
"Töröööö, Benjamin, du lieber Elefant, kannst sprechen und bist überall bekannt ... "
Mit einer Geschichte des persönlichen Superhelden oder den liebsten Lieblingsliedern selig einschlummern? Viele Kinder finden so in den Schlaf. Was für uns früher die Kassette war, ist heute vielleicht die Toniebox, die Tiger Box oder eine andere moderne Hörspielbox. Zugegeben: Die Möglichkeiten, mit Geschichten und Musik einzuschlafen, sind diverser geworden, das Prinzip aber ist gleich geblieben. Selbst so manch Erwachsener schläft auch heute noch gern mit Bibi, Benjamin oder TKKG ein – hört euch mal in eurem Bekanntenkreis um! Aber wir haben uns gefragt, was macht das eigentlich mit unseren Kids, wenn jeden Abend eine Box dudelt, kurz bevor sie ins Schlummerland abdriften. Kann das okay sein? Wir haben unter anderem bei Prof. Dr. Angelika A. Schlarb nachgefragt. Sie ist Diplom-Psychologin und Kinder-Jugendlichen-Therapeutin an der Universität Bielefeld. Ihr Haupt-Forschungsbereich: Schlaf im Kindes- und Jugendalter.
Einschlafen mit Hörspiel oder Musik ist grundsätzlich okay, solange ...
Prof. Dr. Schlarb rät grundsätzlich nicht von Gesichten oder Liedern beim Einschlafen ab. Sie gibt allerdings zu bedenken, was fundamental wichtig bei dieser Art von Einschlaf-Ritual ist:
Das, was man vorspielt, sollte bitte nicht zu aufregend sein!
Dieser Hinweis gilt übrigens auch für das Vorlesen von Büchern und für Fernsehsendungen sowieso. Letztere sollten nur mit mindestens zwei Stunden Abstand vor dem Schlafen gezeigt werden.
Die Expertin ergänzt, dass die gehörten Geschichten nicht zu neu sein dürften und somit auch im positiven Sinne nicht aufregend sein sollten. Wow, Achterbahnfahren, sie haben gewonnen ... Jubel! Trubel! Auch das würde zu viel Aufregung für das Kind bedeuten – genau wie verängstigende Gruselgeschichten. "Je näher das alles dem Schlaf kommt, desto mehr führt es auch zu einer emotionalen Aufregung bei Kindern. Und die ist schlafhinderlich!"
Die Folge: Das Kind wird unruhiger einschlafen, ggf. nicht durchschlafen und eventuell sogar unter Albträumen leiden.
Die zertifizierte Schlafberaterin Nina Weingarten, die viele Familien berät, geht sogar so weit, vom Einschlafen mit Musikplayern eher abzuraten. Warum? "Die meisten Kinder, die etwas zum Einschlafen hören – also bis sie wirklich eingeschlafen sind – brauchen dieses Geräusch auch, um nachts die Schlafzyklen zu verbinden. Nur 20 Prozent der Kinder ist es egal, wie sie einschlafen, sie schlafen trotzdem durch." Es kann also passieren, dass sich ein Gewöhnungseffekt einschleicht. Und das Kind dann Schwierigkeiten hat, ohne sie in den Schlaf zu finden. Zum Runterfahren und Kuscheln findet die Schlafexpertin solche Player (und Bücher sowieso!) allerdings super – nur eben nicht als alleinige Strategie zum Einschlafen.
Bitte auf die Lautstärke achten!
Wichtig ist es auch, dass Eltern die Lautstärke der Player im Blick haben. Eine zu hohe Lautstärke kann nämlich den Schlaf stören und im ärgsten Fall sogar zu Gehörschäden führen. Gut zu wissen: Boxen, die extra für Kinder konzipiert sind wie zum Beispiel die Toniebox, stoppen ohnehin bei einer kindgerechten Maximallautstärke.
Was also: Buch, Hörspiel – Stille?
Wir Erwachsene sind manchmal latent genervt davon, dass kleine Kinder immer und immer wieder die selben Bücher lesen wollen. Doch: Die Kleinen lieben es – und eigentlich ist das sogar perfekt, um in den Schlaf zu finden. Das erklärt uns auch Prof. Dr. Schlarb. Warum sind Wiederholungen (und für Erwachsene langweilige Bücher) gut? Es besänftigt. Unsere Minis wissen genau, was in der Story als Nächstes auf sie zu kommt. Können zum Teil sogar mitsprechen. Das ist beruhigend! Und das Prinzip gilt genau so auch für Hörspiele. Besonders ideal sind übrigens laut der Expertin schlafspezifische Lullabies. Also Einschlaflieder extra für Kinder!
Viele Kinder lieben es auch, wenn Mama und Papa noch aus gewissem Abstand zu hören sind: wie sie klappern, aufräumen, den Geschirrspüler einsortieren ... Das wirkt beruhigend und signalisiert: Ich bin nicht allein! Und kann so manche Episode von Bibi oder Benjamin ersetzen.
Ein Ritual? Alles okay! Unabdingbar? Heikel.
Eine weiterer wichtiger Aspekt für Eltern: "Egal, was man seinen Kindern zum Einschlafen vorspielt, man sollte sich immer fragen: Ist es ein Ritual oder ist es unabdingbar, damit mein Kind einschläft?" so die Psychologin.
Und wie erkenne ich nun als Elternteil, dass das Schlummern mit Musikplayer schon unabdingbar geworden ist? "Ich frage Eltern dann immer: 'Wenn Sie in den Urlaub fahren, würden Sie nach 100 Kilometer wieder umdrehen, wenn Sie die Musikbox vergessen haben?'" Wird die Frage direkt bejaht, dann sollte man an der Problematik arbeiten. Das gilt im Übrigen auch für andere Einschlafbegleiter wie Kuscheltiere oder Ähnliches. Wenn diese wirklich durch NICHTS anderes zu ersetzen sind, was Mama und Papa zum Beispiel am Reiseziel kaufen könnten, wenn keine Varianz mehr möglich ist, dann ist man im klinischen Bereich. So erklärt es Prof. Cr. Schlarb. Jetzt müsse man als Eltern handeln und sich ggf. erst einmal vertrauensvoll an seinen Kinderarzt wenden.
Aber Einschlafrituale mit Geschichten, Kuscheltieren und Co werden doch immer als das Non-Plus-Ultra der Einschlafkunst gefeiert? Die Psychologin rät auch überhaupt nicht von einer Ritualiserung ab, solange sie nicht zwanghaft wird: "Nehmen sie ruhig den Hasi zum Einkuscheln! Aber nehmen Sie ab und an eben auch mal das Bärchen!" Das gilt genau so für alles andere: Heute mal die Toniebox und morgen wieder die Spieluhr. Heute bringt Mama ins Bett und morgen Papa. "So gewöhnen sich Kindern an Varianzen, und das ist absolut gesund!"
Fazit
Drei wichtige Punkte im Hinblick auf das Einschlummern mit Geräuschen für uns Eltern:
- Das Hörspiel bzw. die Musik darf bitte nicht zu aufregend werden – ob im Positiven oder im Negativen!
- Die Lautstärke sollte leise bis moderat sein, damit Kinder trotzdem gut und gesund in den Schlaf finden.
- Das Ritual darf sicht nicht zu etwas Unabdingbarem entwickeln.