Endlich ruhiger Schlaf

Schlaf bei Kleinkindern: Das sollten Eltern unbedingt wissen

Der Schlaf bei Kleinkindern ist eine Wissenschaft für sich. Eine Kinderpsychologin hat wertvolle Tipps, die sie hier mit euch teilt. 

Schlafendes Kleinkind.© Fotolia
Der Schlaf bei Kleinkindern ist oft ziemlich sensibel.

Claudia Schwarzlmüller ist Diplom-Psychologin für Kinder und Jugendliche und Inhaberin der "Fortbildungsakademie Hamburg". Bei Instagram nennt sie sich selbst "die Kinderdolmetscherin". Nun hat sie ein neues Buch geschrieben, aus dem wir hier ein Kapitel mit euch teilen dürfen.

Schlaf bei Kleinkindern

In ihrem Buch schreibt sie: 

Ein Baby beginnt mit sehr vielen kleinen Schläfchen über die 24 Stunden des Tages verteilt. Langsam werden die Schlafphasen in der Nacht länger, tagsüber gibt es dann noch drei, später zwei und dann nur noch ein Tagesschläfchen. Viele Kinder stellen sich mit ungefähr achtzehn Monaten auf nur einen Tagesschlaf um, bis das Kind mit zwei, drei oder vier Jahren nur noch nachts schläft.

Vor dem Einschlafen wird bei deinem Kind das Bedürfnis nach Bindung wieder aktiviert, denn Einschlafen ist eine Trennungssituation für dein Kind. Alleinsein ist nach wie vor bedrohlich – was, wenn der Säbelzahntiger um die Ecke kommt? Dein Kind hat jetzt auch das Bewusstsein entwickelt, dass Mama und Papa wirklich weggehen können.

Ein Familienbett löst für viele Familien das Problem des nächtlichen Weiterschlafens. Das Kind versichert sich beim Aufwachen immer wieder, ob alles okay ist in der Umgebung – und da hilft Nähe, Wärme, der Atem und vertraute Geruch der Eltern sehr. Alleine schlafen hat aus Sicht des Kindes keinen einzigen Vorteil.

Wenn du selbst überhaupt nicht schlafen kannst, wenn dein Kind neben dir liegt, ist ein Familienbett nicht praktikabel. Ein Bodenbett in einem anderen Zimmer kann helfen, dass dein Kind mit dir zusammen einschlafen und notfalls alleine entscheiden kann, ob es nachts zu dir ins Schlafzimmer kommt. Die Tatsache, dass es seine Situation notfalls selbst ändern kann, ist oft schon sehr hilfreich für das Kind.

Was den Schlaf eines Kleinkindes stören kann

Nächtliche Störungen durch Krankheiten, Änderungen im Tagesrhythmus, Albträume, Nachtschreck und Monster unter dem Bett kommen immer mal wieder phasenweise vor. Schlafen bleibt in den ersten Jahren meistens eine Achterbahnfahrt mit Höhen und Tiefen. Auch die Kita-Eingewöhnung und andere Lebensveränderungen wie ein Umzug oder neu auftretende Ängste können das Schlafverhalten massiv beeinflussen. Schlafen ist von Nacht zu Nacht unterschiedlich. Genauso wie bei Erwachsenen.

Wenn du etwas an der Schlafsituation ändern möchtest, dann kann es sehr sinnvoll sein, dies gemeinsam mit einem Schlafcoach oder einer Schlafberaterin zu tun. Die individuelle Lösung für eure Situation wird dann zusammen erarbeitet und umgesetzt.

Einschlafen kann nicht von außen hergestellt werden, es hat mit Vertrauen, Loslassen, Sich-fallen-Lassen zu tun. Es ist eine sehr sensible, feinsinnige Angelegenheit, bei der nonverbale Botschaften und Gefühle eine große Rolle spielen.

Ich weiß noch, dass ich irgendwann mal am Bett meines nicht einschlafenden Sohnes saß und da so gerne weg wollte. Ich wollte ihn in dem Moment nicht in den Schlaf begleiten. Ich wollte endlich Zeit für mich haben. Ich wollte mein Kind loswerden für diesen Abend.

BItte keine Schuldgefühle, wenn die Einschlafbegleitung mal schwerfällt

Wie soll man sich dabei entspannen und gut einschlafen, dachte ich dann irgendwann, das ist ja für ein kleines Kind beängstigend, wenn Mama nur weg will. Ich bringe ihm hier gerade bei, gegen den Schlaf anzukämpfen, weil er aufpassen muss, dass ich nicht weglaufe. Ich bringe ihm gezielt das Nichtschlafen bei.

Ich konnte mein Gefühl in diesem Moment nicht ändern – aber ich konnte es feststellen, und das half tatsächlich schon ganz gewaltig. Ich konnte ehrlich sein. All meine klugen Schlafrituale dienten dazu, mein Kind in den Schlaf zu tricksen, damit ich schneller meine Ruhe hatte. Als ich mir das selbst ganz ehrlich eingestand, mir deswegen auch keine Schuldgefühle machte – ich war ja nun mal zu gestresst und überlastet – entschuldigte ich mich kurz innerlich bei meinem Sohn. Ich gab diesen Abend 'verloren', akzeptierte es, hier jetzt einfach zu sitzen. Daraufhin schlief mein Sohn ein.

Unsere Gefühle übertragen sich auf unser Kind

Und nein, das kann man nicht als neuen tollen Trick anwenden. Es war an diesem Abend ein ehrliches Gefühl, eine spontane Einsicht, und es tat mir wirklich leid. Wir sollten uns fragen, was wir innerlich wirklich fühlen, und uns klarmachen, dass unser Kind gerade in so einer sensiblen Situation wie Einschlafen sehr darauf reagiert. Gefühle übertragen sich extrem schnell zwischen dir und deinem Kind.

Wieso ist das Schlafen generell so ein Problem in unserer Kultur? 

Schlafen ist ein absolutes Grundbedürfnis. Wenn man müde ist, schläft man ein. Eigentlich ganz einfach. Lass uns ehrlich sein: Wir hätten oft gerne, dass das Kind nicht dann schläft, wenn es eben müde ist, sondern sich an unsere Schlafzeiten anpasst. Es soll möglichst früh einschlafen und spät aufwachen. Es darf auf keinen Fall im Auto einschlafen, tagsüber nur gerade so viel, dass es abends noch schlafen kann – wir sind sehr damit beschäftigt, den Schlaf zu steuern. Das Ins-Bett-Bringen nennen wir oft 'Einschlafbegleitung' und machen daraus ein kompliziertes Projekt.

Bei Instagram gibt die Kinderdolmetscherin regelmäßig in kleinen Reels super hilfreiche Tipps für den Alltag mit Kindern – so erklärt sie zum Beispiel in diesem Reel, warum wir Kindern nicht immer sofort die Problemlösung präsentieren sollten:

Der Schlaf gehorcht nicht einer bestimmten Uhrzeit

Generell hilft ein Schlafrhythmus natürlich schon sehr, es ist wichtig, dein Kind an einen Rhythmus zu gewöhnen. Und es ist auch sehr verständlich, dass wir bei unserem oft stressigen Alltag zu einer bestimmten Zeit 'Feierabend' haben wollen. Aber passt das immer zum Schlaf? Dem muss sich jeder Mensch einfach überlassen, man kann ihn nicht zu einer bestimmten Uhrzeit herstellen. Der Bedarf nach Schlaf ist so wie der Bedarf nach Essen – jeden Tag ein kleines bisschen anders. Man ist mal früher und mal später müde, das hast du bestimmt auch schon erlebt. Wir können nur mit Geduld, Flexibilität und Liebe unterstützen, bis das Kind das Schlafen selbst erlernt hat.

Schlafen bei 4- bis 6-Jährigen

Manchmal ist es so, dass das Schlafen über die Jahre hinweg zum Kampf mit dem Kind geworden ist. Vielleicht kannst du dann einen neuen Blickwinkel gebrauchen: Michaeleen Doucleff hat sich als Mutter und Journalistin aufgemacht und einige Jahre lang entlegene Kulturen besucht, um dort nach anderen Erziehungsansätzen zu suchen. 

Beim Schlafen hatte sie mit ihrer Tochter ein ähnliches Erlebnis wie ich mit meinem Sohn – sie stellte fest, dass sie ihrer Tochter, die allerdings schon etwas älter war, gezielt das Nichtschlafen beigebracht hatte. Jeder Abend war ein Kampf ums Ins-Bett-Gehen.

Sie hatte auf ihren Reisen erlebt, dass Erziehung in anderen Kulturen ganz anders angegangen wurde. Wie kann man einem Kind entspannt etwas beibringen? Das Prinzip: 'Eine Tasse Vor-machen, eine Tasse Übung und eine Prise Anerkennung' ergab ihrer Beobachtung nach eine neu erlernte Fähigkeit. Sie fragte sich, warum sie das eigentlich beim Schlafen nicht anwendete.

Wie bringt man einem Kleinkind also das Schlafen bei?

Dein Kind muss für das Schlafen eigentlich nur zwei Dinge lernen:

  1. Wie fühlt sich Müdigkeit in meinem Körper an? 
  2. Was tue ich dann?

Sie begann also damit, ihrem Kind ein Vorbild zu sein. Wie nimmt man Müdigkeit wahr? Sie erzählte ihrer Tochter und machte es vor, dass sie gähnen müsse, sich die Augen reiben, ihr ganzer Körper fühle sich müde und schlapp an. Sie machte sich dann selbst bettfertig und legte sich hin. Wenn ihre Tochter dann von sich aus dazukam oder sich gleich mit ihr zusammen fertig machte, dann schenkte sie ihr Anerkennung für dieses Verhalten. Sie lächelte, kuschelte mit ihr. Dann übten sie gemeinsam, wie man leise ist und langsam zur Ruhe kommt. Es gab keinen Druck dabei, nur eine Einladung zum Schlafen. Es ging darum zu schlafen, weil man müde ist, unabhängig von der Uhr.

Nach vielen Abenden Übung darin, zur Ruhe zu kommen und Müdigkeit zu spüren, begann die Tochter, das selbst umzusetzen. Das Schlafengehen wurde sehr langsam von einem Kampf zu dem, was Schlafen auch sein kann: eine willkommene, kuschelige Erholungspause, die einen für den neuen Tag fit macht. Die Tochter hatte gelernt, ihre Körpersignale zu deuten und darauf zu reagieren und ging fortan dann ins Bett, wenn sie müde war – und das war ungefähr zu denselben Zeiten wie vorher, nur jetzt viel entspannter.

(Aus: Claudia Schwarzlmüller, "Die Kinderdolmetscherin. Was dein Kind fühlt, denkt und wie du damit umgehst", © 2024 S. Fischer Verlag GmbH)

Unser Buch-Tipp

Ihr wollt das ganze Buch? Kein Problem. In "Die Kinderdolmetscherin. Was dein Kind fühlt, denkt und wie du damit umgehst. Dein Kind von 0 bis 6 Jahren" (EVT: 29. Mai 2024) findet ihr unglaublich viele praxiserprobte Tipps, die ihr mit eurem Kind gleich umsetzen könnt. Dabei berücksichtigt die Autorin und Psychologin die typischen Entwicklungsphasen und bietet Eltern einen Perspektivwechsel an.