ganz Natürliches ist. 

Karrierefrau und (stillende) Mutter – leider immer noch nicht selbstverständlich

Auch berufstätigen Frauen wird der Einstieg in den Job nach der Elternzeit nicht gerade leicht gemacht. Im Büro stillen oder abpumpen? Ein absolutes Tabuthema! Dabei gehört auch das Benutzen einer Milchpumpe bei vielen Müttern in den ersten Monaten nach der Geburt schlichtweg zum Alltag dazu. Und so wird die angelegte Milchpumpe in letzter Zeit immer häufiger zum Vorzeige-Accessoire auf Instagram. Promi-Mütter wie das Model Chrissy Teigen, die Schauspielerin Scarlett Johansson oder die Sängerin Pink gehen mit gutem Beispiel voran. Gepumpt wird, wo es gerade passt: Auf dem Weg zur Oscar-Verleihung oder kurz vor Konzertbeginn. Die Bilder landen dann im Netz – die Message dahinter: "Ich bin Karrierefrau. Und ich bin Mama! Natürlich lässt sich beides vereinen." Es ist offensichtlich, dass solche Bilder der Selbstvermarktung dienen. Sie sorgen für reichlich Aufmerksamkeit und werden in der Öffentlichkeit rege diskutiert. Und dennoch ist die Intention dahinter auch lobenswert: Die Promi-Mütter machen so auf die schwierige Lage von Frauen aufmerksam, die versuchen Kind und Karriere unter einen Hut zu bringen. 

Und der Protest zeigt allmählich Wirkung. Die US-amerikanische Investmentbank Goldman Sachs beispielsweise stellt ihren Mitarbeiterinnen nicht nur Milchpumpen und Stillräume zur Verfügung, abgepumpte Muttermilch kann sogar auf Firmenkosten nach Hause geschickt werden. Im Bundesstaat Rhode Island wird jedes Jahr ein Preis an das Unternehmen verliehen, das den "stillfreundlichsten Arbeitsplatz" bietet. Und die ehemalige Premierministerin Neuseelands, Jacinda Ardern, die während ihrer Amtszeit schwanger wurde, durfte ihre kleine Tochter Neve natürlich mit zur Arbeit nehmen. Dafür wurden die Strukturen des Parlaments extra babyfreundlicher gestaltet. Ein Schritt, der weltweit als Symbol für Emanzipation gefeiert wurde. Solche Beispiele machen Mut. Und dennoch muss in vielen Bereichen noch viel getan werden, um Mütter, die arbeiten wollen, nicht zu benachteiligen. 

Und wie sieht es hierzulande aus? Was die wenigsten wissen: Stillende Mütter haben während der Arbeitszeit Anspruch auf Stillzeiten. Sie dürfen sich zwei Mal täglich mindestens eine halbe Stunde zum Stillen oder Abpumpen zurückziehen. Die Stillperiode ist dabei gesetzlich nicht festgelegt. Soll heißen: Auch nach zwölf Monaten Elternzeit darf im Job also auch noch weiter gestillt werden. 

Kein Gesetz zum Schutz stillender Mütter

Beim Stillen in der Öffentlichkeit sieht es leider ein wenig anders aus. Zwar werden Stillverbote von der Antidiskriminierungsstelle des Bundes als Diskriminierung bewertet, ein Gesetz zum Schutz stillender Mütter gibt es aber nicht. Und so gibt es immer wieder Berichte von Mamas, die eines Cafés verwiesen wurden, weil sie ihr Baby angelegt haben. Denn an Orten wie Restaurants, Museen oder auch Einkaufszentren hat der Betreiber ein Hausrecht und darf entscheiden, wen er vor die Tür setzt. Auch die Schauspielerin Nina Bott musste diese Erfahrung machen, als sie vor einigen Jahren ihren damals drei Wochen alten Sohn Lio in einem Café in Hamburg stillen wollte. Der Besitzer habe sie aggressiv und mit halb hochgezogenem T-Shirt rausgeschmissen. Nachdem sie mit diesem Vorfall an die Öffentlichkeit ging, bezeichnete der Café-Betreiber die Sache als Missverständnis. Er habe gedacht, sie wolle nichts mehr bestellen. Solche Beispiele zeigen ganz deutlich, dass ein Gesetz zum Schutz stillender Mütter in Deutschland dringend notwendig ist. 

Vorreiter in dieser Angelegenheit sind z. B. Australien, Großbritannien und die meisten Bundesstaaten der USA: Hier ist öffentliches Stillen ausdrücklich per Gesetz erlaubt. Bleibt zu hoffen, dass die Bundesregierung sich daran ganz bald ein Beispiel nimmt.

Tipps zum Stillen in der Öffentlichkeit

  • Zieh dich zum Stillen am besten an einen möglichst ruhigen Ort zurück. So kannst du dich nicht nur am besten auf dein Baby konzentrieren, es kann auch ungestört trinken, ohne zu sehr abgelenkt zu werden.
  • Viele Kaufhäuser, Einkaufszentren oder Möbelhäuser bieten extra Räume zum Stillen oder Wickeln an. Auch Umkleidekabinen sind sehr beliebt.
  • Wenn es dir unangenehm ist öffentlich zu stillen, kann ein Tuch dich vor neugierigen Blicken schützen. Lege es über deine Brust und das Baby.
  • Lass dich von komischen Blicken nicht entmutigen! In Zeitschrift und Filmen wird so viel nackte Haut gezeigt. Du tust nichts Verbotenes! Ganz im Gegenteil: Du gibst deinem Baby die Muttermilch und Liebe, die es braucht.
  • Übung macht den Meister: Je häufiger du dein Baby an der Brust trinken lässt, desto geschickter werdet ihr. Und irgendwann lässt sich kaum noch erkennen, ob du dein Baby gerade angelegt hast oder ob es in deinem Arm schläft.
  • Wenn es dir hilft, kannst du auch vor dem Spiegel oder mit deinem Partner daheim diskretes Stillen üben.