
Dass wir in unserem alltäglichen Leben ständig Schadstoffen ausgesetzt sind, ist bekannt. Aber Weichmacher im Urin von Kitakindern? Diese News war so aufsehenerregend, dass sie Anfang des Jahres für Schlagzeilen sorgte. Wir haben für euch zusammengestellt, was ihr über Weichmacher wissen müsst.
Wie kommen Weichmacher in den Kinderurin?
Das Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz Nordrhein-Westfalen (LANUV) untersucht regelmäßig alle drei Jahre anhand von Urinproben die Schadstoffbelastung von Kindern. Auftraggeber ist das Umweltministerium NRW. Für die Untersuchung wird Urin von 250 Kita-Kindern im Alter von zwei bis sechs Jahren auf verschiedene Schadstoffe wie Konservierungsmittel, Pestizide und eben auch Weichmacher analysiert. Die Proben von 2011 wiesen eine erhöhte Menge eines in der EU verbotenen Weichmachers (Phtalat) auf. Dieser spezielle Weichmacher hat – wie viele andere Weichmacher auch – eine fortpflanzungsschädigende Wirkung, kann unfruchtbar machen und zu Fehlbildungen der Geschlechtsorgane führen. Deshalb wird er in der EU als besonders besorgniserregend eingeschätzt.
Weichmacher aus Sonnenschutzmitteln?
Erste Hinweise legten nahe, dass der entsprechende Weichmacher aus Sonnenschutzmitteln stammte. Auch wenn das Zusetzen dieses Weichmachers in Kosmetikprodukten in der EU verboten sei, könne er bei der Herstellung eines UV-Filters als Nebenprodukt entstehen, so die Verbraucherzentrale. Dennoch wurden geringere Mengen des Phtalats auch im Urin von Kindern gefunden, die keine Sonnenschutzcreme verwendet hatten. Das deutet darauf hin, dass es auch weitere Ursachen geben muss. Das Umweltbundesamt empfiehlt trotz dieser Erkenntnisse weiterhin, Sonnenschutzprodukte zu verwenden. Bei der ggf. enthaltenen Menge des Weichmachers gehen die Experten nicht davon aus, dass er eine gesundheitsschädigende Wirkung hat.
Was sind Weichmacher überhaupt und wo kommen sie vor?
Generell sind Weichmacher chemische Stoffe, die Materialien – vor allem Kunststoffen – zugesetzt werden, um sie weicher und dadurch auch bruchsicherer zu machen. Spröde Materialien werden dadurch dehnbarer, elastischer oder biegsamer. Weichmacher werden in vielen Produkten eingesetzt, zum Beispiel:
- Spielzeug – vor allem billiges, in Asien etc. produziertes
- Kleidung (z. B. Fleece), Schuhe (Sohlen), Gummistiefel
- Teppiche und PVC-Bodenbeläge
- Kabelummantelungen
- Anstrich- und Beschichtungsmittel
- Griffe
- Klebstoffe
- Kosmetika
- Verpackungsartikel, Plastiktüten, PET-Flaschen (Letztere nur außerhalb der EU)
- medizinische Materialien
- andere Produkte aus Gummi/Plastik
- auch Lebensmittel können mit Weichmachern belastet sein
Sogar im Hausstaub sind schon Weichmacher zu finden, die sich vermutlich aus den entsprechenden Produkten gelöst haben.
Wie wir Weichmacher aufnehmen
Weichmacher können wir auf unterschiedlichen Wegen aufnehmen:
- über den Mund, die Schleimhäute, den Verdauungstrakt
- über die Haut bei Berührung
- über die Atemluft, denn viele Weichmacher dünsten langsam aus
Sind Weichmacher für Menschen gefährlich?
Es gibt solche und solche. Bestimmte Stoffe können sich im Körper anreichern und dann ein Gesundheitsrisiko darstellen. Andere werden einfach wieder ausgeschieden.
Als ungefährlich gilt beispielsweise:
- ATBC (Acetyltributylcitrat), es gehört zur Gruppe der Citrate.
Als gesundheitsgefährdend gelten unter anderem die folgenden Weichmacher:
- Die Phthalate DEHP, DBP und BBP wirken auf das Hormonsystem und gelten als fortpflanzungsgefährdend. Sie sind in der EU seit 2005 in Babyprodukten und Spielzeug, seit 2020 auch in weiteren Produkten verboten, das gilt jetzt auch für DIBP. Einige Phtalate schädigen auch Leber, Nieren, Hoden und Eierstöcke, Schilddrüse und Hirnanhangsdrüse.
- BPA ist ein Hormongift und kann schon in geringer Konzentration für Organmissbildungen und Beeinträchtigung der Gehirnentwicklung sowie der Fortpflanzung führen.
- PAK – einige davon gelten als erbgutverändernd und dadurch krebserzeugend.
- Pyrethroide – einige gelten als nierenschädigend (nephrotoxisch).
Phtalate und andere Weichmacher – gut zu wissen!
- Kauft am besten Phtalat-freies Spielzeug. Wenn ihr ganz sichergehen wollt: das Siegel "Blauer Engel" setzt voraus, dass keine gesundheitsgefährdenden Weichmacher im Spielzeug enthalten sind.
- Sind kleine Kinder im Haus, solltet ihr Teppiche und Böden regelmäßig reinigen, damit keine Weichmacher aufgenommen werden.
- Kinder sollten nur explizit für sie (und vorzugsweise in Europa) hergestellte Dinge in den Mund nehmen.
- Bevorzugt Spielzeug aus Holz oder anderen Naturmaterialien (natürlich nur mit ungiftigen Anstrichen).
- Soll es Plastikspielzeug sein, wählt bevorzugt solches aus Polyethylen (PE) oder Polypropylen (PP) – diese Kunststoffe kommen ohne Weichmacher aus.
- Seit dem Jahr 2013 sind alle in Deutschland vom Hersteller verkauften Tupperdosen ohne BPA.
- Kauft Lebensmittel wie Babybrei bevorzugt im Glas. Allerdings: Auch die Dichtungsringe im Deckel von Gläsern können Weichmacher enthalten. Ölhaltige Lebensmittel können bei Kontakt damit die Weichmacher herauslösen. Dass keine Weichmacher verwendet wurden, erkennt ihr an blauen Dichtungsringen oder bei Babynahrung an grünen.
- Es gibt inzwischen diverse Apps, mit denen ihr Produkte auf Schadstoffe (auch Weichmacher) scannen könnt, zum Beispiel die "Scan4Chem"-App vom Umweltbundesamt oder die "Tox-Fox"-App vom Bund für Umwelt und Naturschutz in Deutschland (BUND). Auch "CodeCheck" und "Yuka" scannen die Barcodes von Lebensmitteln und Kosmetika auf Inhaltsstoffe und helfen, diese zu verstehen.
Verwendete Quellen:
Verbraucherzentrale
LANUV
Deutschlandfunk
Apotheken Umschau