
Heutzutage versuchen wir Eltern so respektvoll wie möglich mit unseren Kindern – auch den Allerkleinsten – umzugehen. Auf einer Augenhöhe. Eine heiß umstrittene Praxis in diesem Zusammenhang? Das Einholen der Erlaubnis des Babys vor dem Wickeln. Dazu rief nämlich vor einiger Zeit eine Sexualpädagogin aus den USA auf. Es mag zunächst ungewöhnlich erscheinen, da Babys und Kleinkinder noch nicht wirklich verbal kommunizieren können, doch es gehe dabei um mehr als nur eine formelle Zustimmung.
Externe Ratschläge stoßen oft auf elterlichen Unmut
Egal, um welches Thema es geht – ob Stillen, Schlafen, Schnullern, Füttern, Kita oder Schule: Die meisten Eltern haben sehr genaue Vorstellungen davon, was richtig und was falsch ist. Besonders in Sachen Kindererziehung. Externe Ratschläge? Unerwünscht! Es ist also kein Mysterium, warum der TV-Auftritt einer australischen Sexualpädagogin für ganz schön viel Zunder gesorgt hat.
Eltern regen sich auf: Sexualpädagogin sorgt für Wirbel im US-Fernsehen
Die australische Sexualpädagogin Deanne Carson wurde nach einem Interview im amerikanischen Fernsehen (US-Fernsehsender ABC News) von aufgebrachten Eltern in den sozialen Netzwerken stark verhöhnt und beleidigt.
Während ihres Auftrittes erklärte sie, dass Eltern ihren Kindern schon sehr früh beibringen sollten, es zu äußern, wenn sie etwas nicht wollen oder nicht berührt werden möchten. Bereits beim Umgang mit Babys sollte man damit anfangen. Genauer gesagt: beim Wickeln.
Sensibilisierung schon im Babyalter sinnvoll
Carson erzählte im TV, dass sie schon mit Kindern ab drei Jahren arbeite. Und mit Eltern bereits ab der Geburt ihres Babys. Ihr sei es wichtig, früh eine Kultur der Zustimmung im Umgang zwischen Erwachsenen und Kindern zu etablieren. Ihrer Meinung nach sollte man schon sehr kleine Kinder fragen: "Ich werde gleich deine Windel wechseln – ist das okay für dich?" Ein Satz, der polarisiert.
Social Media: Hohn und Spott von Eltern
Nachdem das Video ihres Auftrittes im Internet die Runde gemacht hatte, wurde sie mies beschimpft und verspottet. Es gab anscheinend sogar Morddrohungen. Daraufhin deaktivierte Carson vorübergehend all ihre Social-Media-Accounts.
Nonverbale Zustimmung von Babys einholen
Klar ist: Ein Baby kann seinen Eltern noch nicht antworten, zumindest nicht verbal. Es gehe aber vielmehr darum, diese Frage zumindest in den Raum zu werfen. Es klappe auch nonverbal. Man könne seinem Kind auch durch Augenkontakt und Körpersprache signalisieren, dass seine Meinung von Bedeutung ist. Das heißt ganz konkret: Vor dem Wickeln zunächst kurz innehalten, den Augenkontakt zum Baby suchen und auf die Reaktion des Kindes warten. Sollte diese positiv ausfallen, könne man loslegen und die Windel wechseln.
Das solle Kindern laut Sexualpädagogin Carson schon in jungem Alter zeigen, dass NUR SIE die Kontrolle über ihren eigenen Körper haben. Sie dürfen entscheiden, wer sie anfasst. Und eben auch, wer es nicht darf, um nicht Opfer von sexueller Gewalt zu werden.
Viele Eltern seien der Auffassung, dass sie selbst die Bedürfnisse ihrer Kids besser einschätzen können als ihr Nachwuchs selbst. Und deshalb würden sich viele Mamas und Papas über deren Protest hinwegsetzen und einfach handeln.
Kein Erwachsener darf über den kindlichen Körper bestimmen
Doch das Fatale an diesem Verhalten? Kinder werden so daran gewöhnt, dass Große über ihren Körper bestimmen und verfügen dürfen. Dadurch entsteht die Gefahr, dass es kein Wort sagt, wenn es tatsächlich zu einem Missbrauch kommt. Es wurde ihm ja schließlich antrainiert, Situationen unter körperlicher Bedrängnis auszuhalten. Deanne Carsons Rat an Eltern ist daher als eine Art Überspitzung anzusehen, die bewirken soll, dass Eltern für die von ihren Kindern gesetzten Grenzen sensibilisiert werden. Und hier geht es am Ende nicht nur ums Wickeln, sondern etwa auch um das Küsschengeben oder Streicheln zum Einschlafen.
Deutsche Kitas haben einen ähnlichen Ansatz
Man darf von Carsons Aussagen denken, was man will, aber ihr Ansatz ist tatsächlich gar nicht so weit von dem entfernt, was auch in vielen deutschen Kitas praktiziert wird. Im Umgang mit der Intimsphäre von sehr kleinen Kindern raten viele Pädagoginnen und -Pädagogen dazu, die Kinder entscheiden zu lassen, wer sie wickeln darf. (Publikation: "Körperkontakt beim Wickeln").
Die Bedeutung von Körpersprache und nonverbaler Kommunikation
Babys kommunizieren überwiegend über ihre Körpersprache und Laute. Wenn ihr oder Betreuungspersonen es vor dem Wickeln um Erlaubnis fragt, kann das Baby diese Frage nicht im eigentlichen Sinne beantworten. Doch ihr legt damit einen wichtigen Grundstein für die nonverbale Kommunikation. Ihr zeigt eurem Kind nämlich, dass sein Körper respektiert wird und dass es ein Mitspracherecht hat, was damit geschieht.
So könnt ihr die Erlaubnis des Babys einholen
Wählt eine ruhige und sanfte Ansprache. Seht euer Baby direkt an, nehmt Kontakt auf und erklärt ihm ganz genau, was gleich passieren soll. "Ich werde dich jetzt gleich wickeln, ist das in Ordnung für dich?“ Auch ohne verbale Antwort, gibt es oft Reaktionen wie Blickkontakt, Körperbewegungen oder Laute, die als Zeichen der Zustimmung oder Ablehnung interpretiert werden können. Eltern können diese Signale beachten und entsprechend sensibel reagieren.
Und was ist beim Aufkommen von Einwänden?
Nun, das ist eben die Frage. Wenn das Kind "Nein!" sagt oder nonverbal seinen Unmut zum Ausdruck bringt, dann sollen Eltern es einfach in der dreckigen Windel liegen lassen? Fraglich. Doch es gehe laut Carson ja auch gar nicht darum, eine explizite Zustimmung zu erhalten, sondern vielmehr um den respektvollen Umgang und die Anerkennung des Babys als eigenständige Person. Es handele sich vielmehr um einen symbolischen Akt, der die Grundlage für eine respektvolle Eltern-Kind-Beziehung legt.
Fazit: Mehr als nur eine Geste
Das Einholen der Erlaubnis vor dem Wickeln sei mehr als nur eine Geste – es sei vielmehr ein Ausdruck von Respekt und Achtsamkeit gegenüber seinem kleinen Kind. Es lehrt das Kind von Anfang an, dass sein Körper ihm gehört und dass es ein Recht darauf hat, über Berührungen zu entscheiden. Und ganz egal, ob man Carson nun recht gibt oder nicht: Die Gedanken hinter ihrer Forderung sind doch eigentlich gar nicht schlecht. Oder was meint ihr?