Regretting Second Motherhood

Wenn Mütter es bereuen, ein zweites Kind bekommen zu haben

Ein Geschwisterkind sollte die Familie komplett machen. Doch was, wenn sich nach der Geburt so gar kein Glücksgefühl einstellen will? Diese Frauen brechen ein Tabu und sagen: Wir bereuen es, ein zweites Kind bekommen zu haben.

Mutter von hinten, umarmt ihre Tochter.© iStock/Nadezhda1906
Manche Mütter müssen sich eingestehen es zu bereuen, dass sie ein zweites Kind bekommen haben.

"Und wann kommt das Zweite?"

Baby Nummer eins kann oft noch nicht mal krabbeln, wenn junge Eltern schon von allen Seiten bedrängt werden. Es sei doch nun höchste Zeit für ein Geschwisterchen! Der Altersabstand sollte schließlich nicht zu groß sein, und überhaupt: "Ein Kind ist kein Kind!"

Viele Eltern fühlen sich von ihrem Umfeld unter Druck gesetzt, ein zweites Kind zu bekommen. Und beim ersten Kind lief ja schließlich auch alles ganz okay – wieso also nicht?

Selbst wenn ein zweites Kind ein sehnlicher Wunsch war – in einigen Fällen folgt nach der Geburt von Baby Nummer zwei das böse Erwachen. Schlaflosigkeit, Stress und Erschöpfung potenzieren sich, und plötzlich sind da ganz neue Herausforderungen: nämlich ein Kind und ein Baby zu versorgen.

Wenn das zweite Kind unerwartet zu viel wird

Nach der Geburt des Geschwisterkinds ändert sich das Leben jeder Familie noch einmal drastisch. Oft bringt es ganz andere Bedürfnisse mit als das Erstgeborene. Möglicherweise schreit es viel, schläft schlecht, lässt sich nicht ablegen. Gerade für Eltern, deren erstes Kind einigermaßen pflegeleicht war, kann das ein Schock sein. Und dann ist da immer noch das ältere Geschwisterkind, das plötzlich nicht mehr die ungeteilte Aufmerksamkeit erfahren kann. Viele Mütter quält deswegen das schlechte Gewissen, und viele fragen sich: War es wirklich die richtige Entscheidung, ein zweites Kind zu bekommen?

Bei einigen Frauen macht sich sogar eine Erkenntnis breit, den sich die wenigsten laut auszusprechen trauen: "Ich bereue die Entscheidung, ein zweites Kind bekommen zu haben."

"Regretting Motherhood" – was heißt das eigentlich?

Das Schlagwort "Regretting Motherhood" löste 2015 eine hitzige Debatte aus. In der von der isrealischen Soziologin Orna Donath veröffentlichten Studie bekannten sich Frauen dazu, ihre Mutterschaft zu bereuen und mit dem Wissen von heute kein Kind mehr bekommen zu wollen. Mit dieser Aussage brachen sie ein Tabu, sorgten für heftige Diskussionen und ermutigten viele Frauen, sich im Anschluss ebenfalls zu "Regretting Motherhood" zu bekennen.

Doch es gibt auch Mütter, deren Reue nicht so absolut ist. Die gern Mama waren – bis das Geschwisterchen kam. 

Die Geburt des zweiten Kindes zu bereuen, ist ein Thema, das derart tabuisiert ist, dass sich die Frauen in der Regel nur anonym in Facebook-Gruppen und Foren dazu bekennen.

Mütter gestehen ihre Gefühle – und brechen damit ein Tabu

Eine Frau gesteht: "Vor einem Monat kam mein zweiter Sohn zur Welt. Er war ein absolutes Wunschkind. Ich weiß nicht, ob es nur am Baby Blues liegt, aber ich habe so ein schlechtes Gewissen meinem ersten Sohn gegenüber! Er ist fast zwei. Er tut mir so leid und ich fühle mich total ausgegrenzt, weil ich nicht soviel mit ihm machen kann. Das neue Baby lässt sich noch nicht mal ablegen. Sobald ich ihn hinlege, schreit er, also muss ich ihn den ganzen Tag tragen und bin trotz Tragetuch total unflexibel.
Ich kann mit meinem Ersten nicht mehr so toben und mit ihm nicht mehr nachts kuscheln, weil das Baby nur bei mir liegt. Er fehlt mir so! Ich habe Angst, jetzt ganz viel von seiner Entwicklung zu verpassen, weil ich weniger für ihn da dein kann. Auch wenn es sich schlimm anhört: Am liebsten würde ich die Entscheidung, ein zweites Baby zu bekommen, rückgängig machen, wenn ich könnte."

In einem anderen Beitrag heißt es: "Unser zweites Kind ist fünf Monate alt und eigentlich in 90 Prozent der Fälle ein unkompliziertes Baby. Aber es fällt mir immer noch schwer. An manchen Tagen bereue ich es, ihn zu haben, und ich wünsche mir nur, wieder unseren ersten Sohn zu haben, der drei Jahre alt ist. Alles war so viel leichter, er war kein anspruchsvolles Baby. Unser Leben war viel unkomplizierter, als wir uns noch keine Gedanken um die Routinen eines schreiendes Baby machen mussten. Ich habe mit all dem zu kämpfen und spüre definitiv nicht so viel Verbundenheit mit ihm wie mit meinem ersten, aber ich liebe ihn. Ich weiß einfach nicht, wie ich diese Gefühle überwinden soll, ich habe einfach nicht mehr die Geduld oder die Energie."

Mütter realisieren ihre Grenzen mit dem zweiten Kind

Eine weitere Mutter schreibt: "Als ich nur ein Kind hatte, war ich die geduldigste, verständnisvollste und sehr belastbare Mutter, die ich immer sein wollte. Ich dachte, zwei Kinder sind kein Problem für mich, beim ersten klappt doch auch alles.

Anscheinend reichen meine Ressourcen nur für ein Kind. Seit ich zwei Kinder habe, bin ich ein nervliches Wrack. Ich habe keine Geduld mehr, die kleinste Streiterei treibt mich in den Wahnsinn. Und die beiden streiten viel. Beide Kinder sind keine ruhigen Kinder, immer in Aktion, es gibt nie wirklich Ruhe.

Ich wollte heute mit dem Kleinen Lego bauen, so wie ich es stundenlang mit dem Großen gemacht habe, als der noch ein Einzelkind war. Es ging einfach nicht. Ich war völlig erschöpft, außerdem wollte der Große auch ständig was.

In diesem Moment würde ich mich wahrscheinlich anders entscheiden, mit dem Wissen von heute. So hart es auch klingt."