
Gespannt erwarten viele Eltern den ersten Zahn ihres Babys. Doch für die Kleinen (und dadurch auch für die Eltern) ist das nicht immer eine entspannte Zeit. Häufige Anzeichen dafür, dass sich ein neuer Zahn ankündigt, sind vermehrtes Sabbern, Kauen auf den eigenen Fingern oder Händen und mitunter gerötete, warme Wangen. Viele Babys haben Schmerzen und sind dann unruhiger und quengeliger als sonst. Da ist es verständlich, dass sich einige Eltern auf die Suche nach einem Mittel gegen die Schmerzen begeben. Wir haben mit der Apothekerin und Stillberaterin Clara Steinbrück gesprochen, die allerdings klar zur Vorsicht mahnt, was Zahnungsgele betrifft.
Warum sind Zahnungsgele problematisch?
Was hat es mit Zahnungsgelen auf sich? Warum sind sie nicht grundsätzlich empfehlenswert, wenn sie doch genau zu diesem Zweck auf den Markt gebracht wurden? Clara Steinbrück erklärt, dass viele Zahnungsgele das starke Oberflächenanästhetikum Lidocain enthalten. Dabei gebe es zwei Probleme: "Erstens: Lidocain als Oberflächenanästhetikum erreicht oft gar nicht den Ort, an dem es wirken sollte. Der Zahnungsschmerz sitzt nämlich tief in der Kauleiste, wenn die Zahnwurzeln wachsen und gegen den Kieferknochen drücken", weiß die Apothekerin und Stillberaterin.
"Zweitens: Das Zahngel wird von den Babys oft im gesamten Mundraum verteilt. Das kann Probleme verursachen, wenn die Zunge eines Babys mit dem Lidocain in Berührung kommt und taub wird. Eine taube Zunge kann das Stillen erschweren, da die Zungenbewegungen eine entscheidende Rolle beim Trinken spielen. Dies kann zu zusätzlichen Problemen wie einer wunden Brustwarze bei der Mama führen. Bekommt das Baby schon Beikost, kann ein tauber Mund dazu führen, dass es sich versehentlich in die Wange oder auf die Zunge beißt und sich dadurch verletzt."
Das will sicher keiner von uns Eltern. Was also tun?
Zahnungsgele und -öle im Öko-Test
Für die Ausgabe 9/2025 hat Öko-Test Zahnungsgele und -öle unter die Lupe genommen. Die Tester raten ausdrücklich von Produkten mit Zucker, Alkohol oder dem Wirkstoff Lidocain ab. Ganze fünf der 15 getesteten Produkte, also ein Drittel, fallen durch (unter anderem "Dentinox Gel Care sanfte Zahnungspflege", "Matchstick Monkey Zahnungsgel Erdbeer-Banane" und "Osa Pflanzen-Zahngel"). Öko-Test rät insgesamt als Zahnungshilfe eher zu einer sanften Massage der Kauleisten oder Beißringen, statt zu Gelen und Ölen mit mitunter vor allem für Säuglinge fragwürdigen Inhaltsstoffen. Die besten Produkte im Test schneiden gerade mal mit einem "befriedigend" ab.
Wenn wirklich gar nichts hilft und das Baby ununterbrochen schreit, empfiehlt Dr. Tanja Brunnert, Kinderärztin und Bundessprecherin des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzt*innen, für ein oder zwei Nächte ein Schmerzmittel wie Paracetamol. Das wirke länger und besser als ein Zahnungsgel. Eltern sollten aber mit dem Kinderarzt ihres Vertrauens Rücksprache halten.
Gibt es eine Alternative zu herkömmlichen Zahnungsgelen für Babys?
Auf dem Markt gibt es auch pflanzliche Zahnungsgele ohne den Wirkstoff Lidocain. Diese seien bessere Alternativen, weiß die Apothekerin. Die Pflanzenauszüge besitzen eine schmerzstillende und entzündungshemmende Wirkung und können auch bei tiefsitzendem Zahnungsschmerz helfen. Allerdings lassen sich auch diese Zahngele nur schlecht einmassieren, sodass ein Großteil des Gels im Mund verteilt und geschluckt wird. "Pflanzliche Zahnungsgele sollten also erst dann zum Einsatz kommen, wenn ein Baby neben Muttermilch auch schon Beikost zu sich nimmt", sagt Clara Steinbrück.
Was sind eigentlich Zahnungsöle?
Die Expertin hält auch Zahnungsöle für eine gute Alternative (z. B. aus der Bahnhofs-Apotheke Kempten). Man trägt es äußerlich auf die Wangen auf und massiert es ein. "Es wirkt genau an der betroffenen Stelle entzündungshemmend und regt die Durchblutung an, sodass die Entzündung schnell abklingen kann", erklärt die Apothekerin. Manche Zahnungsöle enthalten zusätzlich auch Lavendel, das sich beruhigend auf die Stimmung des Babys auswirkt. Auch ein gekühlter Beißring kann Babys laut Clara Steinbrück das Zahnen erleichtern. Während des Herumkauens wird das Zahnfleisch massiert und der Druck auf die Zahnleisten reduziert.
Was gibt es bei der Auswahl eines Zahnungsgels noch zu beachten?
- Alkohol: Auch nur in geringen Mengen ist Alkohol für Babys und Säuglinge nicht geeignet. Es kann die Zahnungswunde zusätzlich reizen.
- Zucker: In manchen Zahnungsgelen ist Zucker enthalten, der vor allem für die Zahngesundheit problematisch ist und das Risiko von Karies am frisch gewachsenen Zahn erhöhen kann.
Wann sollte man einen Kinderarzt aufsuchen?
Reichen die genannten Tipps bei einem Baby nicht aus und leidet es während des Zahnens sehr, sollte man Rücksprache mit dem Kinderarzt oder der Kinderärztin halten – auch um auszuschließen, dass das Baby nicht unter einem unbemerkten Infekt leidet, wie zum Beispiel einer Mittelohrentzündung oder einem Harnwegsinfekt. Sind es dann doch "nur" die Zähne, kann der Kinderarzt euch ein Schmerzmedikament empfehlen. "Paracetamol hilft gut gegen Schmerzen. Ibuprofen hat zusätzlich auch noch eine entzündungshemmende Wirkung", erklärt Clara Steinbrück. "Diesen Effekt kann man sich besonders beim Zahnen zunutze machen, wenn das Zahnfleisch geschwollen und entzündet ist."
Noch mal abschließend zusammengefasst: Wenn euer Baby zahnt, solltet ihr auf Zahnungsgele lieber verzichten, insbesondere wenn Lidocain, Alkohol oder Zucker enthalten sind. Eine bessere Alternative sind ein Zahnungsöl, das äußerlich angewendet wird, und die Verwendung von angenehm kühlenden Beißringen. Bei stärkeren Schmerzen, Fragen oder Bedenken sprecht ihr am besten mit eurem Kinderarzt oder der Apothekerin.
Unsere Zahnungsexpertin
Clara Steinbrück ist Apothekerin, Stillberaterin EISL, Fachkraft für Formula-ernährte Säuglinge und Dreifachmama. Sie ist als 3. Vorsitzende des Babyfreundliche Apotheken e. V. und als Gründerin von "BeipackWissen" auf Schwangere und Babys spezialisiert.