Druck raus!

Warum es okay ist, nicht die weltbesten Eltern zu sein

Oft ist es für Kinder besser und sogar sicherer, wenn Eltern gar nicht erst versuchen, alles richtig und perfekt zu machen. Warum das so ist.

Mutter hält ihr Baby liebevoll auf dem Arm.© iStock/FreshSplash
Ihr seid gut so, wie ihr seid!

Emily Oster ist zweifache Mutter, Entwicklungsökonomin und New York Times-Bestsellerautorin (Buchtipps siehe unten). Ihre alltagstauglichen Erziehungsratgeber decken Mythen auf, werden weltweit diskutiert und finden ein breites Publikum. Ihre These: Manchmal ist es besser, die zweitbesten Eltern zu sein.

Welche Tipps sind denn nun die richtigen?

Wer kennt das nicht: Kaum verkündet ein Paar, dass es schwanger ist, prasseln von allen Seiten gut gemeinte Ratschläge herab. Und das hört mit der Geburt des Kindes nicht auf, ganz im Gegenteil. Es kann ganz schön verunsichernd sein, gerade als Neueltern, wenn einem ständig gegensätzliche "Informationen" weitergereicht werden. Hier hilft es, sich auf den klaren Menschenverstand zu besinnen – auch wenn dieser dank Stilldemenz etc. mitunter etwas vernebelt ist – und auf das eigene Bauchgefühl zu vertrauen. Wem das nicht reicht, der bekommt mit Emily Osters Ratgebern klare Fakten an die Hand, die helfen, im Erziehungschaos durchzublicken. 

Bitte nicht 100 Prozent!

Gerade als Erstlingseltern wollen wir unbedingt alles richtig machen. Doch genau das kann nach hinten losgehen, wie das folgende Beispiel zeigt: 

Um in den ersten Monaten nach der Geburt dem plötzlichen Kindstod vorzubeugen, bekommen Eltern die Empfehlung, ihr Baby immer auf dem Rücken auf einer separaten Matratze, zum Beispiel im Beistellbett, schlafen zu lassen. Doch viele Babys schlafen nun mal am liebsten an der Brust ein, Haut an Haut mit der Mama. Um zu verhindern, dass man selbst dabei einschläft – schließlich gilt es ja als gefährlich, mit dem Baby im selben Bett zu schlafen – quälen sich viele Eltern nachts auf einen Sessel, um dort das Baby im Arm haltend zu füttern. Doch was, wenn die Eltern dabei einschlafen?

An genau dieser Stelle wartet Emily Oster mit Zahlen auf. Laut einer Studie ist das Schlafen mit Baby auf einem Sofa oder Sessel 67-mal so gefährlich in Bezug auf den plötzlichen Kindstod wie das Schlafen auf separaten Matratzen. Weitaus gefährlicher also, als mit dem Baby im selben Bett zu schlafen. Auch wenn das natürlich nach wie vor die sicherste Variante ist, vor allem für Babys unter vier Monaten. In ihrem Buch "Das einzig wahre Baby-Handbuch" nennt Emily Oster im Zusammenhang mit Babyschlaf den Begriff "zweitbeste Erziehung" (im Original: "second best parenting"). 

Bevor Eltern also ihr Baby aufgrund von Schlafmangel in Gefahr bringen, indem sie versehentlich mit ihm auf dem Sessel einschlafen, ist die zweitbeste Lösung nach dem Schlafen auf separaten Matratzen eben das gemeinsame Bett. 

Der englischen Online-Zeitung "HuffPost" gegenüber sagt Emily Oster sinngemäß:

Erziehungsempfehlungen tendieren dazu, absolut zu sein. Es gibt die eine beste Lösung und alles andere kommt erst weit dahinter.

Als wäre alles andere als die eine richtige Lösung eine sehr schlechte Lösung. Dem widerspricht die Autorin. 

Manchmal ist die zweitbeste Lösung die beste, die wir in dem Moment erreichen können.

Und das ist okay so – manchmal sogar besser und sicherer, wie im oben genannten Beispiel. Wenn die übermüdete Mami eben nicht auf dem Sofa stillt, weil ihr vermittelt würde, sie dürfe ihr Baby unter keinen Umständen mit ins eigene Bett nehmen. Es gilt also durchaus abzuwägen und unter mehreren möglichen die optimale Lösung für die entsprechende Situation zu finden. 

Das lässt sich auf viele verschiedene Entscheidungsmomente übertragen. Wir sollten wegkommen vom harten Schwarz-Weiß-Denken, in dem nur eine einzigen Lösung akzeptabel ist. Denn in den allermeisten Fällen gibt es eben auch diverse Grautöne. 

Emily Oster weist darauf hin, dass es Eltern nicht hilft, alles andere als die eine perfekte Lösung als gleich schlecht anzusehen. Denn das raubt einem die Möglichkeit, aus verschiedenen Optionen zu wählen. Warum sie den Begriff "zweitbeste Erziehung" so mag: Er impliziert immer noch "beste". So bekommen Eltern immer noch das Gefühl, ihr Bestes zu geben. Und das ist genau richtig. 

Es hilft natürlich auch, sich immer wieder vor Augen zu führen, dass es die "perfekten" Eltern bzw. Menschen nicht gibt und nicht geben kann. 

Unsere Buch-Tipps

Emily Osters "Das einzig wahre Schwangerschafts-Handbuch. Was an den meisten gut gemeinten Ratschlägen falsch ist und was Sie wirklich wissen müssen" räumt auf mit missverständlichen und überholten Tipps und gibt Schwangeren handfeste Fakten mit. Dabei geht es auch um Ernährung, Alkohol und Bettruhe während der Schwangerschaft.

Teil 2 bezieht sich dann auf die Baby- und Kleinkindzeit und hat einen ganz ähnlichen Titel: "Das einzig wahre Baby-Handbuch. Die ersten vier Jahre. Was an den meisten gut gemeinten Ratschlägen falsch ist und was Sie wirklich wissen müssen". Gerade, wenn unsere Kinder klein sind, bekommen wir oftmals ungefragt unzählige Ratschläge von Freunden und Verwandten – die sich leider oft widersprechen. Wie soll man sich in diesem Chaos zurechtfinden? Genau dabei hilft dieser Guide, der aufräumt mit verbreiteten Mythen und zeigt, wie man leichter klare Entscheidungen trifft. Dabei geht es um faktenbasierte Aufklärung rund um Themen wie Stillen, Schlaftraining, Timing und Spracherwerb.

Emily Osters Buch "Cribsheet: A Data-Driven Guide to Better, More Relaxed Parenting, from Birth to Preschool" ist die englische Originalversion von "Das einzig wahre Baby-Handbuch".