
Dieser Text sollte eigentlich davon handeln, wie sich das Leben schlagartig ändert, wenn das Kind endlich keinen Mittagsschlaf mehr braucht. Geplante Fertigstellung: vor Monaten. Aber wie heißt es doch so schön: Mit Kindern werden aus Plänen Überraschungen. Und so entpuppte sich auch der Mittagsschlaf als eine solche Überraschung, nämlich als überraschend zäh. Im gesamten letzten Jahr zeichnete sich immer mal wieder eine zaghafte Vorstellung davon ab, wie der Alltag ohne ihn wohl sein könnte. Ein frei gestaltbarer Nachmittag, ein zeitiger Feierabend. Her mit dem neuen Leben! Und dann, nach einer kurzen Kostprobe sozusagen, ratzte mein Sohn plötzlich doch wieder schön zuverlässig am Tag. Mal um 14 Uhr, mal um 15 Uhr, mal um 16 Uhr. Tagein, tagaus. Die Tragik dahinter können wohl nur Eltern nachvollziehen. Wie sich die spätnachmittaglichen Tiefschlafphasen auf die Zubettgehzeit auswirken, lässt sich erahnen ...
Leben ohne Mittagsschlaf – oder auch nicht
Wenn ich den Mittagsschlaf jetzt verteufele, ist das allerdings auch nur die halbe Wahrheit. Zugegeben: Meine Bemühungen, den Dreijährigen vom Einschlafen abzuhalten, waren eher halbherziger Natur. Mehr so ein vorsichtiges "Hey, du willst du doch jetzt nicht einschlafen?" Willst du doch? Na, gut …
So ein kleiner Break am Tag, um in Ruhe zu essen, kurz ein bisschen aufzuräumen, endlich mal Nachrichten zu beantworten oder auch einfach nur ein paar Seiten zu lesen, ist im Elternalltag halt eben auch immer ein kleiner Kurzurlaub. Wer würde den schon ablehnen ...
Wenn nur die Quittung nicht mit absoluter Sicherheit folgen würde. Nämlich bei der Einschlafbegleitung, die dann gut und gern auch mal bis halb elf dauert.
So saß uns der Mittagsschlaf über Monate immer im Nacken, wenn wir den Tag planten. Es verhielt sich mit ihm wie mit einem unzuverlässigen Date, bei dem man nie sicher sein kann, ob es in letzter Sekunde nicht doch absagt.
Wie früher in Mathe, wenn man mit Gleichungen mit einer Unbekannten gequält wurde. Die Unbekannte im Leben mit einem Dreijährigen lautet: Schläft er heute wohl? Und wenn ja, wann? Und wo? Und wie lange?
Die neue Freiheit
Wie es kommt, dass ich meinen Text nun endlich doch schreibe? Weil das Kapitel Mittagsschlaf eines schönen Tages – von heute auf morgen und ohne unser Zutun – nun endgültig sein Ende gefunden hat. Was sich geändert hat? Zum einen das Energielevel, mit dem der inzwischen Vierjährige nach der Kita, nach dem Kinderturnen, nach dem Spielplatzbesuch ungebremst weiter sein Unwesen treibt (und abends trotzdem noch immer überhaupt gaaar nicht müde zu sein behauptet). Und dass ich plötzlich nicht mehr darüber nachdenke, zu welcher Uhrzeit das Playdate am besten passt oder wann wir den Ausflug machen – weil das Kind ja sowieso wach sein wird.
Allerdings weiß ich jetzt auch: Es ist ein Prozess. Nichts daran verläuft gradlinig – zumindest nicht bei uns. Was Eltern in dieser Zeit tun können: geduldig sein – und es in Kauf nehmen, dass es die Einschlafbegleitung eben immer mal wieder bis in die Puppen dauert. Was es einem abverlangt: vor allem Flexibilität und zig "Sorry, wir kommen später, er ist gerade eingeschlafen"-Nachrichten – von denen ich wahrlich froh bin, sie jetzt nicht mehr schicken zu müssen. Also ja: Das Leben verändert sich, wenn das Kind keinen Mittagsschlaf mehr hält. Schlagartig war daran (bei uns) jedoch gar nichts. Und ja, ohne diesen Klotz von Mittagsschlaf am Bein bewegt es sich deutlich leichter durch den Tag.
Nur manchmal, wenn ich jetzt am frühen Nachmittag, so gegen 14 Uhr, im Wohnzimmer auf einem selbstgebauten Boot aus Kissen und Sofadecken sitze und zum 27. Mal das Seeungeheuer mit einem Zollstock bekämpfen muss, dann, aber auch nur dann, vermisse ich den Mittagsschlaf vielleicht ein klitzekleines bisschen ...