"Dauersnacken muss nicht sein!"

Hilfe, mein Kind will ständig essen

Es ist ein alltäglicher Anblick: Kleinkinder, die im Buggy oder auf dem Spielplatz auf einer Reiswaffel oder Ähnlichem rumkauen. Doch dieses Dauersnacken kann sich negativ auf die Ernährungsgewohnheiten und somit die Gesundheit unserer Kinder auswirken.

Auch im Buggy werden den Kids häufig Snacks gereicht. © Foto: Getty Images Sara Monika
Auch im Buggy werden den Kids häufig Snacks gereicht.

"Sonst kann ich ja nirgendwo hin", gesteht mir meine Bekannte, als wir beide leicht abgehetzt nach der Arbeit und dem Abholen der lieben Kleinen auf dem Spielplatz ankommen, wo wir für den Nachmittag verabredet sind. Die Rede ist von den matschigen Fingern ihres Sohnes, der eine knusprige Laugenbrezel nach der anderen wegmümmelt. Und natürlich habe ich auch für meinen Sohn Finn (inzwischen geht er zur Schule) etwas eingepackt – der Hunger nach der Kita ist einfach allgegenwärtig. Obwohl es dort selbstverständlich schon Mittagessen gegeben hat.

Hunger oder Ablenkung

Doch wirklicher Hunger ist etwas anderes als das ständige Essen im Buggy oder auf dem Spielplatz. Der Sohn meiner Bekannten hasst nichts mehr, als im Buggy zu sitzen. Ob beim Einkaufen oder auf dem Weg zu einer Verabredung – inzwischen ist sie komplett entgegen ihrer Prinzipien aus Hilflosigkeit dazu übergegangen, dem Kleinen einfach etwas zu Knabbern in die Hand zu drücken, wenn sie es eilig hat. Anders schafft sie es nicht, ihren Sohn im Buggy zu halten und somit rechtzeitig irgendwo anzukommen.

Gruppenzwang auf Spielplätzen

Dieses Problem hatte ich zum Glück nicht – Finn ließ sich immer gerne schieben. Und ich finde auch, dass es reicht, wenn es Frühstück, Mittagessen, etwas Rohkost zwischendurch und dann Abendbrot gibt. Allerdings haben auf dem Spielplatz scheinbar immer alle etwas dabei und mit der Zeit beugte ich mit dem Gruppenzwang – ebenfalls mehr zwangsläufig als freiwillig. Ich will ja nicht so dastehen, als hätte ich vergessen, etwas einzupacken. Und Finn isst sonst ohnehin bei den anderen mit. Doch Ernährungsberater Martin Rutkowsky empfiehlt, sich lieber mit den anderen Eltern abzusprechen. Und vor allem: nicht das Spiel wegen einer Zwischenmahlzeit unterbrechen.

Fehlendes Sättigungsgefühl

Die Spielunterbrechung ist nur einer der Punkte, der gegen das ständige Essen spricht. Es hat außerdem negative Auswirkungen auf den Stoffwechsel, wenn man ständig etwas im Magen hat. "Hier wird die Zusammenarbeit von Leber, Bauchspeicheldrüse, Muskel- und Fettgewebe nicht gut unterstützt", weiß der Ernährungsexperte. "Der menschliche Stoffwechsel ist seit Jahrtausenden auf Pausen und karge Zeiten eingerichtet. Die Pausen waren früher immer mal wieder da, und heute fehlen sie. Hunger ist keine Krankheit, sondern ein natürlicher Stoffwechselvorgang."

Auch Bewegung fördert die Zusammenarbeit der inneren Organe. Je öfter und je länger man eine Esspause einlegt, umso besser. Denn: "Wenn der Magen-Darm-Trakt immer etwas zu verdauen hat, stört das den normalen Stoffwechsel, was zu Übergewicht führen kann", so Rutkowsky. Und natürlich schadet das andauernde Essen auch der Zahngesundheit.

Wenn schon snacken, dann wenigstens gesund!

Empfehlenswerte Zwischenmahlzeiten für Kids – vorausgesetzt, sie haben wirklich Hunger:

  • (klein geschnittenes) Gemüse oder auch mal etwas Obst
  • Nüsse, wenn das Kind groß genug ist, um sich nicht zu verschlucken, also ab etwa vier Jahren. Vorher gerne im Brotteig etc. Nussmehl verwenden. Das in Nüssen enthaltene Fett unterstützt das Zellwachstum und verbessert den Zellstoffwechsel
  • Naturjoghurt, ggf. mit etwas Honig (immer noch weniger Zucker als sogenannte Fruchtjoghurts)
  • die klassische "Stulle": Vollkornbrot mit einem nicht süßen Belag/Aufstrich
  • es darf auch mal eine Reis- oder Maiswaffel sein, aber bitte ungesüßt
  • KEINE speziellen Kinderlebensmittel. Die sind immer teurer und meistens unnötig

Hunger ist ein Instinkt

Ernährungswissenschaftler sind also gegen das Dauersnacken im Buggy, auf dem Spielplatz und sonst wo. Der Umgang mit dem Essen komme allerdings sehr auf das jeweilige Kind an. Die Stiftung Reformhaus-Fachakademie/Akademie Gesundes Leben, die grundsätzlich Vollwertkost empfiehlt, legt Wert auf eine typgerechte Ernährung (siehe Kasten). Dies bedeutet, dass man sich die Konstitution, also die Verfassung und den Körperbau eines Menschen anschaut.

Davon leiten sich bestimmte Ernährungsempfehlungen ab, denn jeder Mensch hat andere Bedürfnisse. "'Zwischenmümmeln‘ kann ich nicht verbieten oder erlauben. Es geht vielmehr um das Essverhalten des Kindes allgemein", sagt Rutkowsky. "Kinder, die einen hohen Anteil 'Empfindungstyp' haben, essen eher kleine Portionen zwischendurch, weil sie keine großen Mahlzeiten mögen und auch ihr Hungergefühl eher gering ist. Kinder mit Bewegungstyp-Anteilen essen eher viel und große Portionen und haben auch starken Hunger."

Typgerechte Ernährung

Jedes Kind, jeder Mensch ist anders und hat auch beim Essen unterschiedliche Bedürfnisse. In der typgerechten Ernährung, angelehnt an den Physiognom Carl Huter, unterscheidet man zwischen drei Grundtypen: den Empfindungs-, Bewegungs- und Entspannungstypen. Die meisten Menschen entsprechen nicht klar einem Typen, sondern sind Mischformen. Es ergeben sich konkrete Ernährungsempfehlungen für die jeweiligen Typen. Infos dazu zum Beispiel im Internet unter reformhaus-fachlexikon.de

Einfach nichts anbieten

Doch was können Eltern konkret tun, wenn das Kind immer essen will? Rutkowsky rät, Kindern klare Regeln zu setzen und ihnen zu vermitteln, nur zu essen, wenn sie wirklich Hunger haben. "Durst und Hunger sind Instinkte. Wenn die Kinder lernen, damit umzugehen, ist das sehr hilfreich für die Gesundheit und gut gegen Übergewicht", so der Experte. Übrigens: Zwischendurch Trinken ist immer erlaubt und sogar wichtig.

Weiterhin empfiehlt der Experte, einfach nichts zu essen anzubieten. "Häufig ist es die Gewohnheit, und wenn sich der Stoffwechsel umstellt, geht es auch ohne. Es sind oft die Eltern oder Betreuer, die etwas anbieten. Die Überversorgung gilt in der heutigen Zeit als massives Problem."

Meine Bekannte hat es irgendwann geschafft, ihren Sohn im Buggy mit einem quietschenden Kuscheltier, statt mit einer Reiswaffel abzulenken. Sehr zum Leidwesen der Mitpassanten. Bei wem das nicht klappt, den möge das typische Eltern-Mantra beruhigen: "Es ist nur eine Phase".

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