
"Urlaub mit Baby ist auch nur Alltag an einem anderen Ort." Diesen Satz sagte mir während meiner Schwangerschaft eine sehr müde Freundin, die gerade von ihrer ersten Reise mit Kind zurückgekehrt war. Ein Satz, der sich mir eingeprägt hat, und den ich – wie so viele Mahnungen und Warnungen – erstmal nicht so ernst genommen habe. Bis zu unserem ersten Urlaub mit Kind. Der ging testhalber an einen See nur knapp drei Autostunden von zu Hause. Wie sich herausstellte, war diese Distanz auch gar nicht so verkehrt, denn die letzten Kilometer fand unser Sohn in der Babyschale schon so gar nicht mehr lustig …
Verreisen mit Baby kann Stress bedeuten
Und am Urlaubsort? Saßen wir einfach maximal viel in der Ferienwohnung. Und wenn wir draußen unterwegs waren, bin ich neurotisch von Schatten zu Schatten gehüpft und habe meinen Sohn dazwischen wie ein kleines Gespenst mit Tüchern verhüllt, zum Schutz gegen die böse UV-Strahlung. Erholung kam da nur so mittel auf.
Bin ich einfach zu tiefenunentspannt, um mich im Urlaub zu entspannen? Der Verdacht liegt nahe, wenn ich sehe, wieviele noch im ersten Babyjahr die abenteuerlichsten Fernreisen unternehmen. Ich hingegen bekomme schon Beklemmungen, wenn ich mir nur vorstelle, mit Baby eingepfercht in einer Flugzeugsitzreihe ausharren zu müssen.
Inzwischen ist das Baby ein Kleinkind, alles ist etwas entspannter, aber die Grundhaltung bleibt. Und deshalb geht es auch dieses Jahr nur an die Ostsee – während gefühlt alle anderen im Fernreisefieber sind.
Urlaub? Nicht für alle Familien entspannt
Oder geht es noch anderen wie mir? Offenbar! Denn bei Instagram stoße ich auf eine Mutter, die in ihrer Ansicht sogar noch viel extremer ist. "Wir fahren nicht in den Urlaub. Zuletzt waren wir vor fünf Jahren in Ostfriesland, aber wir fühlen uns als Familie im Urlaub nicht wohl – von Entspannung keine Spur. Unsere Kinder und wir genießen die Ruhe im Sommer daheim, wenn alle unterwegs sind", schreibt sie bei "Eltern ohne Filter". Die anonyme Userin erklärt: "Wenn ich so beobachte, was andere für Stress haben mit dem Urlaub, dann ist mir das Reisen auch schon vergangen … Das ist Stress, den ich nicht brauche, denn ich habe als Care-Workerin im hauswirtschaftlichen Bereich genug im Alltag zu organisieren."
Damit spricht sie offenbar vielen aus der Seele, wie die Kommentare zeigen. "Ich bin da tatsächlich auch so und dachte schon, es geht wirklich nur mir so. Weil nämlich die ganze Arbeit, auch die Vorüberlegungen (wie? wo? was?) an mir hängen bleibt. Und dann die Packerei …"
Eine andere pflichtet bei: "Letztlich bleibt Urlaub mit Kindern derselbe Carearbeitskrempel bloß mit Tapetenwechsel. Ist halt die Frage, wie wichtig einem das ist bzw. wie sehr man das braucht."
Ein weiterer Kommentar lautet: "Das finde ich eine unheimlich befreiende und entlastende Perspektive: Nein, man MUSS nicht in den Urlaub fahren, auch wenn es finanziell drin ist. Hab gerade gemerkt, dass ich da einen alten Glaubenssatz habe: Den Kindern was bieten müssen."
Statt Urlaub mit Kind vielleicht doch lieber zu Hause bleiben?
Den Kindern etwas bieten. Das ist sicher ein großes Argument, weshalb viele Eltern die Strapazen einer langen, teuren Reise auf sich nehmen. Reisen bildet ja bekanntermaßen. Und schafft Erinnerungen fürs Leben. Auch als Erwachsene haben wir schließlich immer noch die Bilder im Kopf von Eis am Strand, aufregenden Urlaubsfreundschaften, der Reifenpanne in Süditalien ...
Offenbar gilt es als quasi selbstverständlich, dass es mindestens im Sommer auf große Fahrt geht – sehr zum Verdruss einer Userin: "Was ich übrigens furchtbar schade finde: dass in der Schule schon planmäßig gefragt wird, wo man denn in den Ferien war, statt nach schönen Erlebnissen zu fragen", schreibt sie.
Guter Punkt. Denn auch wer nicht in den Urlaub fährt, kann zu Hause kleine und große Abenteuer erleben, Neues entdecken und bleibende Erinnerungen sammeln - auch wenn es den Eltern etwas mehr Mühe und Kreativität abverlangt.
Und wenn man es eben nicht FÜHLT, mit Baby im Campervan durch Andalusien zu juckeln oder die Fernreise mit Großfamilie nach Kanada auf sich zu nehmen, dann fährt man eben – wie wir – an die Ostsee. Oder bleibt ganz zu Hause. Pauschal sollte beim Thema Urlaub höchstens das Reiseangebot sein – aber bitte nicht das Urteil darüber, wer wann wohin reisen sollte.