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Claudia Schwarzlmüller, Kinderpsychologin aus Hamburg, nennt sich selbst Kinderdolmetscherin. Jetzt hat sie ein Buch geschrieben, das ihr derzeit "aus den Händen gerissen" wird. Hier lest ihr schon mal ein Kapitel daraus.
Ist Kita für Kleinkinder nun gut oder nicht?
Das Thema Krippe bzw. Kita für Kinder unter drei Jahren wird extrem kontrovers diskutiert. Manche Eltern sind der Meinung: "Die ersten Jahre sollte ein Kind zu Hause bleiben." Andere Eltern sagen: "Meinem Kind wird in der Kita viel mehr geboten als zu Hause." Und dann gibt es noch unzählige Abstufungen dazwischen. Viele Eltern haben natürlich gar nicht die Wahl, weil sie wieder arbeiten gehen müssen.
Die Auswirkung der Kita auf ein Kleinkind wissenschaftlich zu untersuchen ist extrem komplex, weil so viele Faktoren hineinspielen. Das reicht von der Qualität der Kita-Betreuung über die Persönlichkeit des Kindes, der Länge der Betreuung, Art und Zeitpunkt der Datenerhebung, bis zu dem, was dem Kind dann stattdessen zu Hause an Förderung angeboten wird. Das hat dazu geführt, dass Studien zu unterschiedlichen Ergebnissen kamen – es wurden positive, negative und neutrale Effekte gefunden. Man kann zurzeit also die zu seiner Meinung passende Studie finden.
Einzelbetreuung war evolutionär nie vorgesehen
Meiner Ansicht nach müssen wir zunächst die ganze Dramatik aus dem Thema nehmen: Biologisch gesehen ist ein Kind darauf eingestellt, Teil eines Stammes zu sein und von unterschiedlichen Menschen betreut zu werden. Unsere Idee, das Kind nur von einem oder zwei Erwachsenen betreuen zu lassen, diesen Menschen den ganzen Tag mit dem Kind allein in einer Wohnung zu lassen und ihm dazu auch noch viele weitere Aufgaben zu geben, war in der Geschichte der Menschheit nie vorgesehen. Es ist eine höchst fragwürdige Vorgehensweise der westlichen Welt und führt schnell zu einer sehr verständlichen Überlastung.
Weitere Personen neben dem Partner wie die Großeltern, Tanten, Onkel, Freunde, Babysitter und andere Kinder können für dich eine Hilfe sein und dem Kind auch andere Lebensrealitäten zeigen. Was passt als Ergänzung zu eurer Kleinfamilie? Vielleicht die Oma, Tagesmutter, Erzieherin oder Treffen mit anderen Familien? Der Glaubenssatz "ein Kind gehört zur Mutter" ist immer noch weit verbreitet und sorgt für viel Stress und Sorgen. Natürlich gehört ein Kind zur Mutter oder zum Vater – aber das muss nicht 24 Stunden täglich sein.
Ihr wollt mehr wissen, habt aber keine Zeit zum Lesen? Vielleicht hilft euch dieses Instagram-Reel der Kinderdolmetscherin:
Der Begriff "Fremdbetreuung" passt nicht mehr
In Deutschland nutzen wir oft noch das Wort "Fremdbetreuung" für die Kita, was dem Ganzen ja schon eine gewisse Richtung gibt: Wer würde sein Kleinkind schon Fremden anvertrauen? Das Wort passt nicht mehr zu dem, was wir tatsächlich tun, denn in der Kita wird das Kind über Wochen hinweg eingewöhnt, und es wird sehr großer Wert darauf gelegt, dass die Eltern erst gehen, wenn das Kind eine Beziehung zu einer Betreuungsperson aufgebaut hat. Die pädagogischen Fachkräfte haben ein umfassendes Konzept für die Eingewöhnung entwickelt, was individuell auf jedes Kind angepasst und meist in enger Absprache mit den Eltern umgesetzt wird. Man achtet darauf, dass aus der "Fremdbetreuung" eine "Freundbetreuung" wird.
Welche Betreuung ist denn nun die richtige?
Welche Betreuung für dein Kind das Beste ist, kann man nicht pauschal sagen. Sehr oft hast du gar keine Wahlmöglichkeit, du musst wieder arbeiten – dann tu das bitte ohne schlechtes Gewissen und lass dein Kind neue Erfahrungen in der Kita machen. Suche die Kita für dein Kind nach Bauchgefühl aus. Ein tolles Außengelände und viele Angebote sind dabei sekundär – wichtig ist, welche Einstellung die pädagogischen Fachkräfte zu den Kindern haben und wie sie mit ihnen umgehen. Meine Erfahrung nach vielen Jahren Zusammenarbeit mit Erziehern und Erzieherinnen ist: Die allermeisten wählen diesen Beruf aus Leidenschaft, sie haben ein großes Herz für "ihre" Kinder und engagieren sich sehr für sie.
Schau genau auf dein Kind und deine Lebenssituation. Was passt für euch alle? Was für eine Persönlichkeit hat dein Kind? Wie geht es dir? Kannst du dein Kind generell den ganzen Tag genießen und gehst darin auf? Bist du jemand, der heimlich denkt: "Wenn ich noch einmal Sand in diesen Eimer füllen muss, dann schreie ich"? Schau ehrlich hin – und wenn du die Wahlmöglichkeit hast, triff deine individuelle Entscheidung für dich und dein Kind, unabhängig von der Meinung deiner Umgebung.
Unser Buch-Tipp
Ihr wollt das ganze Buch? Kein Problem. In "Die Kinderdolmetscherin. Was dein Kind fühlt, denkt und wie du damit umgehst. Dein Kind von 0 bis 6 Jahren" (EVT: 29. Mai 2024) findet ihr unglaublich viele praxiserprobte Tipps, die ihr mit eurem Kind gleich umsetzen könnt. Dabei berücksichtigt die Autorin und Psychologin die typischen Entwicklungsphasen und bietet Eltern einen Perspektivwechsel an.