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Shein: Öko-Test weist gefährliche Giftstoffe in Kinderkleidung nach

Millionenfach wird auch hierzulande Kinderkleidung des chinesischen Mode-Riesen Shein bestellt. Die Kritik an dem Fast-Fashion-Anbieter wird jedoch zunehmend lauter. Jetzt enthüllt Öko-Test, wie viele Giftstoffe in den Billig-Klamotten wirklich stecken.

Shein Store von außen.© Getty Images/SOPA Images
Der chinesische Mode-Konzern Shein boomt – doch in der Kinderkleidung wurden toxische Substanzen entdeckt.

Update 25. Juli 2024

Öko-Test hat 21 Artikel von Shein unter die Lupe genommen und fällt ein vernichtendes Urteil: Nur ein Drittel der getesten Produkte schafft überhaupt ein "ausreichend" – der Rest ist "mangelhaft" oder sogar "ungenügend." 

"Das Ergebnis ist ziemlich verheerend. Wenn man es auf den Punkt bringen will, könnte man sagen: Es ist viel giftiger Schrott dabei. Und nicht nur giftiger, sondern teilweise auch nicht gesetzeskonformer Schrott", erklärt Kerstin Scheidecker, stellvertretende Chefredakteurin von Öko-Test. "Das Unternehmen wird in unserem Test seinem miserablen Ruf gerecht. Shein steht im Verdacht, immer wieder Gesetzeslücken auszunutzen. Es landen Produkte auf dem Markt, die nicht verkauft werden dürften, die nicht europäischen Standards entsprechen. Das kann unser Test bestätigen."

Schuhe kommen am schlechtesten weg

In acht Produkten wurden Rückstände giftiger Chemikalien nachgewiesen, die deutlich über den Grenzwerten lagen – darunter befanden sich auch Kleidungsstücke für Kinder und Teenager. In einem Kleid wurden beispielsweise Antimonrückstände nachgewiesen, ein hochgiftiger Stoff, der über Schweiß in die Haut gelangt. In einem anderen Kleidungsstoff wurde Dimethylformamid gefunden, das als fruchtbarkeitsschädigend gilt. 

Noch schlimmer sind allerdings die getesteten Schuhe: Die in einem Paar Damen-Sandalen gemessenen Gehalte überschreiten gleich mehrere EU-Grenzwerte, darunter Blei und Cadmium. Auch die Menge an Phthalaten, einem Weichmacher, der die Fortpflanzungsorgane und ungeborene Kinder im Mutterleib schädigen kann, war drastisch erhöht. Hinzu kommt, dass die Schuhe minderwertiger Qualität waren und in einem Fall bereits nach 5.700 simulierten Schritten eine verschlissene Sohle aufwiesen. Zum Vergleich: Von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfohlen sind 10.000 Schritte täglich. Wer sich daran hält, kann seine Shein-Sandalen im Zweifelsfall schon nach einem halben Tag wieder entsorgen. "Die Qualität ist teilweise so miserabel, dass man wirklich von Einweg-Kleidung sprechen muss", so die stellvertretende Chefredakteurin von Öko-Test.

Kerstin Scheidecker empfiehlt: "Hart gesagt ist es das Beste, nicht bei solchen Unternehmen zu bestellen. Die Chance, sich Schadstoffe ins Haus zu holen, die in Europa längst verboten sind, besteht. Auch was die Nachhaltigkeit und die Produktionsweisen angeht, lassen Sie die Mode am besten da, wo sie ist."

Den ganzen Testbericht gibt es unter www.oekotest.de

Shein: Billig und giftig

Die neue Jacke wurde gefühlt erst dreimal getragen, und schon sind die Ärmel zu kurz. Und die neue Hose wird am Knie auch schon wieder fadenscheinig ... Keine Frage: Kinderkleidung ist ein Fass ohne Boden. Immerzu geht irgendwas kaputt, verloren oder wird zu klein. Anders ausgedrückt: ein teurer Spaß. Ständig muss was Neues her, und das geht ins Geld. Genau da kommen Fast-Fashion-Anbieter ins Spiel – mittlerweile ganz vorne mit dabei der chinesische Mega-Konzern Shein.

Der Mode-Riese ist online quasi dauerpräsent, wirbt aggressiv mit neuesten Fashion-Trends zum Spottpreis. Auch für Kinder ist die Auswahl gigantisch. Kleidung aller Art, Schuhe, sogar Taschen, Schmuck und Spielzeuge bietet Shein schön übersichtlich und vor allem unschlagbar billig auf seiner Website an. Da nicht das Richtige zu finden, ist nahezu unmöglich. Nur: Auch wenn die Teile günstig sind, bezahlen die Kunden letztlich einen hohen Preis. Denn die Shein-Klamotten stecken voll von giftigen Chemikalien. Das brachte eine neue Untersuchung nun als Licht. 

Shein: die wichtigsten Fakten

  • Gegründet wurde das Unternehmen 2008 von Chris Xu unter dem Namen SheInside in Nanjing im Osten Chinas.
  • Ein Jahr später folgte der Namenswechsel zu Shein (gesprochen Schi-In).
  • Der Konzern wurde 2022 auf einen Wert von mehr 100 Milliarden US-Dollar geschätzt.
  • Der Hauptsitz befindet mittlerweile in Singapur, die Pakete werden jedoch weiterhin aus China versendet.
  • Immer wieder werden Vorwürfe laut, dass Shein gegen Gesetze verstoße, Sklavenarbeit einsetze, Steuern in Milliardenhöhe umgehe und zudem gigantische Datenmengen sammle. Shein weist diese Vorwürfe zurück.

Gefährliche Weichmacher in Kinderkleidung

Die Regierung Südkoreas hat Kinderkleidung von Shein analysieren lassen und kam zu einem schockierenden Ergebnis: Mehrere Produkte enthielten giftige Substanzen, die teilweise hundertfach über der zulässigen Höchstgrenze lagen. Die Ergebnisse der Laboruntersuchungen zeigten, dass in mehreren der getesteten Kleidungsstücken hohe Mengen des Weichmachers Phthalat enthalten waren. Ein paar Schuhe enthielt 428-mal so viel Phthalat wie zulässig. Drei Taschen wiesen Mengen auf, die bis zu 153-mal so hoch waren wie der Grenzwert, heißt es aus Seoul.

Phthalat ist eine chemische Verbindung, die häufig als Weichmacher in Kunststoffen verwendet wird. Phthalate können jedoch gesundheitsschädlich sein und stehen im Verdacht, hormonelle Störungen und andere gesundheitliche Probleme zu verursachen. 

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So reagiert Shein auf die Vorwürfe

Ein Shein-Sprecher erklärte gegenüber der Nachrichtenagentur AFP, das Unternehmen "nehme die Produktsicherheit sehr ernst". Weiter heißt es: "Wenn wir von einer Beschwerde gegen unsere Produkte erfahren, entfernen wir das Produkt vorsichtshalber sofort von unserer Website, während wir unsere Untersuchungen durchführen." Das Unternehmen arbeite mit internationalen unabhängigen Prüfagenturen zusammen, um die Einhaltung der Produktsicherheitsstandards zu gewährleisten.

Fakt ist: Es ist nicht das erste Mal, dass Chemikalien oberhalb der EU-Grenzwerte entdeckt wurden. 2023 ließ Greenpeace 47 Produkte von Shein in einem Labor untersuchen: Sieben davon, vor allem Schuhe, enthielten eine erhöhte Konzentration des gesundheitsschädlichen Weichmachers. Daneben fanden die Wissenschaftler auch Formaldehyd und Nickel, das als allergieauslösend gilt.

Kinderarbeit ist traurige Realität. Das folgende Instagram-Video zeigt, unter welchen desaströsen Bedingungen Fast-Fashion-Kleidung oftmals produziert wird: 

Shein setzt auf radikale Rabatte

Shein ist Umweltverbänden schon lange ein Dorn im Auge. Die Ultra-Fast-Fashion-Marke, die ein neues Kleid innerhalb einer Woche vom Design bis zur Verpackung fertigstellen kann, produziert Waren von nur kurzer Lebensdauer. Viele Teile der "Ramsch-Kollektionen" landen schon nach kurzer Zeit wieder im Müll. 

Trotz aller Kritik wächst der chinesische Konzern weiter. Allein in Deutschland soll die Shein-App bereits 10 Millionen Downloads verzeichnen. Vor allem bei der jüngeren Zielgruppe kommt die Billig-Mode gut an: Fast die Hälfte der User (47 Prozent) ist laut Statista zwischen 18 und 29 Jahren alt.

Wer die App öffnet oder auf der Shein-Website stöbert, bekommt ordentliche Rabatte quasi nachgeworfen. Bis zu 70 Prozent auf die Sommer-Kollektion, Summer-Sale, Super-Sale, Spezialpreise heißt es in schrillen Lettern auf der Startseite. Dass Shein seine Ware zu derartigen Schleuderpreisen verkaufen kann, liegt auch an den zumindest fragwürdigen Produktionsbedingungen. Immer wieder wird der Konzern mit Zwangsarbeit in Verbindung gebracht. Ob man dennoch guten Gewissens bei Shein shoppen kann? Das muss letztlich jeder für sich selbst entscheiden. Die Antwort liegt allerdings nahe ...