Aufwachsen ohne Geschwister

5 Dinge, die alle Einzelkind-Eltern wissen sollten

Wer auch immer das heute hören muss: Nein, dein Einzelkind ist nicht verwöhnt und narzisstisch. Im Gegenteil: Einzelkinder haben viele wunderbare Eigenschaften und glänzende Zukunftsperspektiven. Hier sind 5 Fakten, die alle Ein-Kind-Eltern bestärken.

Glückliche Familie mit einem Kind. © iStock/Vasyl Dolmatov
Einzelkinder bekommen von ihren Eltern oft die volle Aufmerksamkeit – und das ist auch gut so.

Es gibt Vorurteile, die so oft widerlegt wurden, dass es wirklich erstaunlich ist, wie hartnäckig sie sich dennoch halten. Dass Frauen schlecht Auto fahren, zum Beispiel. Oder dass Männer keine Gefühle zulassen. Und auch: dass Einzelkinder egoistisch und verwöhnt sind. 

Kein Wunder, dass sich viele Einzelkind-Eltern bei so viel Druck von außen immer wieder selbst hinterfragen: Ist es wirklich okay, ein Kind ohne Geschwister aufwachsen zu lassen? Und dass, obwohl die Ein-Kind-Familie das am weitesten verbreitete Familienmodell ist ...

Dabei ist bereits seit Jahrzehnten erwiesen, dass Einzelkinder im Vergleich zu Kindern mit Geschwistern eben nicht benachteiligt sind. "Rein wissenschaftlich sind die Vorurteile gegenüber Einzelkindern schon seit spätestens den 1980er Jahren widerlegt. Toni Falbo, selbst Einzelkind und Professorin an der Universität von Texas, wertete über 200 Studien aus und zeigte auf, dass sich Einzelkinder und Kinder mit Geschwistern in ihrer Entwicklung nicht signifikant unterscheiden", erklärt Anna Hofer, Elternberaterin und Autorin. Auch die große deutsche Einzelkindstudie von Prof. Dr. Thomas von Kürthy bestätigt dies.

Dennoch halten all die Erkenntnisse viele Menschen nicht davon ab, Einzelkind-Eltern immer wieder vorwurfsvoll zu fragen: "Und, wann kommt denn nun endlich ein Geschwisterchen?" 

"Interessant dabei ist, dass vor allem Menschen, die selbst mit Geschwistern aufgewachsen sind, ein besonders negatives Bild von Einzelkindern haben. Dabei fußt dieses Bild auf Mutmaßungen und Klischees, die über Generationen weitergegeben werden", weiß Anna Hofer. 

Höchste Zeit, mit diesen Stigmatisierungen aufzuräumen! 

Hier sind 5 Fakten, die allen Einzelkind-Eltern Mut machen

Einzelkinder haben ...

… eine innige Beziehung zu den Eltern

"Einzelkinder und ihre Eltern pflegen innige Beziehungen zueinander. Wer das liest, könnte meinen, dass das sogar negativ ausgelegt werden könnte. Stichwort 'Helikopter-Eltern', aber das ist nicht das, was ich meine", erklärt Anna Hofer. "Eltern von einem Kind erleben diese Meilensteine der natürlichen Ablösung vom Elternhaus sehr bewusst. Das heißt aber nicht, dass sie per se klammern und ihre Kinder daran hindern, eigene Wege zu gehen und unabhängig zu werden. Alle Eltern stehen vor der Herausforderung, ihre Kinder ihrem Alter entsprechend flügge werden zu lassen. "

… eine Familie, die komplett ist

"'Ein Kind ist kein Kind' – kaum ein Satz verletzt Eltern mit einem Kind mehr als dieser. Ein-Kind-Familien sind nicht erst dabei, eine Familie zu werden. Sie sind es bereits! Ich wünsche mir, dass Familien mit einem Kind genauso als Familie angesehen werden, wie Familien mit zwei oder mehr Kindern. Leider fühlen sich Familien mit einem Kind oft als Eltern zweiter Klasse. Es wird ihnen unterstellt, sie würden es sich mit 'nur' einem Kind besonders leicht machen. Sie seien egoistisch und würden ihrem Kind eine wichtige Erfahrung vorenthalten. Dabei sind die Gründe eine Ein-Kind-Familie zu sein sehr vielfältig. Es ist eine sehr individuelle Entscheidung und leider manchmal auch ein individuelles Schicksal."

… soziale Kompetenzen

"Das oft genannte Argument für Geschwister ist das des Spielgefährten, der gleichzeitig dafür sorgt, dass sich das erstgeborene Kind sozial entwickelt. Wir wissen heute so viel mehr über die Entwicklung von Kindern und was Kinder brauchen, um gesund aufzuwachsen. Und ja, Kindern tut das Zusammensein mit anderen Kindern sehr gut. Um mit ihnen zu spielen und freundschaftliche Bande zu knüpfen. Und auch um auf der kindlichen Ebene soziale Kompetenzen zu erlernen. Aber anders als noch in der Generation unserer Eltern und Großeltern bietet sich jungen Familien eine Fülle an Gelegenheiten, damit Kinder in Kontakt mit anderen Kindern kommen, unabhängig, ob sie Geschwister haben, oder nicht. Ob in einer Krabbelgruppe oder beim Babyschwimmen, bei der Tagesmutter, in der Kita oder nachmittags auf dem Spielplatz: Unsere Kinder haben viele Möglichkeiten mit anderen Kindern zusammen zu sein."

Ich wünsche mir eine positive Gleichwertigkeit von Elternschaft. Ganz gleich, wie viele Kinder in einer Familie geboren werden.

… ein starkes Netzwerk

"Die große Angst vieler Eltern ist die, dass ihrem Kind etwas fehlt, wenn es keine Geschwister hat. Dass es sich beispielsweise allein um seine alternden Eltern kümmern muss. Und dass es allein sein wird, wenn seine Eltern tot sind. Diese Sorgen sind verständlich, aber unbegründet. Zum einen zeigt sich immer wieder, dass Geschwisterbeziehungen oft nicht unbelastet sind. Die Pflege der Eltern bleibt dann manchmal doch bei nur einem der Kinder hängen. Zum anderen werden unsere Kinder ohne Geschwister nicht einsam sein. Unsere heute kleinen Kinder werden einmal Erwachsene sein, die sehr wahrscheinlich auf ein soziales Netz, bestehend aus Kolleg*innen und Freund*innen und vielleicht auch einer eigenen Familie zugreifen, die sie unterstützen. Es gibt keinen Grund davon auszugehen, dass dem nicht so sein wird."

… eine glückliche Zukunft

"Wir alle wünschen uns für die Zukunft unserer Kinder nur das Beste. Gleichzeitig müssen wir auch der Tatsache ins Auge blicken, dass nicht alles im Leben planbar ist. Auf vieles, was in der Zukunft auf unsere Kinder zukommt, haben wir keinen Einfluss. Und auch die immer wieder heraufbeschworene innige Geschwisterbeziehung kann sich als nicht so innig herausstellen, wie Eltern es sich gewünscht haben. Nicht die Anzahl der Familienmitglieder ist entscheidend, sondern ihre Liebe und ihr Verhältnis zueinander."

Unsere Expertin: Anna Hofer
Anna Hofer

Anna Hofer ist psychologische Beraterin, Stillberaterin und Autorin. Sie lebt mit ihrer Familie in Köln.

Mehr Infos unter www.anna-hofer.de