
Wer sollte besser wissen, wie man mit Kindern spricht, als Kinderpsychologen?
Dank jahrelanger beruflicher Erfahrung wissen sie genau, welche Sätze bei Kindern funktionieren – und welche eben nicht.
Gegenüber "Huffpost" haben drei Expertinnen verraten, auf welche Phrasen sie ihren eigenen Kindern gegenüber deshalb lieber verzichten.
Vorab sei bemerkt: Natürlich geht nicht die Welt unter, wenn uns einer dieser Sätze hin und wieder mal herausrutscht. Dennoch helfen die Expertentipps hoffentlich dabei, die achtsame und liebevolle Kommunikation mit unseren Kindern zu stärken.
Diese Sätze sagen Kinderpsychologen nicht zu ihren eigenen Kindern
"Ich bin von dir enttäuscht"
Kinderpsychologin Ann-Louise Lockhart vermeidet diesen Satz aus zwei Gründen: Zum einen schmerzt er, egal in welchem Alter. Zum anderen kann er im späteren Leben negative Folgen nach sich ziehen.
Wenn Eltern ihrem Kind sagen, dass sie von ihm enttäuscht sind, wird es alles tun, um es ihnen recht zu machen und ständig Angst haben, Fehler zu begehen. Dieses ängstliche und perfektionistische Denken kann auf andere Lebensbereiche übergreifen.
"Beruhige dich"
Einfach mal kurz den Selbsttest machen: Wie geht es uns dabei, wenn jemand uns sagt, wir sollen ruhig bleiben, wenn wir uns gerade fürchterlich über etwas aufregen? Wir fühlen uns unverstanden und werden womöglich sogar noch wütender. Das Gleiche gilt für Kinder.
Die klinische Psychologin Martha Deiros Collado weiß: "Es geht nach hinten los, wenn man einem Kind sagt, es soll sich beruhigen. Man kann Emotionen, die rauswollen, nicht unterdrücken. Das beruhigt niemanden, es macht einen explosiven Ausbruch nur wahrscheinlicher. Bevor Ruhe einkehren kann, muss sich die Emotion zeigen, und das, was sie kommunizieren will, muss gehört werden."
Statt ihr Kind aufzufordern, sich zu beruhigen, versucht die Psychologin, ihre eigenen Gefühle zu regulieren und Gelassenheit in die Situation zu bringen.
"Sag mir, was du möchtest"
Bei Weinkrämpfen oder Wutanfällen neigen Eltern oft dazu, Kinder dazu aufzufordern, klar zu sagen, was sie stört oder was sie möchten. Klingt ja auch erst mal naheliegend. Doch emotional aufgewühlte Kinder sind manchmal gar nicht dazu in der Lage, sich mit Worten zu äußern – selbst wenn sie schon gut sprechen können.
Die Psychologin Martha Deiros Collado rät deshalb dazu, die Bedürfnisse der Kinder für sie zu formulieren. Zum Beispiel: "Du hast Hunger. Möchtest du, dass ich dir einen Snack zubereite?"
In den meisten Fällen wiederholen Kinder das Gehörte dann und lernen so mit der Zeit, sich auch in emotionalen Stresssituationen klar mit Worten auszudrücken.
"Du bist so faul"
Wenn ein Kind eine Aufgabe oder Hausarbeit nicht erledigt, gehen Eltern oft davon aus, dass es keine Lust dazu hat. Aber es kann genauso gut sein, dass ihm die Fähigkeiten dazu fehlen. "Anstatt sie 'faul' zu nennen, ist es meiner Meinung nach wichtig, ihnen die Aufgabe noch mal genau zu erklären und sie mit ihnen durchzugehen", so die Kinderpsychologin Ann-Louise Lockhart. "Es ist wichtig, herauszufinden, was Kinder daran hindert, eine Aufgabe zu erledigen und sie mit ihm zusammen zu üben. Das stärkt ihre Fähigkeiten."
"Hör auf zu weinen"
Ist ein Kind traurig, übertragen sich diese Gefühle auch auf uns Eltern und wir wünschen uns, dass die negativen Emotionen schnell wieder verschwinden. Und manchmal denken wir auch, dass die scheinbare Lappalie – eine durchgebrochene Banane, ein kaputtes Spielzeug – keine Tränen wert sei.
Dennoch sollten wir bedenken, dass Trauer, Wut und Frustration ganz normale Gefühle sind. Die Erleichterung, die das Weinen mit sich bringt, sei "menschlich und gesund", sagt Martha Deiros Collado. Deshalb sagt sie diesen Satz niemals zu ihrem Kind oder zu irgendjemand anderem – sich selbst eingeschlossen. "Tränen sind nützlich, um unseren emotionalen und körperlichen Schmerz zu heilen", sagt sie. "Wenn uns die Tränen kommen, sollten wir das akzeptieren und zuhören, was sie mitteilen wollen."
Anstatt ihrer Tochter zu sagen, sie solle nicht weinen, ermutigt sie sie, ihren Tränen freien Lauf zu lassen, und versichert ihr gleichzeitig, dass es in Ordnung sei, dies zu tun. "Sie darf ihre Gefühle voll und ganz spüren", betont sie.
Kinderpsychologin Kristin Loiselle Rich fügt hinzu, dass die Aufforderung an Kinder, mit dem Weinen aufzuhören, "kein Einfühlungsvermögen vermittelt" und es Kindern so in Zukunft schwerer fallen kann, Gefühle und Probleme zu äußern. "Dies kann dazu führen, dass Kinder Gefühle der Traurigkeit unterdrücken, und auch dazu, dass sie andere Emotionen zurückhalten und später unter Ängsten leiden", erklärt sie.
"Du solltest dankbar sein"
Wenn Eltern von Kindern Dankbarkeit erwarten, überfordern sie sie damit schlicht. "Kindern fehlt noch die Fähigkeit, die Perspektive eines anderen einzunehmen oder Empathie zu zeigen", sagt Ann-Louise Lockhart. "Sie sind nicht in der Lage, ihre Gedanken und Gefühle klar und sachlich zu verarbeiten. Und selbst wenn sie dazu in der Lage wären, haben sie nicht die verbale Fähigkeit, es laut auszusprechen."
Eltern müssen also ihre Erwartungen an die Art und Weise, wie Kinder Dankbarkeit zeigen, anpassen. "Es ist ziemlich unfair, unsere Erwachsenenhaltung auf das Gehirn eines Kindes zu übertragen", so Ann-Louise Lockhart.
"Das geht dich nichts an"
Für die Expertin ist dieser Satz schlicht unhöflich. "Man kann genauso gut sagen: 'Ich weiß, dass du gerne an diesem Gespräch teilnehmen würdest, aber ich spreche gerade mit jemand anderem'", sagte sie.
Und wenn Eltern wirklich nicht möchten, dass sich ihre Kinder in die Unterhaltung einmischen, dann sollten sie keine Erwachsenengespräche in ihrer Gegenwart führen.
"Weil ich es gesagt habe"
Diesen Satz zu hören, wenn man nach einer Antwort sucht, kann ziemlich frustrierend sein! Die Expertin erklärt: "Ihm fehlt eine Erklärung für eine – meist negative – Entscheidung der Eltern, die für das Kind von Bedeutung ist."
Ihren Kindern erklärt sie deshalb lieber altersgerecht, warum sie zu dieser Entscheidung gekommen ist.
"Wenn das Kind sich dennoch nicht zufrieden gibt und immer weiter fragt, bestätige ich seine Gefühle – zum Beispiel: 'Ich weiß, dass du gern auf den Spielplatz wolltest. Aber ich habe bereits erklärt, warum es geht nicht. Deshalb werde ich nicht weiter darüber sprechen.'"
"Ich sehe es schon kommen"
"Du fällst da gleich runter", "Das geht gleich kaputt" – Sätze wie diese liegen Eltern zig mal am Tag auf der Zunge. Allerdings haben diese Mahnungen und Warnungen wenig Nutzen. Kinder müssen ihre eigenen Erfahrungen machen dürfen. Wenn eine Situation wirklich gefährlich ist, müssen Eltern natürlich einschreiten. Andernfalls: Die Kinder einfach mal gewähren lassen – ohne Belehrungen und "Ich hab's dir doch gesagt".