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- Zöliakie: Was die Diagnose für Kinder bedeutet
- Glutenfreie Ernährung für Kinder: Worauf achten?
- Zöliakie bei Kindern: Diese Symptome sind typisch
- Die Zahl der Zöliakie-Diagnosen steigt
- Zöliakie belastet die ganze Familie
- Zöliakie: Was passiert im Körper?
- Mit Zöliakie in die Kita: Aufklärung ist das A und O
- Zöliakie: Praktische Tipps für Betroffene
"Nein, da ist Gluten drin." Enno weiß genau, was diese Warnung bedeutet: Den Kuchen auf dem Kindergeburtstag darf er nicht essen, auf dem Spielplatz darf er keine Snacks mit den anderen tauschen, beim Frühstück in der Kita nichts aus der Brotdose seines Sitznachbarn stibitzen.
Der Zweijährige leidet unter Zöliakie. Vor einem guten halben Jahr bekam er die Diagnose. Als die Krankheit bei ihm festgestellt wurde, hatte der kleine Junge bereits eine lange Leidensgeschichte hinter sich. Mit gerade mal einem Jahr wurde bei ihm Typ-1-Diabetes festgestellt. Anderthalb Jahre später dann der nächste Schock: Zöliakie. "Im Rahmen einer Routine-Blutuntersuchung wurden erhöhte Antikörper entdeckt", erzählt Ennos Mutter Leonie. "Es kam so unerwartet und wir kannten die Erkrankung bis dahin überhaupt nicht. Davor hatte er nie irgendwelche Symptome. Im Nachhinein fragen wir uns, ob er ab und zu Bauchschmerzen hatte. Aber da er noch so klein ist, konnte er uns das nie mitteilen."
Zöliakie: Was die Diagnose für Kinder bedeutet
Für die Familie änderte sich durch die Diagnose auf einen Schlag das ganze Leben. "Man muss an so viele Dinge denken. Diabetes ist schon schwer, aber Zöliakie setzt noch einen drauf", erklärt Leonie. "Wir fahren in so viele verschiedene Supermärkte, um glutenfreie Produkte zu kaufen, müssen uns mit dem Backen auseinandersetzen, das uns eigentlich keinen Spaß macht. Andere Kinder dürfen ihm nichts zu essen anbieten und er darf nicht einfach etwas annehmen. Wir müssen immer und überall etwas zu essen für unser Kind mitnehmen, damit wir immer eine glutenfreie Alternative dabei haben. Ob bei Freunden, im Restaurant, auf einem Ausflug. Eigentlich immer, wenn wir das Haus verlassen."
Gluten, auch bekannt als Klebereiweiß, ist in heimischen Getreidesorten wie Weizen, Dinkel, Gerste, Roggen und Hafer enthalten. Sprich: Es versteckt sich in unzähligen Lebensmitteln, die bei einer herkömmlichen Ernährung täglich auf dem Speiseplan stehen.
Glutenfreie Ernährung für Kinder: Worauf achten?
"Zöliakie ist eine chronische Erkrankung mit großen Einschränkungen", bestätigt auch Dr. Vitor Gatinho Kinderarzt und Autor ("Wenn die Laus juckt und der Zahn wackelt"). "Wenn die Diagnose da ist, sind viele Mütter und Väter im ersten Moment erleichtert. Endlich haben sie eine Erklärung für vieles, das Kummer bereitet hat. Aber schon tauchen die nächsten Fragen auf. Wie geht es jetzt weiter? Eine strikt glutenfreie Ernährung steht auf dem Plan", erklärt der Kinderarzt. Die größten Probleme ergeben sich seiner Meinung nach meist außer Haus. "In Restaurants ist es eine Rarität, dass glutenfreie Nahrung angeboten ist." Dabei ist es entscheidend, dass das Essen streng getrennt von herkömmlichen Lebensmitteln zubereitet wird. "Es reichen Brösel", betont der Mediziner. "Das schränkt natürlich ein. Man muss mehr planen."
Auch für Ennos Familie dreht sich plötzlich alles nur ums Thema Essen. "Unterwegs bekommt man kaum etwas Glutenfreies für Kinder", bestätigt Ennos Mutter. "Wir leben in einer Kleinstadt und machen oft Ausflüge in die Natur. Früher sind wir dann öfter auf dem Rückweg etwas essen gegangen. Das geht jetzt nicht mehr, denn nahezu jedes Restaurant wirft die eigentlich glutenfreien Pommes in eine Fritteuse mit den panierten Sachen. Dann sind die Pommes durch die weizenhaltigen Panadekrümel kontaminiert und unser Kind kann sie nicht essen."
Zöliakie bei Kindern: Diese Symptome sind typisch
Etwa zehn von tausend Kindern bekommen wie Enno die Diagnose Zöliakie. Bei Kleinkindern kommt es im Gegensatz zu Erwachsenen oft zu offensichtlichen Beschwerden wie anhaltendem oder wiederkehrendem Durchfall, unzureichender Gewichtszunahme oder sogar Gewichtsverlust und Wachstumsverzögerungen. Die jungen Patienten leiden oft unter einer geschädigten Darmschleimhaut, wodurch sie Nährstoffe nur noch vermindert aufnehmen können. Je älter die Kinder werden, desto seltener treten diese typischen Symptome auf. Bei Schulkindern überwiegen unspezifische Beschwerden wie Kopfschmerzen, Konzentrationsprobleme, Müdigkeit, Hautausschläge, Bauchschmerzen oder sogar neurologische Probleme. Zöliakie wird auch als "Chamäleon der Medizin" bezeichnet, da die Krankheit ganz unterschiedliche Ausprägungen annehmen kann. Gerade bei kleinen Kindern, die noch nicht richtig ausdrücken können, wie es ihnen geht, ist es oft schwer, die Anzeichen auf Zöliakie richtig zu deuten. Einige Kinder verweigern das Essen, andere haben ständig Hunger, nehmen aber nicht richtig zu. Wenn Kinder unter einer Gedeihstörung leiden oder einen "Knick" in der Wachstumskurve haben, sollten sich Eltern an den Kinderarzt wenden – genauso bei häufigem Durchfall oder hartnäckiger Verstopfung.
Die Zahl der Zöliakie-Diagnosen steigt
Zöliakie wird meist durch eine Blutuntersuchung festgestellt. Ein Kindergastroenterologe entscheidet dann in der Regel, ob – wie in Ennos Fall – eine Endoskopie (Magenspiegelung) mit Probenentnahme notwendig ist. "Nach den auffälligen Blutwerten und den fehlenden Symptomen wollten die Ärzte unbedingt eine Magen-Darmspiegelung machen, um ganz sicher zu gehen, ob er Zöliakie hat. Niemand wollte, dass er sich glutenfrei ernährt, ohne ein ganz klares Ergebnis. Leider hat es sich dadurch bestätigt", so Ennos Mutter.
Ob bei Kindern eine Zöliakie auftritt oder nicht, lässt sich nicht durch äußere Faktoren wie eine bestimmte Ernährungsweise steuern. "Es ist genetisch bedingt und lässt sich nicht beeinflussen", erklärt Dr. Vitor Gatinho. Zur Risikogruppe gehören Kinder, die Verwandte ersten Grades mit Zöliakie haben, Kinder mit Down-Syndrom oder Ulrich-Turner-Syndrom sowie Kinder mit Typ-1-Diabetes oder mit anderen Autoimmunerkrankungen, z.B. der Schilddrüse oder der Leber.
Die Angst vor einer Glutenunverträglichkeit ist bei Eltern heutzutage groß. Glutenfreie Lebensmittel sind im Trend, Weizen wird oftmals regelrecht verteufelt – meist zu Unrecht, wie der Kinderarzt weiß: "30 Prozent der Eltern glauben, dass ihr Kind eine Nahrungsmittelunverträglichkeit hat, aber es sind davon tatsächlich nur um fünf Prozent." Sein Plädoyer: "Eltern sollten Kinder nicht eigenhändig auf komische Diäten setzen." Mangelerscheinungen sind häufig die Folge. Sein Rat: "Weizen sollte mit der Beikost eingeführt werden."
Zwar steige die Zahl der Zöliakie-Diagnosen. Den Grund dafür sieht der Arzt jedoch in der besseren Aufklärung. Anders ausgedrückt: Die Dunkelziffer wird kleiner. "Die Ärzte sind sensibilisiert und achten eher darauf, was zur Folge hat, dass Zöliakie öfter diagnostiziert wird."
Zöliakie belastet die ganze Familie
Für Enno ist es oft schwer zu akzeptieren, dass er nicht die gleichen Dinge essen darf wie andere Kinder in seinem Alter. "Dadurch, dass er erst zwei Jahre alt ist, versteht er das alles noch nicht so richtig. Das ist manchmal gut, denn er akzeptiert es dann, wenn wir sagen: 'Nein, da ist Gluten drin.' Manchmal bekommt er dann aber auch einen heftigen Wutanfall. Aber das ist momentan auch bei allem anderen so, er ist eben ein Kleinkind", erklärt Leonie. Doch sie weiß auch, dass die wahren Schwierigkeiten womöglich erst in ein paar Jahren kommen. "Ich denke, es wird erst schlimm, sobald er versteht, dass er anders ist, weil er sich als eigene Person wahrnehmen kann."
Dass Zöliakie als chronische Krankheit oftmals immer noch nicht ernst genommen wird, ist für seine Eltern oft frustrierend. "Im weiteren Umfeld verstehen die meisten nicht, was für eine Tragweite das Ganze hat und auf wie viele Dinge man achten muss. Das ist aber auch okay, man muss eben versuchen aufzuklären."
Ein gutes halbes Jahr nach der Diagnose hat die Familie inzwischen gelernt, damit umzugehen, auch wenn die Krankheit den Alltag nach wie vor beherrscht. "Enno geht es gut. Ich denke, wir Eltern sind die, denen es schlechter geht. Mein Kopf ist so voll von zwei chronischen Erkrankungen und den Regeln dazu, dass ich viele andere Dinge einfach vergesse." Ihr ist es jedoch wichtig, dass Enno von alldem nichts mitbekommt und ein möglichst normales Leben führt.
Zöliakie: Was passiert im Körper?
Der Dünndarm ist mit sogenannten Zotten, winzigen Ausstülpungen, ausgekleidet. So entsteht eine große Oberfläche, um Nährstoffe aus der Nahrung aufzunehmen. Bei einer Zöliakie reagiert das Immunsystem auf Gluten und löst eine Entzündungsreaktion im Darm aus. Die Darmzotten schrumpfen, eine glatte Oberfläche entsteht. Die Folge: Weniger Nährstoffe werden aufgenommen.
Mit Zöliakie in die Kita: Aufklärung ist das A und O
Gerade hat die Familie einen großen Meilenstein erreicht: Enno geht seit Kurzen in die Kita. Für seine Eltern war dieser Schritt mit großen Sorgen und umfassenden Vorbereitungen verbunden – schließlich ist es auch für die Erzieher nicht alltäglich, ein Kind mit Zöliakie in der Gruppe zu haben. Entsprechend wichtig war es, alle Mitarbeiter darüber zu informieren, was bei einer glutenfreien Ernährung zu beachten ist. "Ich habe schon fast eine Präsentation vorbereitet", erzählt seine Mutter.
Die anfänglichen Sorgen sind jedoch schnell verflogen. Alle achten sorgfältig darauf, dass es Enno gut geht. "Auch den Tisch wischen sie immer ab, bevor Enno etwas isst, damit keine Glutenkrümel darauf liegen, und es wird gut darauf geachtet, dass niemand sein Essen mit ihm teilt", sagt Leonie. "Es ist immer eine Erzieherin dabei und schaut genau, was und wie viel er aus seiner Brotdose nimmt. Und die anderen Kinder sind auch alle sehr lieb und aufmerksam."
Zöliakie: Praktische Tipps für Betroffene
- Inhaltsstoffe checken: Spuren von Gluten verstecken sich in vielen Lebensmitteln.
- Sorgfältige Trennung: Glutenhaltige und glutenfreie Lebensmittel sollten getrennt zubereitet und gelagert werden, um Kontamination zu vermeiden. Für glutenfreie Produkte sollten zudem separate Schneidebretter, Messer und Küchengeräte verwendet werden.
- Ärztliche Kontrolle: Durch regelmäßige Arztbesuche wird sichergestellt, dass der Dünndarm heilt und keine Mängel entstehen.
- Ausgewogene Ernährung: Eine ausreichende Zufuhr von Eisen, Kalzium, Vitamin D und B-Vitaminen ist bei Zöliakie besonders wichtig.
- Aufklären: Kita, Schule und andere Eltern, bei denen das Kind isst, sollten Bescheid wissen, welche Lebensmittel tabu sind.
- Reden, reden, reden: Für Kinder ist die Diagnose und die Umstellung auf eine glutenfreie Ernährung eine große Herausforderung. Daher ist es entscheidend, dass Kinder sich mit ihren Gefühlen und ihrer Frustration nicht allein gelassen fühlen. Ggf. um Unterstützung bitten.
- Auf dem Laufenden bleiben: Die Wissenschaft macht große Fortschritte. Wer sich informiert, verpasst keine neuen Erkenntnisse und Therapieansätze.
Mehr Infos gibt es bei der Deutschen Zöliakie Gesellschaft e. V.