Mama ohne Mann

Solomutter mit Co-Vater: "Ich habe mit einem Freund ein Kind."

Jennifer Sutholt ist 40 Jahre alt und hat eine fünfjährige Tochter – in Co-Elternschaft. Wie sie auf etwas anderem Wege zu ihrem Wunschkind gekommen ist, erzählt sie uns im Interview.

"Ich bin ja nicht ganz alleine, sondern getrennt erziehend", Jennifer wird bei der Erziehung ihrer kleinen Tochter vom Co-Vater unterstützt.© Foto: privat
"Ich bin ja nicht ganz alleine, sondern getrennt erziehend", Jennifer wird bei der Erziehung ihrer kleinen Tochter vom Co-Vater unterstützt.

Leben & erziehen: Liebe Jennifer, wann hast du entschieden, dass du dir deinen Kinderwunsch auch ohne romantischen Partner erfüllen möchtest?

Jennifer Sutholt: Der Prozess war bei mir sehr lang, fing aber schon mit Mitte 20 an. Ich wollte eigentlich früh Kinder haben, mit einem Partner hat es aber nicht wirklich geklappt. Das Entkoppeln von Partnerwunsch und Kinderwunsch dauert lange und ist schmerzhaft, der Verlust der Familie, die Frau sich gewünscht hat, muss betrauert werden. Ich dachte auch ganz klassisch an Mutter-Vater-Kind. Sich davon zu verabschieden ist schwer. Ich war gedanklich mit Anfang 30 soweit, es als Solomutter nach einer Samenspende zu versuchen. Genau in dem Moment lernte ich nochmal einen Mann kennen. "Der ist es!", dachte ich. War er aber nicht. Als dann mit knapp 35 diese Beziehung am Kinderthema zerbrach, habe ich die Energie genutzt und Nägel mit Köpfen gemacht.

Wie viel Zeit verging dann noch, bis es soweit war?

Nicht sehr lange. Ich habe direkt nach der Trennung einer Kollegin erzählt, dass ich eine Samenspende in Erwägung ziehe und dazu recherchiere. Sie hat mir dann das Konzept der Co-Elternschaft vorgestellt und den Co-Vater gleich mitgeliefert. Der ist auch am Ende Vater meiner Tochter geworden. Obwohl ich mich jahrelang auf ein Kind durch Samenspende vorbereitet habe, bin ich dann diesen Weg gegangen. Ich bin also nicht ganz allein, sondern habe mit einem Freund ein Kind. Die Kleine wohnt aber zu 70 Prozent bei mir.

Auf deinem Instagram-Account bezeichnest du dich als "Solomutter in Co-Elternschaft". Wieso trifft der Begriff "alleinerziehend" auf dich nicht gut zu?

Ich bin ja nicht ganz alleine, sondern getrennt erziehend. Ich bezeichne mich als Solomutter in einer Co-Elternschaft, weil die Solomutterschaft in dem Moment beginnt, wenn eine Frau sich entscheidet, alleine ohne romantischen Partner ein Kind zu bekommen. Dieser mutige Akt macht eine Solomutter aus. Ob die Frau zu dem Zeitpunkt Single ist oder doch in einer Beziehung, das macht wenig Unterschied, auch wenn das nicht alle so sehen. Viele Frauen beginnen auch auf dem einen Weg und wechseln dann nochmal das Modell, weil es sich anders ergibt. Eine Frau, die ein Kind nach einer Samenspende hat, hört ja auch nicht auf, eine Solomutter zu sein, wenn sie einen neuen Partner hat. Das "Solo" bezieht sich nicht auf den aktuellen Beziehungszustand.

Das Spektrum der Solomutter ist groß, von der Samenspende von der Klinik ohne Kontakt zum Spender über eine Solomutter mit bekanntem Privatspender zu einer Frau in einer Beziehung, die trotzdem ein Kind durch Samenspende bekommt, weil der Partner keine Kinder möchte. Ganz am anderen Ende liegt die Co-Elternschaft. Die Modelle überschneiden und vermengen sich. Ein Co-Vater in Onkelfunktion, den das Kind kennt, der aber nicht am Leben des Kindes teilnimmt oder eine Solomutter mit bekanntem Yes-Spender, der dem Kind bekannt ist, aber nicht am Leben teilnimmt, beides ist das gleiche, die Definition liegt bei der Solomutter. 

In einer Co-Elternschaft ist die Frau nicht ganz allein, es kommt auf die Ausprägung an. Ich zum Beispiel teile die Kosten für das Kind mit dem Vater, muss aber alle Lebenshaltungskosten wie Wohnung etc. allein aufbringen. Auch die Sicherheit einer Beziehung fehlt. Ich kann nicht nicht arbeiten gehen, es gibt niemanden, der das auffängt. Trotzdem bezeichne ich mich als getrennt erziehend, denn der Vater ist ja aktiv am Leben des Kindes beteiligt.

Alleinerziehend zu sein, das ist nochmal eine ganz andere Sache, ich habe sehr großen Respekt vor Frauen, die das alles ganz allein stemmen, besonders, wenn das nicht der eigentliche Plan war.  

Auf Instagram und mit deinem Blog unterstützt du andere Frauen auf dem Weg zum Wunschkind – auch mit schlagfertigen Antwortmöglichkeiten auf nervige Sprüche. Welcher Kommentar Solomüttern gegenüber nervt dich am meisten?

Der Vorwurf des Egoismus. Dieses Argument finde ich sehr kurz gedacht. Denn ein Kinderwunsch ist immer egoistisch, das Kind wird auch in einer glücklichen Beziehung vorher nicht gefragt. Wenn eine Frau sich und ihren Kinderwunsch aber jahrelang reflektiert, sich finanziell vorbereitet, sich ein Netzwerk schafft und Unterstützung und Hilfe in der Familie sucht und dann alleine ein Kind bekommt, dann hat sie sich oftmals mehr Gedanken gemacht, als ein Paar, das eben einfach irgendwann ein Kind bekommt, vielleicht sogar ohne vorher über Finanzen, Betreuung, gleichberechtigte Elternschaft gesprochen zu haben. Das finde ich ziemlich pragmatisch und nicht egoistisch. Die meisten Solomütter machen sich eher zu viele Gedanken als zu wenige.

Und welche Klischees oder Vorurteile getrennt lebenden Eltern gegenüber gehören deiner Ansicht nach dringend abgeschafft?

Dass nur eine gemeinsam lebende hetero-normative Kleinfamilie für Kinder gut ist. Das stimmt nämlich einfach nicht und bildet auch schon lange nicht mehr die Realität ab. In Berlin lebt jedes 5. Kind bei nur einem Elternteil, die meisten bei der Mutter. 

Natürlich ist eine liebende Familie das A und O, aber das kann eben auch eine Ein-Eltern-Familie sein. Oder Oma mit dabei. Oder zwei Freunde mit einem gemeinsamen Kind, eine Familie mit zwei Müttern oder Vätern oder mehr als zwei Elternteilen. Familie ist bunt und eben genau da, wo Menschen sich lieben und füreinander sorgen. 

Was ist deine "Geheimwaffe", um deinen Alltag (so) stressfrei (wie möglich) zu überstehen?

Ich habe regelmäßige Auszeiten vom Mamasein. Die Kleine ist dann beim Vater und ich habe wirkliche Me-Time. Das hört sich für viele so an, als wäre ich nicht gerne Mama, aber das stimmt nicht. Ich liebe es, Mami zu sein, gleichzeitig ist es ein wirklich harter 24/7 Job, das wird schnell vergessen. Mamas sollen sich nicht beschweren, sie wollten es ja so. Das stimmt und trotzdem steht mir eine Pause zu. Die ist unfassbar wertvoll. Viele meiner Freundinnen, die in einer Beziehung leben, haben solche Auszeiten nicht.

Mit welchen Worten würdest du Frauen Mut machen, die über eine Solo-Elternschaft nachdenken?

Wenn eine Frau vorbereitet an die Sache heran geht, ist es gut zu meistern. Am wichtigsten sind gute Informationen, Vernetzung und eine ausgiebige Vorbereitung. Wer auf der Suche nach Austausch ist, darf gerne in meine Vernetzungsgruppen auf Facebook kommen, es gibt eine für zukünftige Co-Mamas oder Solomamas, je nachdem, welches Modell angestrebt werden soll.

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