Nachgefragt

Familienpsychologin verrät: Worüber sich Mütter am häufigsten bei ihrem Therapeuten beschweren

Stress, Ängste, Sorgen um die Kinder: Familientherapeuten verraten, welche Probleme Mütter am meisten belasten – und was sie dagegen tun können.

Junge Frau sitzt auf dem Sofa und spricht.© iStock/SDI Productions
Mutterschaft und Kinderwunsch sind häufige Themen in Therapiesitzungen.

Eine liebevolle Mutter sein, dazu gut im Job, und obendrein eine aufmerksame Partnerin – die Anforderungen an Frauen scheinen mitunter riesig. Doch welche Faktoren belasten Frauen wirklich am meisten? Psychotherapeutinnen gewähren einen aufschlussreichen Einblick in ihren Arbeitsalltag …

Einschneidende Lebensveränderungen 

Laut der US-Psychotherapeutin Meredith Van Ness sind es vor allem die großen Lebensveränderungen, wegen denen Mütter eine Therapie in Anspruch nehmen. "Eltern werden, Scheidung, Empty-Nest-Syndrom oder Wechseljahre. Diese Übergänge können viele Emotionen und Herausforderungen mit sich bringen, und eine Therapie kann in diesen Zeiten Unterstützung und Anleitung bieten", sagt sie gegenüber "Huffpost".

Auch die Frage nach der eigenen Identität bringe viele Frauen dazu, sich in Therapie zu begeben. "Viele Frauen stehen vor der Frage, wer sie sind – außer Mutter, Ehefrau oder Freundin", sagt Alicia Brown,  Psychotherapeutin aus Südflorida. Vor allem junge Mütter würden darunter leiden, wenig soziale Kontakte zu haben, und sie hätten oft das Gefühl, ihre Freunde zu verlieren. 

Um den Frauen in dieser Situation zu helfen, ermutige sie sie dazu, herauszufinden, wie sie sich selbst sehen und welche Idealvorstellung sie von sich selbst haben. "Welche Herausforderungen müssen sie überwinden, damit sie zu ihrem idealen Selbst gelangen können? Welche ihrer Bedürfnisse bleiben unberücksichtigt?"

Sobald es den Frauen gelungen sei, ihre Ziele und Wünsche festzulegen, können sie sie laut Brown priorisieren und ihnen in kleinen Schritten näherkommen. 

Kinderwunsch und Sorgen als Mutter

Generell spielt das Thema Familienplanung bei Therapien eine große Rolle. Egal ob Kinderwunsch, Ängste und Sorgen im Zusammenhang mit einer Schwangerschaft, Unfruchtbarkeit oder die Frage, wie man Kinder mit der Karriere vereinbaren kann – viele Probleme, die entstehen, sobald ein Baby ins Spiel kommt, sind das Hauptthema vieler Therapien.

"Es gibt Überzeugungen und gesellschaftliche Erwartungen, die überwunden werden müssen", sagt die Expertin. "Viele überholte Vorstellungen über Schwangerschaft und Mutterschaft sind tief in unserer Kultur verankert."

Ihr Rat: "Es ist wichtig, dass man mit anderen Frauen spricht und sich verdeutlicht, dass das Frausein nicht eindimensional ist." Statt zu streng zu sich selbst zu sein oder sich mit anderen zu vergleichen, sollten sich Frauen offen und interessiert für die Lebensentscheidungen anderer Frauen zeigen.

Mangelndes Selbstvertrauen

Meredith Van Ness arbeitet außerdem mit vielen ihrer Klientinnen am Thema Selbstvertrauen. Viele Frauen leiden unter dem großen gesellschaftlichen Druck, sind unzufrieden mit ihrem Körper oder bringen Traumata aus vorherigen Beziehungen mit. Nach Erfahrung der Expertin zeigt sich ein Mangel an Selbstwertgefühl auch daran, dass man sich ständig mit anderen vergleicht und schlecht von sich selbst denkt. "Ich würde sagen, dass die meisten der Frauen insgesamt extrem streng zu sich selbst sind", sagt sie. Dabei sei es nie zu spät, an sich selbst zu arbeiten. "Wer sich selbst besser kennenlernt und sich von negativen Gedanken löst, kann diesen schädlichen Kreislauf letztendlich durchbrechen." Tagebuch schreiben, Selbsthilfegruppen und Therapie seien Möglichkeiten, die dabei helfen könnten. 

Druck und Angst

"Es gibt eine tief verwurzelte Überzeugung, dass Frauen alles – arbeiten, putzen, kochen, Kinder großziehen – ohne Hilfe erledigen müssen. Viele Frauen kämpfen mit den übergroßen Ansprüchen, die an sie gestellt werden. Sie sollen alles können", sagt Alicia Brown. "Und nicht nur das: Sie sollen es mit einem Lächeln tun."

Sie sagt, ihre Patientinnen hätten oft das Gefühl, dass die Gesellschaft viel von ihnen verlange und dass sie der Belastung nicht standhalten könnten.

Die Psychologin sagt: "Wenn Menschen 'alles tun', tun sie dies im Allgemeinen, um anderen zu gefallen, und das ist ein Problem." Es gehe darum, eine gesunde Beziehung zu sich selbst zu entwickeln und das Gefühl zu erlangen, niemandem etwas beweisen zu wollen. 

Dieser Druck kann schließlich auch zu einem hohen Maß an Stress und Angst führen. Angst sei auch mit übermäßigem Nachdenken und Selbstzweifeln verbunden. Um dem entgegenzuwirken, empfiehlt Meredith Van Ness, sich darauf zu konzentrieren, rational zu denken. Hat diesen vermeintlichen "Fehler", den ich begangen habe, wirklich noch jemand außer mir selbst bemerkt? Wahrscheinlich nicht.

"Es gibt eine Doppelmoral, die auch eine Rolle dabei spielt, dass Frauen diesen Superhelden- und Superfrau-Komplex haben", sagte Brown. Die Expertin betont, dass es für Frauen wichtig sei, ein Umfeld zu finden, auf das sie sich verlassen können. "Wir sind nicht dazu gemacht, alles allein zu bewältigen. Wir sind soziale Wesen“, sagt sie. Frauen sollten einander deshalb eine Stütze sein.