
Wer kennt ihn nicht: den Moment auf Elternabenden, der meist droht, wenn der zeitlich vorgegebene Rahmen bereits länger überzogen wurde als "Wetten, dass ...?" in seinen besten Zeiten. Dann, wenn die Hälfte der Anwesenden den Vorsatz über Bord geworfen hat, das Handy in der Tasche zu lassen, heimlich WhatsApp-Nachrichten zu beantworten beginnt – und die andere Hälfte, herzhafte Gähner unterdrückend, gegen Sekundenschlaf kämpft. Abzüglich derer, die Dinge besprechen wollen, die sie vielleicht lieber mit ihrem (Familien-)Therapeuten klären sollten als in dieser Runde. Und dann kommt sie, die berühmte Frage der Lehrkraft:
Wer möchte denn in diesem Schuljahr Elternsprecher werden?
Versteckt auf der Schultoilette
Cindy und Cordula (die sich vor wenigen Minuten noch überambitioniert darüber informierten, ob das Mensa-Essen denn jetzt wirklich bio ist) beginnen hektisch, in ihren Handtaschen imaginäre Dinge zu suchen. Kai, der gerade noch ganz empört darüber war, dass wirklich kein männlicher Erzieher bei der Klassenfahrt dabei ist ("Wer spielt denn dann mit unseren Jungs Fußi?"), täuscht einen (natürlich sehr wichtigen) Anruf vor, stolpert, ins Smartphone flüsternd, aus dem Raum. Und die echten Profis, die sind längst draußen, weil sie mittels akribischer Analyse der Tagesordnungspunkte exakt 45 Sekunden vor der gefürchteten Fragestellung auf die Toilette geflüchtet sind.
Es folgt betretenes Schweigen und – je nach Grad des Humors – ein halb witziger "Freiwillige vor, bevor wir hier jemanden zwingen müssen"-Spruch von Lehrer-Seite. Bis widerwillig der Arm des- oder derjenigen hochgeht, welche/r die unangenehme Situation schlicht nicht mehr aushält.
Im Sommer 2019 tat genau das auch mein Arm. Meine Zwillinge waren in der Vorschule, und ich dachte: Wenn ich hier mit zwei Kindern sozusagen zu 200 Prozent vertreten bin, bin ich quasi doppelt in der Pflicht, also bring ich es mal hinter mich, bevor es in der ersten Klasse richtig ernst wird – so schlimm wird es schon nicht werden ...
Nie gab es mehr zu tun als in der Pandemie
Dann kam Corona. Und ich hatte nicht nur eine neue Stelle, die ich im Homeoffice mit zwei Fünfjährigen im Hintergrund zu stemmen hatte – nebenbei entpuppte sich zusätzlich das Elternsprecher-Ding zum echten Nebenjob. Kaum ein Tag verging, an dem ich nicht mit der Klassenlehrerin telefonierte. Ich koordinierte die Verteilung des Unterrichtsmaterials, suchte Lösungen für nicht funktionierende Online-Meetings, nahm Kontakt zu den Eltern auf, die digital nicht erreichbar waren. Ich war Schnittstelle, Sprachrohr, Sekretärin in einem.
All das war anstrengend – und trotzdem blieb ich, zusammen mit einem sehr engagierten Papa eines Mitschülers meiner Kinder, auch in der ersten und zweiten Klasse im Amt. Denn: Ja, es gibt angenehmere Dinge, als Anliegen und Probleme von anderen Eltern weiterzutragen, auch wenn man selbst vielleicht ganz anderer Meinung ist. Auch auf das Geldeinsammeln für diverse Weihnachts- und Geburtstagsgeschenke hätte ich verzichten können, zumal die guten Teile ja dann auch noch besorgt und mit liebevollen Karten bestückt werden möchten.
Unterm Strich aber fand ich es toll, so nah dran zu sein, viel intensivere Einblicke in den Schulalltag zu bekommen und den regelmäßigen Austausch mit Lehrern und Lehrerinnen zu haben.
Die gute Nachricht ist: Der Zeitaufwand hält sich, wenn nicht gerade eine Pandemie wütet und Homeschooling erzwingt, mit ein bis zwei Stunden pro Woche absolut in Grenzen.
Im vergangenen Jahr haben mein Elternsprecher-Buddy Ulf und ich übrigens beschlossen, uns pünktlich zur Grundschulhalbzeit unserer Kinder ablösen zu lassen. Herrlich daran: Wenn wieder die berühmte Frage gestellt wird, können wir uns ganz entspannt zurücklehnen, und die Verhinderungstaktiken von Cindy, Cordula, Kai und den Klogängern aus nächster Nähe betrachten, ohne selbst beschämt auf den Boden gucken zu müssen – wir waren ja schon dran. Allein dafür lohnt sich's.
7 gute Gründe, sich zum/zur Elternsprecher/in wählen zu lassen
1. Enger Draht zu den Lehrer/innen
Als Elternsprecher steht man natürlich in engem Austausch mit den Klassenlehrern. Das ist gerade zu Beginn der Schulzeit von Vorteil, wenn die Lehrkräfte erst noch alle kennenlernen müssen: Die Elternsprecher (und damit auch ihre Kinder) haben sie auf jeden Fall schnell auf dem Schirm.
2. Stärkung des Zusammenhalts
Auch die anderen Mamas und Papas lernt man als Elternsprecher deutlich schneller kennen, schließlich ist man Ansprechpartner für alle Belange, Sorgen und Wünsche der Eltern. So bekommt man schnell einen Überblick über die Stimmung in der Klasse, kann den Zusammenhalt z. B. durch gemeinsame Aktionen oder Stammtische aktiv stärken.
3. Tiefer Einblick in den Schulalltag
Die wirklich wichtigen Dinge seitens der Schule erfährt man als Elternsprecher zuerst. Das ermöglicht teils tiefe Einblicke in den Schulalltag. Oft gibt's dabei auch exklusive Informationen, die man (zunächst) gar nicht an die Elternschaft weiterträgt. Diese Verschwiegenheit muss in einigen Fällen sogar unterschrieben werden.
4. Die Zukunft mitgestalten
Soll das beim Spendenlauf gesammelte Geld in eine Kletterspinne auf dem Schulhof investiert werden – oder lieber in das Outdoor-Klassenzimmer? Solche Fragen werden häufig im Elternbeirat diskutiert, zu dessen Sitzungen man als Elternsprecher meist automatisch eingeladen wird. Wer seine Meinung hier einbringt, hat direkten Einfluss auf die Gestaltung der Zukunft der Schule. Und je früher man sich beteiligt, desto mehr haben auch die eigenen Kinder davon. Erst recht, wenn noch Geschwisterkinder folgen, die dieselbe Schule besuchen sollen.
5. Konfliktlösungs- und Moderationstraining
Als Elternsprecher lernt man noch einmal auf einer ganz anderen Ebene, in Konflikten deeskalierend zu wirken und möglichst diplomatisch in alle Richtungen zu reagieren. Und hier liegt nicht der einzige Lerneffekt: Auch Moderationstraining gibt's quasi kostenlos dazu, denn viele Lehrer erwarten, dass die Elternsprecher die Elternabende leiten.
6. Gutes Gefühl
Jeder kennt's: Es macht nicht immer nur Spaß, die Katze des Nachbarn zu füttern – wenn der nach zwei Wochen aus dem Urlaub kommt, hat man trotzdem das tolle Gefühl, etwas Gutes getan zu haben. Klar ist: Als Elternsprecher sammeln wir Punkte auf dem Karma-Konto!
7. Stolzer Nachwuchs
Die Kids finden's gut, dass wir uns so einbringen und uns für das interessieren, was in der Schule so abläuft. Jede Wette!