
Eigentlich hatte sich die Weltgesundheitsorganisation (WHO) vorgenommen, dass Europa bis 2015 masernfrei sein würde. Doch dieses Ziel konnte nicht eingehalten werden. Im Gegenteil: 2018 haben sich rund 41.000 Menschen europaweit infiziert, 37 Todesfälle wurden erfasst. In Deutschland hat der Bundestag am 14. November 2019 daher ein Gesetz verabschiedet, dass die Impfpflicht für Kindertagesstätten, Tagesmütter, Schulen, Gemeinschaftseinrichtungen und Flüchtlingsunterkünfte vorschreibt. Ab dem 1. März 2020 müssen Eltern also vor der Aufnahme in eine Kita oder eine Schule belegen können, dass ihre Kinder geimpft sind. Sind die Kinder bereits in einer Kita oder Schule, ist bis 31. Juli 2021 nachzuweisen, dass sie geimpft sind oder bereits einmal an Masern erkrankt waren. Verstöße sollen mit Bußgeldern bis zu 2500 Euro geahndet werden können.
Update vom 18. Mai 2020: Mehrere Familien hatten nach dem Beschluss des Bundestages Beschwerde beim Bundesverfassungsgericht eingereicht. Sie monieren nicht die Impfung an sich, sondern die Impfpflicht, die eine selbstbestimmte Entscheidung auf Basis "sachgerechter, unabhängiger und neutraler Informationen" nicht mehr zulasse. Diese Eilanträge wurden nun aber vom Bundesverfassungsgericht abgelehnt. In der Begründung heißt es unter anderem, dass das Interesse, Kinder ohne Masern-Schutzimpfung in einer Kita betreuen zu lassen, hinter dem Interesse "an der Abwehr infektionsbedingter Risiken für Leib und Leben einer Vielzahl von Personen" zurückstehen müsse.
Update vom 01. August 2022: Die Übergangsfrist für die Masern-Impfpflicht ist nun vorbei. Eltern müssen die Impfung ihrer Kinder in der Schule und Kita uneingeschränkt nachweisen können. Ebenso gilt die Regel für Beschäftigte in Kitas und Schulen, Flüchtlingsunterkünften, Arztpraxen und Krankenhäusern.
Masern sind zwar als Kinderkrankheit bekannt, sie sind aber gefährlich und nur sehr schwer auszurotten. Unser Experte Dr. Martin Terhardt beantwortet die wichtigsten Fragen.
Wie verläuft die Krankheit?
Masern verlaufen in zwei Phasen. Zunächst leidet das Kind an typischen Erkältungssymptomen mit Fieber und geröteten, verschwollenen Augen; es reagiert deshalb auch empfindlich auf Licht. Einen eindeutigen Hinweis auf Masern geben zu Beginn der Erkrankung weißliche Flecken am Gaumen und an den Innenseiten der Wangen, die wie Kalkspritzer aussehen. Nach einer kurzen Besserung steigt in der zweiten Phase am dritten, vierten Tag das Fieber erneut an. Gleichzeitig zeigt sich zuerst hinter den Ohren und im Gesicht der typische Masern- Ausschlag: hellrote Flecken, die dunkler werden und zu größeren Flächen zusammenfließen.
Wie ansteckend sind Masern?
Die Krankheit ist hoch ansteckend, und zwar fünf Tage vor bis vier Tage nach Erscheinen des Ausschlags. Bis die Masern dann tatsächlich bei dem angesteckten Kind ausbrechen, vergehen ungefähr zehn Tage.
Warum sind Masern so gefährlich?
Die häufigsten Komplikationen sind Mittelohr-, Lungen- und Kehlkopfentzündungen. Seltener, aber viel schlimmer sind Gehirn-Entzündungen, die oft bleibende Schäden mit Behinderungen hinterlassen oder sogar tödlich enden. Noch zehn Jahre nach einer Masern-Infektion kann eine "subakute sklerosierende Panenzephalitis" (SSPE) auftreten. Dabei erleiden scheinbar gesunde Kinder aus heiterem Himmel irreparable Hirnschäden, die binnen weniger Jahre unweigerlich zum Tod führen.
Wie kann ein Kind mit Masern behandelt werden?
Gegen das Masern-Virus helfen keine Medikamente. Wenn Ärzte Antibiotika verordnen, dann nur gegen die Komplikationen. Eltern können also lediglich versuchen, die Beschwerden ihrer Kinder zu lindern: mit fiebersenkenden Zäpfchen und Hustenmitteln, mit Ruhe im abgedunkelten Zimmer (kein Fernsehen!) und indem sie ihrem kleinen Patienten viel zu trinken geben.
Wie kann ich mein Kind schützen?
Als einziger zuverlässiger Schutz vor den Masern gilt die Impfung. Der Impfkalender der Kinderärzte sieht jeweils einen Pikser mit dem Kombinationsimpfstoff gegen Masern, Mumps, Röteln und Windpocken zwischen dem 11. und 14. sowie zwischen dem 15. und 23. Monat vor. Wegen der großen Impflücken sollen sich außerdem Jugendliche und Erwachsene impfen lassen, die nach 1970 geboren wurden und die nicht oder lediglich einmal gegen Masern geimpft wurden. Wer es nicht weiß, lässt sich besser ebenfalls impfen. Inzwischen beobachten die Ärzte nämlich eine Verschiebung der Masern vom Kinder- ins Erwachsenen-Alter – und dann gibt es ernstere Komplikationen.
Was tun, wenn mein Kind noch nicht geimpft ist und in der Familie Masern auftreten?
Masern-Wellen sind vor allem für Babys gefährlich, die noch nicht geimpft sind. Ungefähr sechs bis zehn Monate lang profitieren die Kleinen allerdings von dem Nestschutz, den sie von ihren Müttern geerbt haben – vorausgesetzt, die Frauen waren selbst geimpft oder haben die Masern durchgemacht.
Was sind "Impfmasern"?
Anders als die anderen Impfstoffe, die kleine Kinder bekommen, besteht das Masern-Serum aus abgeschwächten lebenden Erregern. Die lösen bei ungefähr jedem 20. Kind "Impfmasern" aus, eine schwächere, nicht ansteckende Form der Krankheit. Vor allem ist das Risiko von ernsten Komplikationen dabei deutlich geringer (1:1 000 000) als bei echten Masern (1:1 000).