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Sobald Kinder da sind, fallen viele Paare in tradierte Rollenmuster zurück. Waren vorher meist beide in Vollzeit berufstätig, heißt es jetzt: Sie nimmt ein Jahr Elternzeit, er höchstens zwei Monate. Er arbeitet Vollzeit, sie Teilzeit.
Dieses althergebrachte Lebensmodell wird oftmals kaum hinterfragt und wirkt für viele Paare erstmal ganz selbstverständlich und quasi alternativlos. Doch nicht selten entpuppt es vor allem für Frauen als eine Art Falle. Eine Dauer-Erschöpfung schleicht sich ein. Mama kümmert sich, Mama plant, kocht, putzt, kauft ein und glänzt vormittags im Job.
Mit Kindern stehen Paare plötzlich vor ganz neuen Herausforderungen, die vorher kaum eine Rolle gespielt haben. Stichwort Mental Load. Meist ist es die Frau, die eine ellenlange unsichtbare To-do-Liste mit sich herumträgt. Aber auch beim Thema Finanzen entsteht oftmals ein Ungleichgewicht. Während Männer oft uneingeschränkt weiter arbeiten, gehen Frauen Rentenpunkte und Karrierechancen flöten.
"Viele Probleme haben mit Geschlechterstereotypen zu tun. Sie schränken unsere Wahlfreiheit ein, weil es starre gesellschaftliche Vorstellungen gibt, wie sich eine gute Frau oder Mutter verhält oder was wir männlich finden", erklärt Patricia Cammarata, Psychologin, Buchautorin ("Musterbruch. Überraschende Lösungen für wirkliche Gleichberechtigung.") und dreifache Mutter.
Sie findet: Ein Umdenken muss her! Uns erklärt sie, worauf Eltern achten sollten, um eine Partnerschaft auf Augenhöhe zu führen.
Hier sind 5 Tipps für eine gleichberechtigte Beziehung:
Aufgaben sichtbar machen
"Gesellschaftlich müsste Sorgearbeit im Gesamtkonzept Arbeit berücksichtigt sein - was nicht der Fall ist. Sorgearbeit soll ja unsichtbar und nebenher stattfinden. Das ist ein großes Problem", so Patricia Cammarata. "Der Staat fördert vor allem die Idee, dass ein Paar sich in eine hundertprozentige Sorgeperson und in eine hundertprozentige Erwerbsperson aufteilt. Das wollen und können sich die meisten Paare aber schon lange nicht mehr leisten."
Das wiederum bedeutet aber, dass die Aufgabenverteilungen in der Beziehung neu gedacht werden muss. "Es ist wichtig, dass die Zahlen über den Gender Care Gap bekannt sind und alle wissen, was Sorgearbeit ist und dass es auch Mental Load gibt. Erst mit diesem Wissen kann man sich dann zu den Details verständigen. So wird Vätern bewusster, dass sie durch eine starke Konzentration auf die Erwerbsarbeit auf eine enge Bindung zum Kind verzichten und im eigenen Haushalt eine Art Hilfsarbeiter bleiben. Müttern auf der anderen Seite wird klarer, dass sie auf erhebliche Summen Einkommen und damit auch auf finanzielle Unabhängigkeit verzichten."
Rollenverteilung hinterfragen
In vielen Familien herrschen immer noch althergebrachte Vorstellungen davon, wie die Aufgaben zu Hause verteilt werden sollten. "Viele haben verinnerlicht, dass die Mutter das Beste fürs Kind ist - und weil wir alle das Beste für unsere Kinder wollen, richten sich sowohl Frauen als auch Männer nach dieser Vorstellung", erklärt Patricia Cammarata.
Frauen fühlen sich automatisch hauptverantwortlich für das Kind und Väter sehen ihre Hauptverantwortung im Geld verdienen.
"Mütter auf der anderen Seite geben ihre Erwerbstätigkeit auf und treten mit der Sorgearbeit Doppelschichten an, weil sie mehr oder weniger Tag und Nacht zuständig fürs Kind sind und nahezu keine Ruhepausen mehr haben. Das tun sie nicht selten bis an den Rand der völligen Erschöpfung."
Daher ist es wichtig, diese alten Muster gegebenenfalls zu durchbrechen. "Ansonsten ergeben sich dann unglückliche Konstellationen von stillenden Müttern, die zusätzlich den Haushalt schmeißen sollen und sich parallel um Geschwisterkinder kümmern, während die Väter hauptsächlich abwesend sind, weil sie erwerbsarbeiten. Statistisch gesehen erhöhen Väter ihren Erwerbsarbeitsstundenumfang nach der Geburt eines Kindes sogar."
Zeit und Geld fair aufteilen
Über Ressourcen wie Zeit und Geld muss nach der Geburt der Kinder bei den meisten Paaren ganz neu verhandelt werden – und oftmals geht die Rechnung zu Ungunsten der Frau.
Patricia Cammarata weiß: "Die meisten Paare rechnen ganz seltsam. Wenn eine verheiratete Frau nach der Elternzeit mit Lohnsteuerklasse V Teilzeit arbeiten geht, wird ihr Nettoeinkommen gegen Kinderbetreuungskosten und gegen die Kosten eines zweiten Autos – oder einer weiteren Jahreskarte des öffentlichen Nahverkehrs – gerechnet. Dann heißt es: 'Das lohnt ja kaum! Dann ist es ja für alle weniger stressig, wenn die Frau gar nicht arbeiten geht.' So als ob die Kinder das Privatvergnügen der Frau wären und nicht eine gemeinsame Entscheidung des Paars."
Ihr Rat: "Dass es einen Gender Pay Gap gibt und jemand die zusätzliche Sorgearbeit übernehmen muss, wenn man sich als Familie vergrößert, sollte also nicht zulasten der Frau gedacht werden, sondern als Familienangelegenheit angesehen werden. Dann verhandelt man nämlich über Zeit und nicht über Geld, und nur so kommt man langsam Richtung Gleichberechtigung. Jedes Paar sollte sich fragen: Wie schaffen wir es, dass sowohl die Frau als auch der Mann Zugang zu einer Erwerbstätigkeit hat, Zugang zu der Beziehung zu den Kindern und auch Zeit für Erholung hat."
Mental Load teilen
Alle familienplanerischen Aufgaben bleiben auch heutzutage größtenteils an den Frauen hängen. "Männer übernehmen zum Beispiel den Wocheneinkauf, aber den machen sie oft, ohne die Kinder mitzunehmen, und sie bekommen eine Einkaufsliste in die Hand gedrückt. Die Frau hat vorher überlegt: Was werden wir diese Woche essen? Dafür muss sie im Kopf haben: Was essen die einzelnen Familienmitglieder überhaupt? Was gab es letzte Woche? Wie sorge ich dafür, dass die Ernährung ausgewogen und gesund ist? Gibt es Extras wie beispielsweise ein Frühlingsfest im Kindergarten zu beachten? Was haben wir vorrätig? Was muss demnächst aufgebraucht werden? Wann kann man den Einkauf überhaupt erledigen und welches Budget haben wir dafür", erklärt Patricia Cammarata.
Das sei nur ein kleines Beispiel für das ganze Aufgaben, die tagtäglich anfallen und Frauen als unendliche To-do-Listen durch den Kopf rattern.
Das Naheliegendste ist es deshalb, mit dem Partner die Aufgabenverteilung zu besprechen. Patricia Cammarata empfiehlt, einen Mental-Load-Test zu machen. "Damit sich beide gesehen fühlen, sollten auch beide ihre Themen dort eintragen. Dann kann man sich anschauen: Wer macht was, und wichtiger: Wer denkt daran? Wer initiiert es? Denn in dieser Frage liegt die Mental Load versteckt. Natürlich machen Männer auch Dinge im gemeinsamen Haushalt, aber eben ganz oft erst auf Aufforderung. Zudem unterscheiden sich die Aufgaben geschlechtsspezifisch: Frauen übernehmen oft Aufgaben, die an harte Deadlines gebunden sind, wie die Kinder von der Kita abholen, oder die sich täglich wiederholen. Demgegenüber übernehmen Männer oft Dinge, die nicht so regelmäßig anfallen und bei denen sie immer ein bisschen flexibler sind zu entscheiden, wann sie erledigt werden: Auto zum TÜV, Steuererklärung, Regal andübeln."
Wer offen und transparent über Aufgaben spricht, schafft damit schon viel Entlastung. "Am besten man gewöhnt sich eine Wochenbesprechung an, bei der man Verantwortlichkeiten verteilt und da muss man dann umdenken: Man verteilt nicht mehr einzelne To-dos, sondern einen Prozess: Wer verantwortlich ist, initiiert die Sache selbst, plant sie, führt sie durch und kümmert sich um einen Plan B, wenn Plan A mal platzt."
Von 50:50 verabschieden
"Fair ist, was sich für das Paar fair anfühlt. Wenn die Aufgaben zu den Neigungen, Zielen und Ressourcen der einzelnen Personen passen – und zukunftsfähig sind –, dann muss eine Aufgabenteilung nicht 50:50 sein. Wenn Paare mit 80:20 zufrieden sind und beide finanziell abgesichert - dann ist das natürlich völlig in Ordnung."
Als Team verstehen
"Für mich ist die wichtigste Erkenntnis, die man als Paar im Kopf halten sollte, dass es oft trotz aller Vorsätze gar nicht so einfach ist, gleichberechtigt zu leben. Denn am Ende können wir nicht in einem luftleeren Raum entscheiden, wie wir leben. Wir sind abhängig von den Rahmenbedingungen wie Geld, Kinderbetreuung, Steuerrecht und auch von unserem direkten Umfeld.
Das wiederum heißt: Da wo wir angestrengt sind, wo wir vielleicht manchmal auch wütend sind, da arbeiten wir gegen widrige Bedingungen und nicht gegeneinander."
Umso wichtiger ist es, an einem Strang zu ziehen. "Es geht also darum, als Paar einander zugewandt zu bleiben und sich als Team zu verstehen und sich zu bemühen, eine Aufteilung zu finden, die für UNS passt."
Unsere Expertin: Patricia Cammarata
Patricia Cammarata ist Psychologin, Autorin ("Raus aus der Mental Load Falle"), Podcasterin und betreibt den Blog "dasnuf". Sie lebt mit ihrer Familie in Berlin.

