
Es wird Herbst: Nach den hellen Sommertagen drücken Dunkelheit und Schmuddelwetter ganz schön aufs Gemüt. Dazu kommt, dass Infekte wieder auf dem Vormarsch sind. Das Kind kränkelt, muss zu Hause bleiben und umsorgt werden. Ist es wieder gesund, sind wir oder die Geschwister am Schniefen – ein Teufelskreis. Schnell ist dann der innere Akku leer, Dauer-Erschöpfung macht sich breit. Wie können wir vorbeugen, fragen sich jetzt viele Eltern. Wie können wir unsere mentalen Speicher jetzt noch aufladen, um ohne Burnout durch die Erkältungssaison zu kommen?
Familiencoach Cristina Sandner sagt dazu: "Das oben beschriebene Szenario, das ihr wahrscheinlich aus den letzten Jahren nur zu gut kennt, kann ganz schön kräfteraubend sein – sowohl körperlich als auch seelisch. Damit ihr nicht schon nach ein paar Wochen auf dem Zahnfleisch geht, ist es ratsam, nicht nur das körperliche, sondern auch das seelische Immunsystem, die sogenannte Resilienz, zu stärken. Wer ausreichend resilient, also widerstandsfähig ist, der kann Krisen und Krankheiten meistern, ohne sich zu sehr runterziehen zu lassen. In der Psychologie spricht man von "sieben Säulen der Resilienz". Das sind Haltungen oder Denkmuster, die für eine gute Stressbewältigung stehen: Optimismus, Akzeptanz, Selbstwirksamkeit, Soziale Beziehungen, Verantwortung, Lösungsorientierung und Zukunftsorientierung. Je intensiver ihr diese Faktoren ausbaut, desto eher perlt langfristig gesehen Stress an euch ab. Das Gute: Resilienz ist nicht angeboren, ihr könnt sie erlernen.
Was fördert Resilienz?
Positives Denken: Das bedeutet nicht, Probleme zu leugnen, sondern das Beste daraus zu machen. Und zuversichtlich zu sein, dass es wieder bergauf geht. Vielen Menschen tut es gut, Tagebuch zu führen und sich den Kummer von der Seele zu schreiben. Das wiederum schafft neuen Raum für positive Gedanken. Was auch hilft: Notieren, was ihr schon alles in eurem Leben gemeistert habt. So erkennt ihr, welche Ressourcen (z. B. Kreativität oder Organisationstalent) euch bereits in der Vergangenheit geholfen haben. Habt ihr diese auf dem Schirm, könnt ihr auch in der Gegenwart und Zukunft leichter darauf zurückgreifen.
Freundschaften: Es ist – nicht nur in schwierigen Zeiten – Gold wert, Menschen in eurem Leben zu haben, denen ihr vertraut und die euch unterstützen. Alte Freundschaften zu pflegen und neue Bekanntschaften zu knüpfen (z. B. im Geburtsvorbereitungskurs, der Elterninitiative oder beim Sport) macht euch im Alltag glücklicher und zudem widerstandsfähiger, wenn es darauf ankommt.
Körper und Geist stärken: Egal ob Yoga, Joggen oder Meditation – wichtig ist, sich bewusst Zeit dafür zu nehmen und diese Me-Time zuverlässig wahrzunehmen. Wer dazu neigt, im allzu vollen Alltag als erstes die Pilates-Stunde sausen zu lassen, darf sich selbst künftig noch wichtiger nehmen. Wie das klappen kann? Sobald die To-do-Liste überquillt und Terminkonflikte auftauchen, solltet ihr diese eine Verabredung mit euch selbst als "unantastbar" ansehen und lediglich alle anderen Termine zum Tausch oder zum Absagen in den Ring werfen.
Erkältungszeit ist Bonuszeit
Was allgemein helfen kann, ist die persönliche Einstellung in Bezug auf die Erkältungszeit neu zu programmieren. Natürlich ist es kein Wunschzustand, wenn sich das Kind unwohl fühlt und ihr selbst mit einem Infekt zu kämpfen habt. Nehmt ihr euch aber bewusst vor, die Erkältung als gewonnene Bonuszeit zu verstehen, nimmt ihr das den Wind aus den Segeln. Jetzt kann gemacht werden, wofür sonst oft die Zeit fehlt: viel kuscheln, gemeinsam entspannen und sich gegenseitig von den Freuden und kleinen Sorgen des Lebens erzählen.
Empfehlenswert ist es dabei, die Krankheitszeit als Ausnahme von der Regel zu verstehen: Da darf die Lieblingskindersendung schon mal etwas länger laufen als gewöhnlich, und es ist völlig okay, den ganzen Tag auf der Couch zu lümmeln. Nun heißt es: Ausruhen hoch- und eigene Ansprüche runterschrauben! Die Wohnung aufräumen und Mails beantworten sollten jetzt nicht an erster, sondern bestenfalls an letzter Stelle stehen.
Notfallplan vorbereiten
Ich rate meinen Klienten immer, sich im Vorfeld einen Notfallplan zurechtzulegen, den sie einfach aus der Schublade ziehen können, sobald sie ihn brauchen: Wer bleibt zu Hause, wenn das Kind krank ist? Wer geht mit ihm zum Arzt? Wer ist fürs Abendessen zuständig? Wer übernimmt die Nachtschicht? Können wir auf Großeltern oder Freunde zählen – und wenn ja, mit welchen Aufgaben können sie uns entlasten?
Am besten schreibt ihr auch eine Einkaufsliste mit beispielsweise Zutaten für Hühnerbrühe & Co. Sind solche Dinge im Vorhinein geregelt, gehen im Ernstfall keine wertvolle Zeit und Kraft fürs Organisieren und Umplanen drauf.
Bei all den Tipps darf ein wichtiger Aspekt nicht unerwähnt bleiben: Probiert euch aus und behaltet nur das bei, was zu euch passt. Gerade in der grauen Jahreszeit geht nichts über eine große Portion Flexibilität."
Cristina Sandner ist Systemische Familien- und Paartherapeutin und frischgebackene Mama einer Tochter. Sie berät ihre kleinen und großen Klienten in ihrer Praxis in München sowie online.
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