Zusammen oder getrennt?

Sollten Zwillinge in eine Kitagruppe/Klasse gehen – oder lieber nicht?

Unsere Autorin, selbst Zwillingsmama, umtreibt aktuell folgendes Thema: Gemeinsame Kitagruppe, getrennte Kitagruppe? Und dann später in der Schule trennen? Oder weiterhin zusammen? Was ist wirklich besser? Das rät eine Zwillingsexpertin.

Sollten wir Zwillinge in der Kita/Schule trennen?© iStock/romrodinka
Gleiche Klamotte, gleiche Kitagruppe, gleiche Klasse ...? Sollte man Zwillinge überhaupt trennen? 

Als meine Zwillingsjungs gerade zwei Jahre alt geworden sind, haben wir sie in die Betreuung gegeben. In die Kita, die bereits ihr großer Bruder besucht. Das eine Jahr Krippe stand für uns tatsächlich nie groß zur Diskussion: Wir würden beide zusammen in eine Gruppe geben. Auch die damalige Kita-Leitung riet uns dazu. Ein sicherer Hafen für zwei Knirpse im Kleinkindalter. Die richtige Entscheidung, das merkten wir ziemlich schnell. Auch Ilka Poth bestätigt mir, dass es bei Zwillingen unter drei Jahren grundsätzlich besser ist, sie noch nicht zu trennen. Die professionelle Coachin berät Zwillingseltern. Sie ist selbst ein eineiiger Zwilling und ich könnte mich stundenlang mit ihr über die unterschiedlichsten Zwillingsthemen austauschen.

Ab wann sollte man Zwillinge trennen? 

Ein konkretes Alter, ab wann man Zwillinge in unterschiedliche Gruppen oder Klassen geben sollte, möchte Ilka Poth nicht vorgeben. Das wäre viel zu pauschal! Aber: "Das Ziel von Zwillingseltern sollte immer sein, ihre Kinder früher oder später zu trennen – und zwar in kleinen Schritten", macht die Expertin recht schnell deutlich. Und sie erklärt auch, warum. "Eine zu enge Zwillingsbeziehung kann Probleme bereiten, da die gegenseitige Abhängigkeit zunimmt und eine spätere Trennung somit viel schwieriger wird." Eine gewisse Abnabelung voneinander ist also durchaus gesund. 

Eineiige und zweieiige Zwillinge ... 

Einen Unterschied zwischen eineiigen und zweieiigen Zwillingen macht Ilka Poth in ihrer Beratung generell erst einmal nicht, weil beide eine sehr innige und tiefe Bindung zueinander im Mutterleib entwickelt haben. Diese kann im späteren Verlauf zu Herausforderungen führen. Auf eineiige Zwillinge kommt laut Poth zusätzlich sehr oft noch hinzu, dass sie wegen ihrer genetischen und äußerlichen Ähnlichkeit als Spiegelbild des anderen wahrgenommen und behandelt werden. Das kann später zu Problemen führen. So erwartet man von ihnen zum Beispiel gleiche Verhaltensweisen, Neigungen und Interessen, dabei sind auch sie eigene Individuen mit unterschiedlichen Charakteren und Temperamenten.

Meine Erfahrungen als Zwillingsmama ...

Tatsächlich habe ich die Erfahrung gemacht: Die Trennung meiner Jungs kam wohl etwas zu früh. Wir dachten auch, ganz intuitiv, wir wollen den beiden zum Eintritt in den Elementarbereich zwei eigene Gruppen ermöglichen: die Möglichkeit auf freie Entfaltung, ohne die geschwisterliche Bindung. Die Chance, eigene Freunde zu finden und ein eigenes Selbstbewusstsein aufzubauen. Einer sollte also ein "Tiger" werden. Der andere ein "Elefant". Unser kleiner "Elefant" arrangierte sich mit der neuen (getrennten!) Situation ganz prima und ging ab Tag 1 freudestrahlend und neugierig in seine Kita-Gruppe. Unser kleiner "Tiger" hingegen war ein halbes Jahr lang, man muss es leider so sagen, recht unglücklich. Es verging kaum ein Tag ohne Abschiedstränen, ohne ein "Ich will nicht in die Kita!". Er fand keinen Anschluss und keine Freude im Kita-Alltag. Eine Woche Notbetreuung in der Gruppe seines Zwillingsbruders, in der er so richtig aufblühte, ließ uns dann entscheiden: Die beiden gehören wieder zusammen! Zum Glück waren Erzieherinnen und Kita-Leitung voll auf unserer Seite. Der kleine "Tiger" wurde also zum kleinen "Elefanten". Als Oma ihren Enkel vor Kurzem fragte, was das Schönste an der neuen Gruppe sei, war die Antwort klar: "Dass wir wieder zusammen sind!"

Ausnahmen von der "Regel"

Ja, auch die Zwillingsexpertin bestätigt uns: Es gibt Ausnahmen, die zunächst gegen eine Trennung in Kita oder Schule sprechen bzw. für eine gemeinsame Gruppe oder Klasse:  

  • Wenn die Kinder partout nicht wollen. Eine krampfhafte Trennung kann sich traumatisch auf Zwillinge auswirken. Wir dürfen nicht vergessen, diese beiden Menschen haben so eine enge Bindung. Die erste überhaupt. Bereits im Bauch waren sie schließlich neun Monate zusammen. Ilka Poth rät in diesem Fall langsam auf eine Trennung hinzuarbeiten, zum Beispiel durch unterschiedliche Hobbys und Freundeskreise: "Und immer auch Prime-Time nur mit Mama oder Papa in den Alltag einbauen – und zwar von Anfang an. Exklusivzeit ist so wichtig für Geschwister, vor allem für Zwillinge, weil sie dadurch ihre eigene Identität entwickeln und Eltern ihre wahren Unterschiede erkennen und fördern können."
  • Wenn die Zwillinge für sich genommen starke, individuelle Charaktere sind, die problemlos nebeneinander sein können, einen ausgewogenen Umgang miteinander haben, ihre Beziehung genießen und sich gut auf die Außenwelt einlassen können, dann kann auch eine gemeinsame Klasse gut funktionieren. "Denn in der Schule", das gibt die Familienberaterin zu bedenken, "werden Zwillingskinder in ihren Leistungen und ihrem Verhalten leider immer noch viel zu oft verglichen."

Übrigens: Das Eltern-Argument "Es ist doch aber so praktisch, wenn meine Zwillinge in einer Gruppe/Klasse sind: ein Elternabend, eine Klassenreise, eine Lehrkraft ..." kann die Coachin natürlich auch nachvollziehen. Sie rät aber trotzdem eindeutig davon ab, eine psychologisch so weitreichende Entscheidung von pragmatischen Aspekten abhängig zu machen. 

Mein Tanzbereich, dein Tanzbereich!

Uns ist auch klar, wir wollen den beiden ihren eigenen Tanzbereich ermöglichen. Wann und wie, das ist noch nicht klar. Einer interessiert sich seeeehr für Fußball. Der andere wird vielleicht mal ein Karatekämpfer? Es gab auch schon Einladungen zum Kindergeburtstag. Nur für den einen. "Und das muss okay sein!" bestärkt mich Ilka Poth. "Wir dürfen unsere Ängste und Gefühle nicht auf die unserer Kinder projizieren!" Auch das nehme ich als Mutter mit aus diesem interessanten Gespräch. 

Die Einschulung ist noch dreieinhalb Jahre hin. Wir haben also noch etwas Zeit für diesen nächsten großen Meilenstein im Leben unserer Zwillinge. Wobei ich an dieser Stelle noch ausdrücklich hinzufügen möchte: Ich rede normalerweise so gut wie nie von "den Zwillingen" in ihrer Gegenwart. Ich nenne immer ihre Vornamen. Denn auch das weiß Ilka aus Gesprächen und eigener, sehr persönlicher Zwillingserfahrung nur zu gut: "Es gibt nichts Schlimmeres für Zwillinge, als wenn sie immer nur als Doppelpack gesehen werden!" Ermöglichen wir also all unseren Kindern, ob nun Zwilling oder nicht, eine Chance auf Individualität.

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