Wut richtig begleiten

3 Gründe, warum ihr die Wutanfälle eurer Kinder nicht ignorieren solltet

Wenn Kinder ausflippen, kann das viele Gründe haben – und für Eltern eine echte Herausforderung sein. Immer wieder wird dazu geraten, Wutanfälle einfach zu ignorieren. Darauf zu hören, ist aber keine gute Idee.

Wenn das Spielzeug durch das Zimmer fliegt, ist selten das Aufräumen an sich das Problem.© Foto: Getty Images/Nadezhda1906
Wenn das Spielzeug durch das Zimmer fliegt, ist selten das Aufräumen an sich das Problem.

Alle Eltern kennen sie: die heftigen Wutanfälle der Kleinen. Die Lieblingszahnpasta ist ausverkauft? Der Sternchen-Schlafanzug in der Wäsche? Papa hat darum gebeten, die Spielzeugautos aufzuräumen? Diese (für uns) nichtigen Gründe können Kinder schnell zur Weißglut treiben. Dann schreien, toben, weinen sie oder tun gezielt Dinge, von denen sie eigentlich wissen, dass es nicht okay ist. Gerade in der Öffentlichkeit oder im Kreise der Verwandtschaft wird das dann schnell zur Geduldsprobe für Eltern: Kommentare wie "Er will nur deine Aufmerksamkeit!" und "Einfach ignorieren, dann hört sie schon auf." lassen dann nicht lange auf sich warten. Es gibt (mindestens) drei Gründe, warum ihr genau DAS auf keinen Fall tun solltet.

1. Ihr zeigt, dass eure Liebe nicht bedingungslos ist.

Eltern sind in der Regel die wichtigsten Vertrauenspersonen für Kinder. Ignoriert ihr euer Kind in einem Moment, in dem es intensive Gefühle erlebt, bedeutet das für sie: Meine Vertrauensperson mag mich nur, wenn ich ruhig bin. Ich muss das Gefühl von Wut unterdrücken. Gut möglich, dass euer Kind tatsächlich aufhört zu wüten, wenn ihr es ignoriert – auf Dauer kann das aber dazu führen, dass euer Kind seine Gefühle nicht mehr offen zeigt und sein Selbstwertgefühl schwindet.

Besser: Erst verbinden, dann belehren

Während eines Wutanfalls nehmen Kinder meistens gar nicht wahr, wenn ihr mit ihnen sprecht oder Forderungen stellt. Sie sind wie in einem Tunnel und müssen sich erst beruhigen, bevor sie wieder aufnahmefähig sind. Das heißt für euch: Warten, bis der Sturm vorüber ist. Bleibt in der Nähe, physisch wie emotional. Schaut, wie ihr eurem Kind helfen könnt. Manche wollen in den Arm genommen werden, andere brauchen Abstand. Es kann eine Weile dauern, bis sich euer Kind beruhigt und das ist okay.

Ist es wieder ansprechbar, beschreibt ruhig, was ihr seht, etwa: "Du bist traurig, dass du dein toll aufgebautes Spielzeug aufräumen sollst, deshalb hast du es durch das Zimmer geworfen." Macht verständlich, warum es trotzdem wichtig ist: "Wir müssen den Boden frei halten, damit niemand stolpert. Lass uns dein Spielzeug aufräumen, damit sich niemand wehtut."

Es kann helfen, die Situation spielerisch zu lösen, damit sich euer Kind gesehen und wieder als Teil eurer Familie fühlt. Wichtig ist, nicht zu beurteilen. Denkt daran: Nicht euer Kind ist das Problem, sondern nur das Verhalten.

2. Ihr gebt eurem Kind nicht die Chance, zu wachsen.

Der Teil des Gehirns, der das rationale Denken steuert, ist bei Kindern noch nicht voll entwickelt. Sie KÖNNEN also noch gar nicht so handeln wie Erwachsene. Zudem hatten sie in ihrem Leben noch nicht so viele Möglichkeiten, die Fähigkeit Emotionen zu kontrollieren und auszudrücken, zu trainieren. Wird das "Fehlverhalten" dann einfach ignoriert, hat das Kind keine Chance zu lernen, was es stattdessen machen könnte.

Besser: Vorleben, wie es besser geht.

Macht eurem Kind deutlich, dass alle seine Gefühle okay sind und es mit ihnen zu euch kommen kann. Lasst euer Kind wissen, dass ihr ihm immer helfen werdet – und nicht, dass ihr es bestraft oder gar ignoriert, wenn es wütend ist.

So lernt euer Kind, dass ihr da seid und zu ihm haltet, egal wie es sich gerade fühlt. Es lernt, dass es eure Aufmerksamkeit gar nicht suchen muss, denn sie ist immer da. Gleichzeitig dürft und sollt ihr aber auch Grenzen setzen und alternative Handlungen vorschlagen: "Es ist nicht okay, Spielzeug herumzuwerfen. Wenn du wütend bist, kannst du in dein Kissen hauen." oder ähnliches.

3. Ihr könnt das eigentliche Bedürfnis nicht erfüllen.

Jeder Wutausbruch ist eine Art von Kommunikation. Ignoriert ihr diesen, ignoriert ihr auch das Bedürfnis, das euer Kind damit ausdrücken will. Meistens geht es gar nicht ums Aufräumen oder die ausverkaufte Lieblingszahnpasta, sondern euer Kind ist zum Beispiel eigentlich müde oder überfordert. Vielleicht habt ihr gerade länger telefoniert und es fühlt sich alleine. Vielleicht helft ihr gerade dem großen Geschwisterkind liebevoll bei den Hausaufgaben – und das kleinere Kind fühlt sich ausgegrenzt. Oft weiß euer Kind selbst nicht einmal, warum es gerade so wütend reagiert. Es ist eure Aufgabe als Eltern, ihm dabei zu helfen, seine großen Gefühle trotzdem zu verarbeiten.

Besser: Nicht auf den Wutanfall, sondern auf das Bedürfnis dahinter eingehen.

Findet ihr die eigentliche Ursache für die Wut, ist auch eine passende Lösung nicht weit. Gegen Müdigkeit hilft eine Pause, bei Einsamkeit eine Umarmung. Müssen die Hausaufgaben der Großen nun mal gemacht werden, könnte sich das kleine Kind mit einem Malbuch ebenfalls an den Tisch setzen. Das ist allemal effektiver als so zu tun, als gäbe es gar keine Wut.

Natürlich wollen Kinder unsere Aufmerksamkeit. Es sind Kinder. Was sie aber viel dringender brauchen sind bedingungslose Liebe und  die Sicherheit, akzeptiert und respektiert zu werden. Geben wir ihnen beides und zeigen Wege auf, wie mit Gefühlen wie Wut umgegangen werden kann, lernen eure Kinder dadurch viel mehr, als wenn ihr sie einfach ignoriert – bis sie das "Fehlverhalten" resigniert einstellen.

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